Kriminalität im Alter Mehr als 100 ältere Straftäter in hessischen Gefängnissen

Kriminalität ist kein typisches Phänomen bei älteren Menschen. Doch immer wieder werden Fälle publik, in denen auch sie gewalttätig werden. Was bringt sie dazu?

Gefängnis-Gitter
Da die Bevölkerung älter wird, gibt es auch mehr ältere Gefängnisse in hessischen JVAs. Bild © picture-alliance/dpa

"Also zur Beruhigung kann man direkt sagen, dass ältere Menschen nicht besonders kriminell sind, sondern im Gegenteil", sagt Sebastian Sobota, stellvertretender Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. Eine bestimmte Tat für Ältere kristallisiere sich nicht heraus, sagt Sobota. "Was es aber gibt, das sind Häufungen in bestimmten Deliktsfeldern."

Die häufigste Tat sei Diebstahl, das gelte auch bei älteren Menschen. Das lasse sich oftmals in Zusammenhang mit Altersarmut bringen. "Also das gibt es durchaus, dass ältere Menschen am Monatsende schlicht das Geld ausgeht und sie tatsächlich dann auch für den normalen Lebensunterhalt klauen", erläutert der Kriminologe.

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Oft würden zudem Beleidigungen sowohl im Internet als auch auf offener Straße registriert. Kapitaldelikte stellten dagegen die Ausnahme dar: "Mord und Totschlag gehören nicht zu den häufigen Delikten, was schon daran liegt, dass das insgesamt unheimlich seltene Ereignisse sind", sagt Sobota. 

Mehr als 100 ältere Menschen in Hessen in Haft

Und doch gibt es die Fälle, in denen Menschen, die sich eigentlich ihr Leben lang an Recht und Gesetz gehalten haben, kriminell werden. Erst kürzlich wurde ein 81-Jähriger in Oberursel festgenommen. Er steht in Verdacht, seinen Sohn und seine Frau getötet zu haben. 

Nach Angaben des Innenministeriums waren in den hessischen Gefängnissen zum Stichtag 19. März 118 Menschen über 65 Jahre inhaftiert. In der Polizeilichen Kriminalstatistik für Hessen wurden im Jahr 2024 10.682 Fälle registriert, bei denen die Tatverdächtigen zum Zeitpunkt der Tatbegehung das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatten. Im Jahr 2023 bewegte sich die Zahl der Fälle mit 10.474 Fällen auf einem etwas niedrigeren Niveau.

Die häufigsten Delikte waren 2024: 

  • unerlaubter Aufenthalt ohne unerlaubte Einreise (1.035 Fälle)
  • Ladendiebstahl (1.011 Fälle)
  • einfache Körperverletzung (923 Fälle)
  • Beleidigung (823 Fälle)
  • Bedrohung (592 Fälle)

Ältere Menschen sind nach Angaben von Wissenschaftler Sobota eher unterrepräsentiert in der Kriminalstatistik. Nur etwa sieben Prozent der Tatverdächtigen seien Menschen über 60 Jahren bei etwa 15 Prozent Anteil an der Bevölkerung, wobei in einer alternden Gesellschaft beides ansteige. In der polizeilichen Kriminalstatistik wird normalerweise ab 60 Jahren von Alterskriminalität gesprochen. 

Gefängnisse stellen sich auf ältere Häftlinge ein

Mit einer alternden Gesellschaft gibt es auch Herausforderungen bei der Unterbringung von Häftlingen. Diese werden laut Ministerium im hessischen Justizvollzug durch verschiedene Vorkehrungen berücksichtigt. "Bei allen Neubau- und Umbaumaßnahmen werden, soweit es möglich ist, barrierefreie Hafträume vorgesehen", heißt es etwa. Im Einzelfall könnten älteren Häftlinge etwa spezielle Betten, orthopädische Hilfsmittel oder ergo- und physiotherapeutische Maßnahmen angeboten werden. 

Die JVA Schwalmstadt verfüge über eine eigene Abteilung, die auf die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet sei. "Dort können geeignete männliche Gefangene ab dem 55. Lebensjahr untergebracht werden, sofern sie der dort vorgehaltenen besonderen Hilfen bedürfen", erklärt eine Ministeriumssprecherin. Dazu zählten unter anderem ein altersspezifisches Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungskonzept sowie soziale Kontaktmöglichkeiten im Rahmen von Besuchs- und Telefonangeboten.

Meist keine kriminelle Vorgeschichte

Der stellvertretende Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden betont: Bei der Mehrheit der registrierten Taten älterer Täter handele es sich um Erstdelikte, insbesondere bei den schweren Fällen. Da gebe es keine kriminelle Karriere oder Vorgeschichte, sondern es handele sich mitunter um Verzweiflungstaten.

Wenn etwa "jemand nach langfristiger Pflege des Ehepartners mit den Kräften am Ende ist und keine andere Möglichkeit mehr sieht". Für manche Straftäter im Alter stelle der Wechsel in die Rente einen Umbruch und Auslöser dar. Dabei gehe Struktur verloren, "weil man eben nicht mehr diesen geregelten Tagesablauf hat".

Es fehle vielleicht auch ein Sinn im Leben, den viele mit der Arbeit verbinden und dann könne ein Vakuum entstehen. Dieser Übergang könne mitunter schiefgehen. Oftmals würden zudem die finanziellen Verhältnisse zur Straffälligkeit treiben, wenn Menschen merkten, "die Rente ist aber doch deutlich weniger, als man sich das vorgestellt hat oder es reicht eben nicht mehr für den gewohnten Lebensstandard", sagt Sobota.

Quelle: dpa/lhe/Lukas Fortkord