DJ über rechte Aneignung von Kultsong "'L'amour toujours' ist ein Partylied und darf gespielt werden"

Musik aus, Licht an, Security informieren - das müsse die Reaktion auf rassistische Gesänge zu "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino sein, sagt Udo Bohla vom DJ-Berufsverband. Doch er warnt davor, den Song nicht mehr zu spielen. Ein Gespräch.

Nahaufnahme eines Mischpults mit vielen Reglern und einer Hand, die sie bedient.
"L'amour toujours" von Gigi D'Agostino: Rechtsradikale Parole kapert Liebeslied. Bild © picture alliance / Shotshop | Addictive Stock
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Der Hit "L'amour toujours" von Gigi D'Agostino ist mehr als 20 Jahre alt. Der Refrain besteht aus einer eingängigen Melodie - ohne Text. Seit einigen Monaten wird das Liebeslied gekapert. Zu den Tönen, die nahezu jeder kennt, wird eine rechtsradikale Parole gegrölt.

Zuletzt soll es in Friedrichsdorf-Burgholzhausen (Hochtaunus) zu einem derartigen rassistischen Vorfall gekommen sein - wie zuvor in Alheim (Hersfeld-Rotenburg) und Kalbach (Fulda).

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Staatsschutz ermittelt: Rassistische Parolen bei Kerb in Burgholzhausen

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Bild © hessenschau.de
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Sollte der Song zumindest vorübergehend nicht mehr gespielt werden? Und was können DJs und Veranstalter tun, wenn Gäste rassistische Texte auf den Song anstimmen?

Udo Bohla aus Kassel ist Regionalrepräsentant des Berufsverbands Diskjockey (BVD) in Deutschland. Er legt seit mehr als 25 Jahren auf. Als sogenannter Open Format-DJ hat er sich nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt, sondern mischt verschiedene Musikstile. Sein Herz schlägt für House und Techno.

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Die Fragen stellte Stefan Babuliack.

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hessenschau.de: Es gibt immer wieder Vorfälle, bei denen ausländerfeindliche Parolen zu Gigi D'Agostinos "L'amour toujours" gesungen wurden. Wie blicken Sie von Seiten der Discjockey-Branche darauf?

Udo Bohla: Es wird immer auf die Discjockeys geschaut und geschimpft. Natürlich ist der DJ derjenige, der die Musik macht, der für die Party sorgt. Und die Leute sollen gute Laune und Party haben. Gigi D'Agostino mit seinem Song L’amour toujours hat schon immer für Partystimmung und gute Laune gesorgt.

Der Titel an sich ist ja ein Liebeslied. Wir als Branche der Diskjockeys sagen: Es ist und es bleibt ein Partylied, und es darf auch gespielt werden.

hessenschau.de: Aber wenn gute Laune mit wiederholt aufkommenden rechtsradikalen Gesängen einhergeht, ist das dann nicht ein Problem? Wie kommt es immer gerade bei dem Lied zu diesen Ausfällen?

Bohla: Wie es gerade bei diesem Lied zu diesen Ausuferungen kommt, das weiß, glaube ich, kaum jemand. In dem Refrain ohne Text ist diese sehr eingängige Melodie. Deshalb wird der Song gerne auf Partys gespielt.

Wenn er jetzt für rechts- oder linksextreme politische Dinge genutzt wird, können wir uns das nicht in die Schuhe schieben lassen und das werden wir auch nicht. Das ist eher eine politische Geschichte in unserer gesamten Kultur, die angegangen werden muss. Der Fehler darf nicht beim DJ gesucht werden.

hessenschau.de: Aber es kann doch kein gegenwärtiger Zustand bleiben, dass bestimmte Songs für Ausländerfeindlichkeit gekapert werden, oder?

Bohla: Da bin ich bei Ihnen. Die Songs werden gekapert - genau das ist es. Soll deswegen dieses Lied, das seit über 25 Jahren immer wieder für gute Laune gesorgt hat, verboten werden? Und den DJs verboten werden, es zu spielen und damit ihre künstlerische Freiheit einzuschränken? Das halte ich für falsch.

Auch Kultusstaatsministerin Claudia Roth hat sich gegen ein Verbot von diesem Song ausgesprochen. Man muss da an politischer Stelle anknüpfen, die DJs sehe ich nicht in der Pflicht. Wir lassen uns nicht in irgendeine politische Ecke drängen.

