"Marburger Leuchtfeuer" für Mutter von Hanau-Opfer Wie Serpil Unvar den Kampf ihres Sohnes weiterkämpft
Für ihre Aufklärungsarbeit ist Serpil Unvar mit dem "Marburger Leuchtfeuer" ausgezeichnet worden. Unvar verlor bei dem rassistischem Anschlag in Hanau ihren Sohn und gründete daraufhin eine Initiative, die sich gegen Rassismus und für Chancengleichheit einsetzt.
"Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst", schrieb Ferhat Unvar einmal auf Twitter. Vergessen ist Unvar nicht – dafür sorgt ganz besonders seine Mutter. Im Februar 2022 wurde der damals 23-Jährige Ferhat Unvar erschossen - von einem Rechtsextremisten. Insgesamt neun Menschen wurden beim Anschlag von Hanau aus rassistischen Motiven getötet.
Am Geburtstag ihres Sohnes im November 2020, nur wenige Monate nach dem Anschlag, gründete Serpil Unvar die "Bildungsinitiative Ferhat Unvar" - eine Initiative, die sich gegen Rassismus und für Chancengleichheit einsetzt.
Für Engagement ausgezeichnet
Seitdem besuchen sie und ihr Team regelmäßig Schulen und organisieren Antirassismuskurse, Workshops und Gedenkveranstaltungen. In Hanau hat der Verein inzwischen auch eigene Räume und mehrere Referenten angestellt.
An Donnerstagabend wurde Serpil Unvar für ihr Engagement feierlich ausgezeichnet. Die 47-Jährige erhielt das "Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte".
Jury: Preis auch für "menschliche Größe"
Unvar erhalte das "Marburger Leuchtfeuer" nicht nur für ihre Aufklärungsarbeit, sondern auch für ihre "menschliche Größe", so Jury-Sprecher Egon Vaupel. In einer Zeit wie heute sei besonders wichtig, Personen wie Unvar auszuzeichnen. "Wenn man den Eindruck habe, es bricht und bröckelt, und die Menschen finden schwieriger zusammen."
Auch für Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) ist die Hanauerin ein Vorbild: "Serpil Unvar hat in eindrucksvoller Weise den persönlichen Schmerz, die Verletzung, die Wut, die Trauer über die Ermordung ihres Sohnes in ein produktives Handeln, in ein Symbol für eine Verbesserung unserer Gesellschaft umgesetzt – wie das nur wenigen Menschen gelingt."
Unvar führt Kampf ihres Sohnes fort
Am Anfang habe niemand an sie und ihr Team geglaubt, alle seien davon ausgegangen, dass das Projekt nur einige Monate überleben werde, sagte Unvar bei der Preisverleihung. Aber sie habe gewusst: Sie würden es schaffen. Nun führe sie den Kampf ihres Sohns fort. Er habe schon vor dem Attentat immer wieder Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren, berichtet sie.
In der Schule habe ihr Sohn es viele Jahre lang schwer gehabt, obwohl bei ihm ein hoher Intelligenzquotient festgestellt worden sei. "Warum musste mein Kind vier Mal mehr arbeiten als andere Kinder?" Sie selbst habe sich als Mutter oft hilflos gefühlt.
In ihrer Initiative kämpfe sie nun dafür, dass jedes Kind und jeder Jugendliche in Deutschland gleiche Rechte und Chance bekomme und das eigene Potential entfalten könne. "Die sind wichtig, die haben Kraft, die können mitgestalten", sagt sie. Und betont: "Ihnen gehört Deutschland auch."
Baydar: Aus etwas Furchtbarem etwas Gebendes gemacht
"Schmerz weitet unser Herz", sagte Idil Baydar als Laudatorin bei der Preisverleihung über Unvar. Die Kabarettistin erklärt: Unvar sei für sie persönlich ein großes Vorbild, das sie ehren und achten wolle. "Sie hat aus etwas so Furchtbarem etwas so unglaublich Gebendes und Großzügiges gemacht."
Was sie mir ihrer Bildungsintiative tue, nennt Baydar "Herzensbildung." Es gebe viele gut ausgebildete und studierte Menschen, die intellektuell über Rassismus aufklären könnten. "Aber Gefühle wie Güte, Liebe und Mitgefühl - das sind die Dinge, die unser Herz bilden."
Unvar: "Viele wollen ohne Hass leben"
Serpil Unvar ist froh, dass ihr Kampf gegen Rassismus durch das "Marburger Leuchtfeuer" mehr Aufmerksamkeit erhält. Sie hat sich mit ihrer Bildungsinitiative inzwischen international vernetzt und will bald Gäste aus aller Welt nach Hanau holen, um mit ihnen über Diskriminierung zu sprechen.
"Ich weiß genau: Es gibt so viele anderen Menschen, die ohne Hass leben wollen", sagt sie. "Wenn wir zusammen sind, kann man so viel mehr schaffen."
Sendung: hr-iNFO, 21.7.23, 7.30 Uhr
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