Lkw-Branche am Limit "Wir steuern da auf eine ganz schlechte Zukunft zu"

Sie blockieren die Straßen, sind groß, laut und stinken - die Klischees über Lkw sind endlos und teilweise unfair. Dabei steht die Branche vor großen Herausforderungen - vor allem, weil Fahrer fehlen. Eine hr-Doku begleitet Lkw-Fahrer. Wie hart ist der Job wirklich?

Luftaufnahme von oben: Lkw stehen auf einer Raststätte
Bild © picture alliance/dpa | Arnulf Stoffel
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Kurt Metz, Fuhrparkleiter der Spedition Bork in Langgöns (Gießen), ist wütend. Der 70-Jährige ist mit seinem Latein am Ende. Fahrermangel? "Das kann ich nicht mehr hören. Den haben wir doch selbst provoziert."

Mit "wir" meint Metz uns alle. Wer habe schon Lust, Lkw-Fahrer zu werden, wenn es überall an Respekt für diesen Beruf mangele, sagt er. "Es weiß doch keiner, was die für die Gesellschaft leisten." Metz fühlt sich hilflos und weiß nicht mehr, was er noch dagegen tun kann.

Ein Mann in einer schwarzen Fleecejacke mit der Aufschrift BORK.
Kurt Metz ist Fuhrparkleiter. Fahrer-Nachwuchs findet er kaum. Bild © Rick Gajek/hr

Man tue schon alles, was getan werden kann, um Fahrer zu finden, sagt Metz. Dennoch stagnierten die Anstellungen - wie überall: Laut dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) fehlen in Deutschland rund 60.000 Fahrerinnen und Fahrer.

Eine hr-Dokumentation begleitet hessische Lkw-Fahrer und solche, die es werden wollen eine Woche lang, um zu verstehen, was getan werden kann, um das Problem in den Griff zu bekommen. Doch das ist alles andere als einfach.

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7 Tage ... im Lkw - Traumjob Trucker?

Unendliche Weiten auf der Autobahn: Für viele, die ihn machen, ist es ein Traumjob - und doch fehlen überall Fahrer. Wie hart der Beruf sein kann, wie viel Spaß er dennoch machen kann - und warum ein Fahrer wegen seines Berufs bereits zweimal geschieden ist, sehen Sie in der TV-Dokumentation "7 Tage ... im Lkw - Traumjob Trucker?", die am 16. März 2023 um 21.45 Uhr im hr-fernsehen läuft und schon jetzt in der ARD-Mediathek abrufbar ist.

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Lkw-Fahrer Konrad: Brennen für den Job

Einer, der jeden Tag verhindert, dass die Regale im Supermarkt leer werden, ist Rüdiger Konrad. Der 66 Jahre alte Lkw-Fahrer hat braun-gebrannte Haut, trägt Sicherheitsschuhe und eine Warnweste über seiner dicken Fleecejacke. Obwohl sein Dienstbeginn um sechs Uhr früh ist, strahlt er. Es ist genau seine Zeit.

Seit bald 40 Jahren fährt Konrad Lkw - 30 Jahre davon Langstrecke, lange Zeit für Spediteur Bork in Mittelhessen. Noch weiter, noch länger, tagelang unterwegs sein.

"Das ist wie so eine Art Zwang", erklärt er - und schwärmt davon. Heute fährt er nur Kurzstrecken und er schult neue Fahrer. Bei einer Probefahrt mit neuen Bewerbern - so sie es denn mal gibt - spürt er schnell, ob die Menschen geeignet sind. Die Bereitschaft, längere Dienste zu machen, nicht nach acht Stunden nach Hause wollen, das finde man kaum noch. Für den Lkw-Job müsse man brennen, sonst funktioniere es nicht.

Ein Mann hält sich an der Tür eines Lkw fest und schaut ins Innere der Fahrerkabine.
Rüdiger Konrad fährt seit fast vierzig Jahren Lkw. Mittlerweile bildet er auch die Fahrer bei Bork aus. Bild © Rick Gajek/hr

"Der Fahrer ist in den Lagern der letzte Depp"

Wenn Konrad in einen Stau kommt - und das gehöre nun mal leider dazu, sagt er - komme es auch schon mal vor, dass man sich an seinem Zielort beim Kunden böse Worte anhören muss. Der Ton in den Logistikzentren ist eher rau. Sein Fuhrparkleiter Metz drückt es nicht ganz so diplomatisch aus: "In den Lagern, da ist der Fahrer doch der letzte Depp", sagt er. Er weiß, was seine Leute leisten und ist ihnen dankbar.

An diesem Tag fährt Konrad nur rund 300 Kilometer, von Langgöns bis Worms. Dann ein Zwischenstopp in der Bork-Zweigstelle in Neu-Isenburg, um einen anderen Anhänger mitzunehmen - und zurück nach Langgöns.