Udo Bohla vom Diskjockey-Berufsverband sitzt vor einem Mischpult. Er hat raspelkurze Haare und trägt ein schwarzes Polohemd.
Musik aus, Licht an, Security informieren: Udo Bohla vom Diskjockey-Berufsverband: Bild © hr

Wir machen Musik, wir wollen Freiheit haben, Freiheit leben und gute Laune auf der Tanzfläche verbreiten. Und da tanzt alt mit jung, Geschäftsführer mit Bauarbeiter, jeder mit jedem. Ich sehe nicht, dass der DJ dafür verantwortlich gemacht werden kann, was Randgruppen oder wer auch immer aus dem Lied machen.

hessenschau.de: Sprechen Sie in ihrem Verband darüber, wie man mit dieser Situation umgehen kann?

Bohla: Ja. Wir sprechen darüber, wir halten immer wieder Schulungen dazu ab, was ein DJ tun kann, wenn ihm solch ein Verhalten auffällt. Doch nicht immer bekommt man das als DJ mit, auch wenn jeder das denkt. Wir sagen: Wenn ein DJ so etwas bemerkt, dann soll er die Musik ausmachen und den Leuten sagen: 'So geht es nicht!'.

Wenn die Musik nämlich urplötzlich aus ist, kann dagegen angegangen werden, was es auch immer ist. Ob das Schlägereien sind, die immer wieder vorkommen, oder Dinge, die nicht in Ordnung sind. Wie in diesem Fall, wenn Songs falsch interpretiert und mit eigenen Texten versehen werden.

hessenschau.de: Gab es denn jetzt eine bestimmte Handlungsempfehlung beziehungsweise Sensibilisierung für derartige Vorfälle wie in jüngerer Zeit?

Bohla: Wir haben zusätzlich in dem letzten Dreivierteljahr auch darüber gesprochen, ob es vonnöten ist, den Song zu verbieten. Und wie man als DJ damit umgeht, wenn der Song falsch benutzt wird. Das machen wir schon eine ganze Weile, um die DJs für solche Situationen zu sensibilisieren.

hessenschau.de:  Wie kann man sich den Austausch bei Ihnen vorstellen? Wie haben Sie mit Ihren Mitgliedern darüber gesprochen?

Bohla: Wir sprechen das verbandsintern mit unseren Mitgliedern ab. Zusätzlich hat unser Präsident Dirk Wöhler dazu in den Medien schon mehrfach Stellung genommen. Er ist genau derselben Ansicht wie ich: Der DJ ist nicht derjenige, den man dafür in die Verantwortung zu nehmen darf.

Früher wurden Betrunkene als Betrunkene dargestellt, heute wird das Ganze politisch aufgebauscht. Das Thema ist für mich nicht der DJ. Das ist für mich die Politik, die das angehen muss - und zwar nicht durch Verbote von Songs oder der Einschränkung der künstlerischen Freiheit von DJs.

hessenschau.de: Wie meinen Sie das? Welche Erwartung haben Sie von Seiten der Politik?

Bohla: Sich das anzuschauen. Warum ist es so, warum kommt das genau dazu. Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Helene Fischer, Queen oder irgendein anderer Künstler, ein guter Song, den jeder kennt, würde mit irgendwelchen Wortlauten missbraucht. Wollen wir den auch verbieten?

Wenn wir alle Songs irgendwann verbieten, dann haben wir gar keine Musik mehr. Aus unserer Sicht kann nicht die Musik daran schuld sein, dass Wortlaute und Texte in Songs eingebracht werden. Vielmehr muss die Politik genau schauen, warum es Leute gibt, die Songs welcher Art auch immer benutzen und einen freien, eigenen Text drauf singen.

hessenschau.de: Wenn Sie sagen, die Verantwortung liegt bei der Politik, klingt das recht abstrakt. Es gibt eine Gemengelage aus DJs, aus Veranstaltern, aus allen, die irgendwo beteiligt sind...

Bohla: ...und das fällt in die Rubrik und in die Ressource Kultur, wo geschaut werden muss. Es werden Opernhäuser aufgebaut und modernisiert und hübsch gemacht, aber in anderen kulturellen Szenen wie in Bars, in Kneipen, in Diskotheken, in Clubs, auf der Kirmes - wo DJs sind - das gehört auch zur Kultur. Und es ist Aufgabe der Politik, dort zu schauen, dass es funktioniert.

hessenschau.de: Und da warten Sie jetzt auf ein Signal? Wie wollen Sie auf weitere Vorfälle reagieren?

