Getrennte Familien, gefesselte Menschen Kirchliche Beobachter kritisieren Abschiebepraxis am Frankfurter Flughafen
Jährlich werden mehrere tausend Menschen über den Frankfurter Flughafen in ihre Heimatländer abgeschoben. Kirchliche Beobachter haben bei den Durchführungen teils gravierende Defizite festgestellt.
Rund 4.300 Menschen aus ganz Deutschland sind im vergangenen Jahr vom Frankfurter Flughafen aus abgeschoben worden. Nicht immer sei es dabei mit rechten Dingen zugegangen, berichten kirchliche Abschiebebeobachter. In ihren Tätigkeitsbericht, der am Donnerstag vorgestellt wurde, sprechen sie von systematischen Mängeln.
Demnach komme es immer wieder vor, dass Menschen im Winter in ungeeigneter Kleidung abgeschoben würden. Mehrfach seien selbst Kinder in Hausschuhen oder Flipflops zu den Flügen gebracht worden.
Getrennte Familien, gefesselte Migranten
Betroffenen werde oft nicht genug Zeit gegeben, um einige persönliche Dinge oder Medikamente einzupacken. Auch Fälle von Familientrennung hätten Anlass zu Kritik geboten.
"Besonders bei Sammelmaßnahmen in Westbalkanstaaten wurden vermehrt Familien mit (Klein-)Kindern zum Teil mitten in der Nacht abgeholt", heißt es in dem Bericht. "Immer häufiger berichteten Rückzuführende, dass sie bei der Abholung weder die Möglichkeiten hatten, zu packen, noch ihr Geld vom Konto abzuheben."
Beim Einsatz grundsätzlich zulässiger Zwangsmittel zur Durchsetzung von Abschiebungen registrierte die Abschiebungsbeobachtung ein unterschiedliches Vorgehen der Behörden je nach Bundesland. So würden Ausländer aus Bayern übermäßig häufig gefesselt am Frankfurter Flughafen eintreffen. "Bei Chartern in afrikanische Destinationen war dies flächendeckend zu beobachten", heißt es in dem Bericht.
Kritik an Abschiebung kranker Menschen
Kritisch äußert sich der Tätigkeitsbericht auch zur Abschiebung Kranker. Im vergangenen Jahr seien "vermehrt Krebspatienten abgeschoben worden". Änderungsbedarf sehen die Beobachter auch bei Ärzten, die am Flughafen die Flugtauglichkeit bescheinigen müssen - gerade bei Chartermaßnahmen bleibe "kaum Zeit für eine angemessene Anamnese".
Zudem fehlten oft Dolmetscher. Meist müssten Kinder dann für ihre Eltern übersetzen, was nach Überzeugung von Diakonie und Caritas nicht mit dem Kindeswohl vereinbar ist - insbesondere in Fällen, in denen die Eltern und die Kinder selbst stark verängstigt sind oder sich gegen die Abschiebung wehren.
Eine gestiegene Sensibilität bescheinigt der Bericht der Bundespolizei beim Umgang mit Schwangeren. Mehrfach seien Abschiebungen nach Prüfung von Mutterschutzfristen durch die Beamten am Flughafen gestoppt worden.
Die Beobachter von Diakonie und Caritas berufen sich in ihrem Bericht auf Beobachtungen, die sie bei rund 1.200 Abschiebungen im Jahr 2023 gemacht haben. Insbesondere kümmerten sie sich nach eigenen Angaben um Fälle, in denen Familien oder Alleinerziehende mit kleinen Kindern sowie Kranke betroffen waren.
Minister reagiert auf Kritik
Die Kritik hat unterdessen auch Innenminister Roman Poseck erreicht. "Wir nehmen die Erkenntnisse ernst und beziehen sie in unsere weiteren Überlegungen mit ein", sagte der CDU-Politiker dem hr.
Er habe großen Respekt vor der Arbeit der Abschiebebeobachter, dass das Land sich an der Finanzierung des Projekts beteiligte, sei Ausdruck hoher Wertschätzung. "Es ist wichtig, dass bei Abschiebungen auf Humanität und Gesundheit geachtet wird."
Poseck will mehr abschieben
Zugleich fährt Poseck in Hessen einen harten Abschiebe-Kurs, wie er stets betont. "Abschiebungen sind persönlich immer hart, aber notwendig", so der Minister. In Hessen lebten rund 13.000 ausreisepflichtige Menschen, deswegen müsse das Land dafür sorgen, dass das Recht auch durchgesetzt wird. "Sonst ist der Rechtsstaat nicht handlungsfähig."
Zudem kündigte Poseck an, in Zukunft noch konsequenter vor allem Straftäter abschieben zu wollen. "Wer bei uns schwere Straftaten begeht, hat kein Recht zu bleiben."
1.084 Menschen wurden nach Angaben des Ministeriums bis Ende August 2024 aus Hessen abgeschoben, 2023 waren es bis Jahresende 1.406. Im Jahr 2022 lag die Zahl der Abschiebungen bei 1.048, 2021 bei 933.