Zwischenbericht veröffentlicht Mehr Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch im Bistum Fulda
Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs unter dem Dach der katholischen Kirche beschäftigt das Bistum Fulda nach wie vor. Die Zahl der Verdachtsfälle und Tatverdächtigen ist jüngst wieder gestiegen, wie aus einem Bericht hervorgeht.
Im Bistum Fulda werden immer mehr Verdachtsfälle von Gewalt und sexuellem Missbrauch aus den vergangenen Jahrzehnten bekannt. Eine mit Nachforschungen beauftragte Unabhängige Kommission legte dazu vor Kurzem ihren zweiten Zwischenbericht vor.
Daraus geht hervor: Die Zahl der mutmaßlichen Täter stieg von 34 auf 57. Es handelt sich zum Beispiel um Priester, Kapläne, Diakone, Ordensangehörige und Laien im pastoralen Dienst. Unter ihnen sind auch 15 Mehrfach-Täter.
Auch die Zahl der Opfer ist höher als bislang bekannt, sie liegt mittlerweile bei 119. Vor einem Jahr, bei Vorlage des ersten Zwischenberichts, war noch von 111 Opfern die Rede.
Die Kommission soll Fälle von 1946 bis in die Gegenwart aufarbeiten. Sie soll Zahlen erheben, den Umgang mit Betroffenen und Beschuldigten untersuchen und Missbrauch begünstigende Strukturen benennen. "Verharmlosungen, Relativierungen, geringschätzige Vergleiche oder ein Kleinreden der vergangenen Vorkommnisse sind für das Bistum Fulda nicht akzeptabel", hatte das Bistum zum Start der Kommission betont.
Ehemalige Kriminalbeamte arbeiten mit
In dieser arbeiten unter anderem mehrere Juristen, eine Sozialpädagogin, eine Sozialarbeiterin, ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und fünf ehemalige Kriminalbeamte, die in Akten nach Hinweisen suchen.
Dass frühere Kriminalbeamte einem Bistum bei Missbrauchsermittlungen mit ihrer Expertise helfen, ist ungewöhnlich und womöglich einmalig. Meistens würden Anwaltskanzleien oder Universitäten beauftragt, wie Gerhard Möller sagte. Der ehemalige CDU-Oberbürgermeister der Stadt Fulda ist der Sprecher der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Fulda.
Kommission soll länger forschen
Vor rund zwei Jahren hatte die Kommission mit ihrer Arbeit begonnen. Wegen des großen Aufklärungsbedarfs kündigte der Fuldaer Bischof Michael Gerber kürzlich an, die Arbeit der Kommission verlängern zu wollen. "Ich bin sehr dankbar für den bisherigen Einsatz der Kommissionsmitglieder", betonte der Fuldaer Oberhirte. Für ihn sei es unerlässlich, dass die Aufarbeitung gründlich und gewissenhaft vorangetrieben werde.
Die Mitglieder der Kommission sprachen von einem "Berg an der Arbeit", der sich vor ihnen aufgetürmt habe. Bei ihrer Aufgabe verfolgen sie zwei zentrale Ziele: Betroffene des Missbrauchs und Zeitzeugen zu hören sowie die Akten zu sichten und aufzuarbeiten.
Aktenstudium ist Mammutaufgabe
Vor allem das Aktenstudium sei eine Mammutaufgabe, hieß es: Untersucht werden sollen Schätzungen zufolge mehr als 1.800 Akten jeglicher Art aus den vergangenen Jahrzehnten, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zurückreichen.
Aktuell wurden mehr als 1.100 der 1.800 Personalakten eingesehen. "Je nach Fall und Bedarf müssen noch weitere Akten und Protokolle gesichtet werden. Ob es mehr werden, ist im laufenden Prozess noch nicht absehbar", sagte ein Sprecher.
Aussagen über Verantwortliche angestrebt
Am Ende der Ermittlungen zum Missbrauch will die Kommission auch Aussagen darüber treffen können, unter welchen Bischöfen und Bistums-Verantwortlichen es statistisch gesehen am meisten Missbrauch gab.
Der Umgang mit sexualisierter Gewalt und Prävention ist nicht nur im Bistum Fulda ein Thema, auch die auf hessischem Gebiet liegenden Bistümer Mainz und Limburg beschäftigen sich damit.
Thema beim Umgang mit Missbrauch sind auch immer wieder Entschädigungen für die Opfer. Im Bistum Fulda sind bis Ende Januar dieses Jahres insgesamt 478.500 Euro in Anerkennung des erlebten Leides gezahlt worden, wie auf Anfrage mitgeteilt wurde.
Sendung: hr3, 25.03.2024, 13 Uhr
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