Bohla: Wir vom Berufsverband Diskjockey haben uns schon seit der Corona-Zeit immer wieder an die Politik gewandt und um Unterstützung gefordert. Wir haben gesagt, ihr müsst auf uns schauen. Weil wir nicht nur der eine DJ sind, sondern wir als BVD Deutschlands größte Discjockey-Vereinigung sind, die es gibt und da muss einfach mehr von der Politik an Unterstützung kommen.

Seitdem das auf Sylt passiert ist, wird auf die gesamte Veranstaltungsbranche und auf den DJ geschaut und Fingerpointing betrieben. Das ist nicht gut und nicht richtig. Ich sehe es nicht als Schuld eines DJs, das Lied zu spielen.

hessenschau.de: Hat man als DJ ein Gefühl für die Menge und müssten DJs oder die Veranstalter dem Thema nicht eine gewisse Vorsicht entgegenbringen?

Bohla: Wo will man anfangen, wo will man aufhören? Man schaut jedem nur ins Gesicht. Wenn man als DJ auf der Bühne steht, dann hat man mindestens 20 Meter Abstand zur ersten Publikumsreihe. Und da kann man nicht erkennen, wen man im Publikum vor sich hat. Ich kann versuchen abzuschätzen, welche Altersgruppen auf der Party sind, aber mehr geht nicht. Das ergibt sich im Laufe des Abends, wo ich sehe, in welche Richtung das geht.

Und wenn sich dann rauskristallisieren sollte, dass bei dem Song von Gigi D’Agostino - den ich spiele - etwas nicht korrekt läuft, werde ich ganz klar die Musik ausmachen. Und sagen, dass das so nicht geht.

Und ich werde den Lichttechniker bitten, das Licht anzumachen, damit die Security oder der Veranstalter dagegen vorgehen können. Natürlich. Aber im Vorfeld sollte man das nicht tun, weil es nicht richtig ist.

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Hinweis: Das Interview mit Udo Bohla wurde vor der Kamera geführt und für die schriftliche Version gekürzt, redigiert und autorisiert.

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Redaktion: Stefanie Küster

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de

Ihre Kommentare "L'amour toujours" - trotz rassistischer Vorfälle ein Muss auf Partys? Oder sollte man verzichten?

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20 Kommentare

  • Die Frage ist doch, wann und warum es normal geworden ist, dass rechtsextreme Propaganda von halben Festzelten abgesungen wird.

    Wenn man sieht, wie der interviewte DJ jede Verantwortung auf andere abschiebt und wie der hr aus einem rassistischen Vorfall eine Diskussion übers Lieder-Verbieten macht, hat man sicherlich einen Teil der Antwort.

  • Ich glaube nicht, dass alle, die da mitgröhlen, automatisch rechts oder rechtsradikal sind.
    Ich glaube, für viele ist es vor allem der Reiz des Verbotenen. Und das kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Auch wenn ich die rechten Inhalte in keinem Fall in Ordnung finde.
    Aktuell sind die Medien voll von Themen wie diesen und fast jede Meldung kommt mit einem unterschwelligem erhobenen Zeigefinger daher, was man alles soll und was man nicht darf usw. Es wird jede Formulierung, Bezeichnung, beinahe jedes Wort überprüft, ob es nicht feindlich indoktriniert sein könnte.
    Ich glaube, viele haben es einfach satt und wollen nicht tagein, tagaus gemaßregelt werden. Und dann kommt es irgendwann zu diesen Ausbrüchen.
    Das ständige Vorhalten, Thematisieren und Diskutieren bringt uns nicht weiter, sondern verhärtet die Fronten nur. Klar, man darf die Thematik nicht ignorieren. Aber erreichen kann man die wirklich Rechten m.E. wenn, dann nur auf der Gefühlsebene und durch Vorleben.

  • Die zwei wichtigsten Fragen werden nicht gestellt. Wieso regelte der DJ die Lautstärke beim Refrain runter, damit die Leute mitsingen können, oder? Bei der Vorgesichte des Songs ist er dabei wohl nicht davon ausgegangen, dass die Menge den Originaltext anstimmt. Und zweitens: Laut Tontechniker wurde das Lied mehrfach an diesem Abend gespielt. Wieso geschieht das trotz der rassistischen Gesänge oder wurden die Parolen erst beim letzten Mal gesungen?

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