Eine verhältnismäßig kurze Tour. Sein Arbeitstag ist dieses Mal gegen 15 Uhr vorbei. Es könne aber auch mal vorkommen, dass man zehn oder sogar zwölf Stunden arbeite. Je nach Stau, je nach Dauer der Wartezeit beim Kunden. Das alles können die Fahrer kaum beeinflussen, wirkt sich aber voll auf sie aus.

"Dann geht irgendwann das Licht aus"

Wie wichtig der Job ist, zeigt sich mit einem Blick ins Lager der Spedition Bork. Hier stehen gekühlte Wurstwaren, Lebensmittel in allen Formen und Farben, abgepackt und bereit zur Auslieferung.

Bork ist einer der größten Speditionen im Rhein-Main-Gebiet: 550 Mitarbeiter, davon knapp 400 Fahrer. Davon sind nicht alle immer da - vor allem die Fahrer aus Osteuropa haben unterschiedlichste Regelungen für ihre Arbeit: Dass sie etwa drei Wochen fahren, um dann eine Woche in der Heimat zu sein - etwa in Polen, oder sechs Wochen fahren und zwei Wochen zuhause sein, bei denen, die noch weiter weg wohnen, wie Litauer oder Kroatier. Mit osteuropäischen Fahrern wurde lange versucht, das Personal-Loch durch die ausbleibenden inländischen Fahrer zu stopfen. Es reicht nicht.

Hauptkunde der Spedition ist vorwiegend eine der größten Supermarktketten in Deutschland. Bei Langgöns hat sich das Familienunternehmen eine Zentrale mit Kühlhaus gebaut, von wo aus die Märkte und Logistik-Lager angesteuert werden können - die Zentrale fungiert als eine Art Umschlagplatz. Ware lagert hier und wartet auf die Auslieferung.

Corona-Helden waren schnell vergessen

"Die Corona-Helden waren sehr schnell vergessen", sagt Fuhrparkleiter Metz und drückt damit sein Missfallen aus, dass der Job des Lkw-Fahrers - trotz der Wichtigkeit - immer noch so einen schlechten Ruf genießt.

Während der Corona-Pandemie wurden nicht nur Pflegerinnen und Pfleger beklatscht, sondern auch alle, die dafür gesorgt haben, dass die Regale voll bleiben. Beim Toilettenpapier schien das in besonderem Maße als wichtig. Metz ist sich sicher, dass der fortschreitende Fahrermangel beim Endkonsumenten spürbar wird: Die Bahn schaffe die Belieferung der Märkte nicht. "Dann ist irgendwann einmal Sense. Dann geht das Licht aus. Dann ist das Regal leer."

Und das, obwohl die Bezahlung bei vielen Speditionen in den letzten Jahren schrittweise nach oben angepasst wurde. Durch den Fahrermangel können sich Fahrer mittlerweile quasi aussuchen, wo sie arbeiten wollen - und auch Ansprüche stellen: etwa, welchen Lkw man fahren möchte oder wie der Freizeitausgleich geregelt ist.

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Wieviel verdient ein Lkw-Fahrer?

Lkw-Fahrer verdienen im Schnitt, abhängig von Spedition und Berufserfahrung 2.500 bis 3.500 Euro, je nach Dienstalter. Hinzu kommen noch steuerfreie Spesen, die einen nicht unerheblichen Teil des Gehalts ausmachen. Brutto- und Nettoeinkommen liegen deshalb (durch die vielen Spesen) nicht weit auseinander.

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Azubis sind Ausnahmefälle

Einer, der sich trotzdem für den Beruf entschieden hat, ist Yannik Endig, 18 Jahre alt, aus Butzbach (Wetterau) - Azubi bei Bork. Sein Vater und Großvater saßen schon hinter dem Steuer, die Familie hat ihm den Diesel quasi mit ins Blut gegeben.

"Für mich wäre das nichts, den ganzen Tag im stickigen Büro zu sitzen - ich will raus, anpacken", sagt er. "Wenn ich jetzt mal durch den Supermarkt gehe und sehe: Ach, da liegt die Wurst - die habe ich eventuell ausgeliefert. Das ist das, was mich anfixt." Bork würde gerne mehr Azubis einstellen - findet aber keine: Zwei Berufskraftfahrer-Azubis waren es in den letzten Jahren, Yannik Endig ist einer davon.

Ein Phänomen, das sich durch die ganze Branche zieht: Der Heizöl-Lieferant Manus in Rodgau (Offenbach) würde am liebsten sofort vier weitere Fahrer in Vollzeit anstellen, denn oft bleiben Lkw einfach auf dessen Hof stehen, obwohl genug Aufträge da sind. Doch Personal ist rar. Michael "Michel" Keim fährt gerne für Manus, ihm fehlt vor allem die Rücksicht der Autofahrer.

