Studie zu sexueller Gewalt Katholikenrat kritisiert "Systemversagen" im Bistum Mainz

Der Katholikenrat im Bistum Mainz hat sich bestürzt über eine kürzlich vorgestellte Studie zu sexuellem Missbrauch gezeigt. Das Laiengremium sieht eine Mitschuld bei kirchlichen Verbänden, Pfarreimitgliedern und auch bei Familien von Betroffenen.

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Laut einer Studie sind Fälle von sexueller Gewalt im Bistum Mainz jahrzehntelang verschwiegen und nicht angemessen verfolgt worden. Bild © picture-alliance/dpa
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Nicht nur Kleriker und kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien schuldig geworden, "ein ganzes System" habe versagt: Zu dieser Ansicht kommt der Katholikenrat im Bistum Mainz nach der Veröffentlichung einer mehr als 1.100 Seiten umfassende Studie zu sexueller Gewalt im Bistum.

Das Laiengremium wies bei seiner Frühjahrsvollversammlung auch kirchlichen Verbänden, Pfarreimitgliedern, Räten und sogar Familien der Betroffenen eine Mitschuld zu und nahm sich in einer Stellungnahme selbst in die Verantwortung.

Man wolle alles dafür tun, "dass in Zukunft ein solches Systemversagen nicht mehr möglich wird, sowie Übergriffe und Missbrauchstaten verhindert werden". Oberste Priorität habe nun die "umfassende und nachhaltige Aufarbeitung".

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Der Katholikenrat ist das höchste Laiengremium in der Diözese Mainz. Das Bistum Mainz liegt zu etwa zwei Dritteln auf hessischem und zu einem Drittel auf rheinland-pfälzischem Gebiet und zählte zuletzt gut 700.000 Kirchenmitglieder.

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Studie spricht von 400 Betroffenen

Der Anfang März vorgestellten Untersuchung des unabhängigen Rechtsanwalts Ulrich Weber mit dem Titel "Erfahren - Verstehen - Vorsorgen" (EVV) zufolge sind im Bistum Mainz jahrzehntelang Fälle von sexueller Gewalt nicht konsequent verfolgt, teils verschwiegen und verharmlost worden.

Für die Studie waren etwa 25.000 Seiten Akten- und Archivmaterial untersucht worden sowie 246 persönliche, schriftliche oder telefonische Gespräche geführt worden.

Nach einer statistischen Analyse waren für den Zeitraum von 1945 bis 2019 zunächst 657 Betroffene und 392 Beschuldigte ausgemacht worden. Anschließend wurde genauer geprüft, wie sich der jeweilige Tatbestand genau darstellt und wie plausibel der Fall erscheint.

Letztlich blieben für die weitere Untersuchung 401 Betroffene und 181 Beschuldigte übrig. Opfer waren zumeist Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene.

Mainzer Bischof kritisierte fehlende Verantwortungsübernahme

Auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hatte angesichts der Studie von "Systemversagen" gesprochen. "Mehrfach waren die Schilderungen für mich als Christ und Mensch zutiefst erschreckend", hatte er Anfang März bei einer Pressekonferenz gesagt und eine fehlende Verantwortungsübernahme kritisiert. In diesem Zuge bezeichnete er auch das Verhalten seines 2018 verstorbenen Vorgängers Kardinal Karl Lehmann als erschreckend.

Nach Angaben des Bistums gingen seit 2011 bis Anfang März insgesamt 123 Anträge "zur Anerkennung des Leids" ein, die an die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen weitergeleitet wurden. Bisher wurde eine Summe von insgesamt rund 1,25 Millionen Euro an 91 Betroffene ausgezahlt.

Für Therapien habe das Bistum Mainz zusätzlich bislang etwa 780.000 Euro aufgewendet. Das Geld stammt den Angaben zufolge nicht aus Kirchensteuermitteln, sondern aus einem Fonds, der sich etwa aus Zinserträgen speise.

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Sendung: hr-iNFO, 02.04.2023, 14 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe