Gegen unbezahlte Überstunden Gewerkschaft will Lehrer mit Arbeitszeiterfassung schützen
Viele Lehrer klagen über unbezahlte Überstunden. Deshalb fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine Arbeitszeiterfassung. Davon sollen am Ende auch die Schulen profitieren. Das Kultusministerium spricht sich gegen einen hessischen "Alleingang" aus.
Unbezahlte Überstunden sind nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für viele Lehrkräfte Alltag. Um die Situation aufzuklären und für Abhilfe zu sorgen, fordert der Landesverband der GEW eine Arbeitszeiterfassung an den Schulen.
Eine solche Erfassung sei eigentlich Pflicht und erfolge im öffentlichen Dienst auch - nur nicht an den Schulen, sagte der hessische GEW-Vorsitzende Thilo Hartmann. Dort würden überlange Arbeitszeiten in den Schulwochen und unbezahlte Überstunden geleistet.
Tausende Lehrerstellen nicht besetzt
Tausende Lehrerstellen sind laut GEW in Hessen nicht besetzt. Viele Studierende brächen die Ausbildung ab. Wenn sie sähen, wie an Schulen gearbeitet werde, führe dies zu einem "Praxisschock". Von 100 Studierenden kämen weniger als 50 fertig ausgebildet in den Schulen an.
Zudem gebe es an den Schulen immer wieder Probleme mit hohem Krankenstand. Die Folge seien Unterrichtsausfälle. Dies liege auch an den derzeitigen Arbeitsbedingungen, die verbessert werden müssten, erklärt die Gewerkschaft. Die Erfassung der Arbeitszeit sei dazu ein erster Schritt.
Klassenfahrten organisieren und mit der Jugendhilfe zusammenarbeiten
In Hessen arbeiteten einer Studie der GEW aus dem Jahr 2020 zufolge 21 Prozent der Vollzeit-Lehrkräfte in Schulwochen mehr als die gesetzlich pro Woche höchstens erlaubten 48 Stunden. Die Gewerkschaft geht von einem zwischenzeitlichen weiteren Anstieg der Mehrarbeit aus, sagte der Vorsitzende Hartmann.
Nach Angaben der GEW haben die Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern, die sie außerhalb des Unterrichts erledigen, in den vergangenen Jahren zugenommen. Dazu gehörten die Organisation von Klassenfahrten und Ausflügen, die Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe sowie Pflichten, die sich aus Inklusion und Digitalisierung ergeben.
Arbeit mit Kindern leidet
Die Forderung nach Erfassung der Arbeitszeit wird auch vom Interessenverband Hessischer Schulleitungen vertreten. "Viele zusätzliche Aufgaben kamen in den vergangenen Jahren dazu, ohne, dass die Ressourcen gestärkt wurden", kritisierte der Verbandsvorsitzende Andreas Leibold. Dies gehe zulasten der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern.
Die Arbeit könne mithilfe der Erkenntnisse aus einer Zeiterfassung besser und effizienter verteilt werden, beispielsweise auch auf Verwaltungsfachkräfte oder technische Assistenten. Dies würde Lehrkräfte entlasten und die Unterrichtsqualität verbessern, so Leibold. Von Mehrarbeit seien auch die Schulleitungen betroffen. Leibold berichtete von wöchentlichen Arbeitszeiten jenseits der 50 Stunden.
Ministerium gegen Alleingänge
Die GEW legte den Entwurf einer Dienstvereinbarung mit dem Kultusministerium vor. Darin soll die Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie Pausenzeiten festgelegt werden. Das Land müsse eine kostenfreie, leicht handhabbare sowie datensichere Methode zur Erfassung der Arbeitszeiten bereitstellen.
Das Kultusministerium erklärte auf Anfrage, das Thema Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte werde derzeit innerhalb der Kultusministerkonferenz zwischen den Ländern besprochen. "Das Thema kann nur einheitlich gelöst werden, deshalb verbietet sich ein Alleingang", erklärte eine Ministeriumssprecherin.