Ein Mann mit kurzen grauen Haaren hinter dem Steuer eines orangefarbenen Lkws. Auf seinem Hemd steht "Manus".
Rückwärts zu einer Baustelle fahren - für Michael "Michel" Keim kein Problem. "Autobahn fahren kann jeder", sagt er im Interview. Bild © Rick Gajek/hr

Rücksicht gewünscht - und Erleichterungen im Joballtag

"Ich würde mir wünschen", sagt Keim, "dass ein Auto-Fahrschüler auch mal drei Stunden mit einem Lkw mitfahren muss." Er erhofft sich so, dass Autofahrer verstehen lernen, wie ein Lkw funktioniert und warum er so fährt, wie er fährt. 40 Tonnen stehen bei einem Bremsvorgang eben nicht sofort. "Da brauchst du schon ein paar Meter, bis sie stehen."

Keim ist ein Vollblut-Lkw-Fahrer, macht den Job gerne und lange. Was ihn stört, ist die bürokratische Regulatorik: Als Berufskraftfahrer muss er, wie jeder andere auch, alle fünf Jahre an verpflichtenden Weiterbildungen - sogenannten Modulen in der Fahrschule - teilnehmen, um seine Arbeitserlaubnis zu behalten.

Für solche wie Keim die schon jahrzehntelang für ein Unternehmen fahren, wirken diese Kurse fast wie Schikane - alle fünf Jahre das Gleiche: Sozialvorschriften, Sicherheit und Ladungssicherung. Hinzu kommt, dass Fahrer diese Kurse oft selbst bezahlen müssen. Attraktiver macht das den Beruf nicht - möglicherweise aber sicherer.

An Rastplätzen fehlen Parkplätze

Was Keim als Kurzstreckenfahrer nicht mehr miterleben muss, sind die Nächte im Führerhaus. Oft sind die besonders hart, denn Rastplätze sind überfüllt, Lkw parken oft noch in der Ausfahrt der Autobahn zum Rastplatz hin.

An einen ruhigen Schlaf, direkt neben der Autobahn oder neben einem Kühlauflieger, der die Nacht laut durchbrummt, um die Kühlkette nicht zu unterbrechen, ist kaum zu denken. Dazu kommt die Angst, dass die Plane aufgeschlitzt werden könnte - oder dass jemand nachts einem reinfährt.

Die Statistik bestätigt das: Laut Bundesverkehrsministerium fehlen allein an hessischen Raststätten 3.000 Stellplätze für Lkw. In wenigen Jahren könnten es bundesweit voraussichtlich 40.000 sein, schätzt der Speditions- und Logistikverband Hessen/Rheinland-Pfalz. In der Praxis heißt das: Ab dem Nachmittag füllen sich die Raststätten, bis sie zum Abend hin vollgestopft mit Sattelzügen aus aller Herren Länder sind.

In Hessen gibt es deshalb ein Pilotprojekt: Die bei Wiesbaden liegende Raststätte Medenbach an der A3 wurde vergangenes Jahr mit Sensoren ausgestattet, um Lkw-Fahrern freigewordene Parkplätze per App anzuzeigen. So soll die Suche nach einem geeigneten Stellplatz erleichtert und unnötiger Verkehr vermieden werden.

Ursachen für Fahrermangel sind vielfältig

Aber woran liegt es, dass so viele Fahrer fehlen: Ist es allein die ausbleibende Wertschätzung in der Gesellschaft? Die überfüllten Rastplätze? Die teilweise harten Arbeitszeiten mit Zehn- oder Zwölf-Stunden-Schichten? Die von vielen als Schikane verstandene ständige Verlängerung des Führerscheins, mit Tests beim Augenarzt, mit Aufbaumodulen in der Fahrschule?

Die Gründe sind so divers wie die Fahrer selbst. Früher bekam man den Führerschein über die Bundeswehr, diese Leute fehlen heute. Wie auch in anderen Berufszweigen spielt auch der demographische Wandel eine Rolle:

Zahlen des statistischen Bundesamts vom Mai 2022 zeigen, dass mehr als jeder dritte Lkw-Fahrer älter als 55 Jahre ist. Demgegenüber macht die Gruppe der Unter-25-Jährigen nur drei Prozent aus.

Der BGL warnt daher: Jedes Jahr gingen rund 30.000 Fahrer in den Ruhestand, demgegenüber stünden nur 17.000 Neueinsteiger. Deutschland drohe in wenigen Jahren ein Versorgungskollaps, ähnlich wie in England, heißt es in einem Dokument des Bundesverbands, das sich mit dem Fahrermangel befasst.

Auch deshalb arbeiten viele Lkw-Fahrer über das Renteneintrittsalter hinaus. Fuhrparkleiter Metz ist 70, Rüdiger Konrad ist 66 und seit über einem Jahr eigentlich im Ruhestand. Michael Keim steht kurz vor der Rente, aber auch er will weiterarbeiten - einerseits für den Nebenverdienst während der Rente, andererseits weil sich die Chefs freuen. Wieder ein Lkw mehr, der fährt.

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Sendung: hr-fernsehen, 7 Tage ... im Lkw - Traumjob Trucker?, 16.03.2023, 21.45 Uhr

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Quelle: hessenschau.de