Vitos Neurologie in Weilmünster Kreis Limburg-Weilburg fordert 9,3 Millionen Euro für Fachklinik-Übernahme

Es könnte teuer werden - allerdings für den bisherigen Eigentümer: Der Kreis Limburg-Weilburg will die zweitgrößte neurologische Fachklinik Deutschlands übernehmen. Weil die Vitos Neurologie in Weilmünster aber rote Zahlen schreibt, fordert der Kreis vom Klinikbetreiber 9,3 Millionen Euro.

Gelbes mehrgeschossiges Gebäude
Der Standort von Vitos in Weilmünster hat eine fast 130 Jahre lange Geschichte. Bild © Karsten11 / Wikimedia Creative Commons

Die Vitos Klinik für Neurologie in Weilmünster (Limburg-Weilburg) ist eine der größten ihrer Art in Deutschland. Medizinisch gilt das Haus als durchaus erfolgreich, wirtschaftlich macht es allerdings ein dickes Minus. Die Gebäude gelten als veraltet, die Infrastrukturkosten der relativ isolierten Spezialklinik als hoch.

Die Zukunft der Neurologie steht seit Monaten auf der Kippe - und damit die Zukunft von rund 450 Arbeitsplätzen und 120 neurologischen Betten. In Weilmünster werden derzeit etwa Schlaganfallpatienten oder Unfallopfer mit Schädelverletzungen behandelt.

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Jetzt steht ein möglicher Übernahme-Deal im Raum: Der Kreis Limburg-Weilburg will die Neurologie von Vitos übernehmen und langfristig in das Kreiskrankenhaus in Weilburg integrieren. Nun liegen dafür auch erste konkrete Zahlen vor.

"Negativer Kaufpreis" von 9,3 Millionen

Das Besondere: Der Haupt- und Finanzausschuss des Kreises schlägt laut der am Dienstagabend vorgestellten Beschlussvorlage einen "negativen Kaufpreis" vor. Demnach soll der Kreis für die Neurologie nichts bezahlen, sondern 9,3 Millionen Euro dafür fordern, dass er den Betrieb übernimmt. Der Kreis hofft also auf eine Art Mitgift des derzeitigen Eigentümers.

Grund dafür ist, dass der Kreis in den kommenden Jahren von hohen Defiziten der Neurologie ausgeht. Für die Jahre 2025 bis 2027 wird demnach ein kumulierter Verlust von rund 4,5 Millionen Euro erwartet. Weitere 4,8 Millionen Euro sind laut Beschlussvorlage als liquide Mittel notwendig, um den laufenden Betrieb zu erhalten.

Mehrere langgestreckte Gebäude von oben
Vitos Gelände in Weilmünster Bild © Vitos
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Von der "Heil- und Pflegeanstalt" zur Neurologie

Die Vitos Klinik für Neurologie Weilmünster wurde 1897 als "Heil- und Pflegeanstalt“ mit über 1.000 Betten gegründet, ursprünglich zur Isolation psychisch Kranker. Während der NS-Zeit war sie Teil der "Aktion T4", bei der systematisch zehntausende Patienten ermordet wurden. Nach dem Krieg wurde die Klinik saniert und schrittweise zum psychiatrischen Krankenhaus und schließlich zur neurologischen Fachklinik entwickelt.

Heute ist sie eine der größten neurologischen Akutkliniken Deutschlands. Am Standort befinden sich heute außerdem eine Klinik für Psychosomatik sowie ein Pflegezentrum für Menschen mit schweren neurologischen Schädigungen.

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Langfristig Umzug nach Weilmünster geplant

Hinzu kommt die langfristige Gebäudefrage. Vitos hatte die Kosten für Sanierung und Umbau des über 100 Jahre alten Gebäudebestands im Jahr 2023 auf knapp 70 Millionen Euro beziffert. Der Kreis will die Gebäude nun nicht übernehmen, sie sollen Eigentum von Vitos bleiben.

Die Neurologie soll laut Beschlussvorlage nur noch übergangsweise am alten Standort bleiben, bis am Kreiskrankenhaus-Standort in Weilburg ein Neubau steht.

Kreiskrankenhaus plant 240-Millionen-Euro-Neubau

Dort wird bereits seit einigen Jahren ein großes Bauprojekt für rund 240 Millionen Euro geplant - auch mit Platz für die Neurologie. Ursprünglich hatten Vitos und Kreiskrankenhaus allerdings vorgehabt, bei dem Bauprojekt partnerschaftlich zu kooperieren.

Voraussetzung für die Umsetzung waren jedoch Fördermittelzusagen gewesen. Weil die bis Anfang des Jahres noch nicht erfolgt waren und sich die wirtschaftliche Lage in Weilmünster weiter angespannt hatte, hatte Vitos im Januar angekündigt, stattdessen auch einen Verkauf zu erwägen.

Land will 50 Millionen zuschießen

Das Kreiskrankenhaus hatte in diesem Zusammenhang schließlich Übernahme-Interesse bekundet. Seit März liegt laut Beschlussvorlage nun offenbar auch eine Zusage vom Land für eine Förderung des Baus vor. Demnach würde das Land 50 Millionen Euro zuschießen.

Gebäude der Vitos-Klinik in Weilmünster mit Hinweisschild auf die Psychiatrie
Vitos-Klinik in Weilmünster Bild © hr

Die geplante Übernahme umfasst ausschließlich den Betrieb der Neurologie, nicht die Klinik für Psychosomatik mit rund 30 Angestellten. Derzeit steht im Raum, dass Vitos diese Fachklinik aus Weilmünster nach Gießen verlagert.

Am Standort Weilmünster würde Vitos dann noch ein Pflegezentrum für schwerkranke Neurologiepatienten sowie Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe betreiben.

Betriebsrat begrüßt Pläne

Der Betriebsrat von Vitos in Weilmünster äußerte sich auf hr-Anfrage erleichtert über die aktuelle Verhandlung. Der Betriebsratsvorsitzende Sebastian Trieb sagte: Man begrüße die Übernahmeplanungen durch einen öffentlichen Träger und hoffe, dass dadurch die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Auch den möglichen Standortwechsel nach Weilburg sehe man positiv, dies sei zur Zukunftssicherung notwendig. Auch der Betriebsrat des Kreiskrankenhauses hatte sich in der Vergangenheit zustimmend geäußert.

Kritisch sehe man allerdings, dass die Klinik für psychosomatische Erkrankungen nicht mit übernommen werden soll, so Trieb. "Eine Verlagerung der Psychosomatik nach Gießen würde lange Fahrtwege für die Mitarbeiter bedeuten und wäre auch nicht gut für die Patientenversorgung in der Region." Der Betriebsrat setze sich stattdessen für einen Umzug in eine anderen Immobilie in der Region ein, etwa in die ehemalige Jugendherberge in Weilburg.

Verhandlungen stehen am Anfang

In trockenen Tüchern ist die Übernahme allerdings noch nicht. Zunächst muss der Kreistag am Freitag darüber abstimmen, ob das Angebot an Vitos überhaupt rausgeht - und dann müsste Vitos dem auch zustimmen.

Vitos teilte auf hr-Anfrage mit: Da man sich noch am Anfang der Verhandlungen befinde, wolle man sich derzeit nicht dazu äußern.

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Vitos gGmbH des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen

Der Krankenhausbetreiber Vitos ist eine gemeinnützige GmbH (gGmbH). Alleingesellschafter ist der Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen. Dessen Gesellschafter wiederum sind die kreisfreien Städte in Hessen und die hessischen Landkreise, also auch der Lahn-Dill-Kreis.

Die Kreise zahlen eine sogenannte Verbandsumlage an den LWV, womit soziale Unterstützungsleistungen finanziert werden, etwa für Menschen mit Behinderung. Der Lahn-Dill-Kreis zahlte laut Kreishaushalt 2024/2025 rund 40 Millionen Euro an den LWV.

Vitos agiert nach eigenen Angaben als eigenständiges Unternehmen. Der Krankenhausbetrieb werde nicht aus Mitteln des LWV finanziert, sondern über die Zahlungen von Kostenträgern, also den Krankenkassen. Defizite wie in Weilmünster gleiche man aus Erlösen anderer Einrichtungen aus.

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Sendung: hr4, die Hessenschau für Mittelhessen,

Quelle: hessenschau.de/Benjamin Müller