Ditib fordert mehr Schutz Moscheen in Hessen erhalten rassistische Drohbriefe
Muslimische Gemeinden in Hessen haben rassistische Drohbriefe erhalten. In den Schreiben gibt es auch Bezüge zum Attentäter von Hanau. Von den Sicherheitsbehörden fordern die Gemeinden einen besseren Schutz.
Vor wenigen Tagen erhielt die Ditib-Gemeinde in Frankfurt fünf dicht beschriebene Seiten mit Beleidigungen und Gewaltfantasien gegen Muslime. Den muslimischen Gläubigen sei nur durch rohe Gewalt beizukommen, fabuliert der unbekannte Briefschreiber.
Laut dem Vorstand der Gemeinde Ditib-Hessen, Salih Özkan, haben seit dem rassistischen Anschlag in Hanau fast alle 86 hessischen Gemeinden ähnliche Drohschreiben erhalten. Zuletzt seien Hass-Briefe bei Gemeinden in Schlüchtern, Wächtersbach und Gelnhausen im Main-Kinzig-Kreis, in Dieburg (Darmstadt-Dieburg) und Frankfurt angekommen.
Am Montagabend sollte es ein Sicherheitsgespräch zwischen Ditib und dem Frankfurter Polizeipräsidenten Stefan Müller geben.
Hakenkreuz und Fotos des Hanauer Mörders Tobias R.
Für Gemeindemitglieder führt der Hass zu Verunsicherung: Der junge Imam Osman Kocao aus Neu-Isenburg (Offenbach) hilft zur Zeit in der Frankfurter Moschee aus. Für ihn ist es die erste direkte Erfahrung mit einem solchen Hass-Brief.
Seine Eltern seien in Sorge gewesen, nachdem er ihnen von der Drohung berichtete, erzählt Kocao dem hr. "Weil es meine ersten Erfahrungen als Imam sind, wollten sie nicht, dass ich den Tag darauf nochmal morgens in die Moschee komme." Er habe trotzdem das Freitagsgebet gehalten.
"Wir werden euch alle vernichten"
Nach dem rassistischen Attentat in Hanau hatte auch die Ditib-Gemeinde in Gelnhausen einen Brief mit einem Hakenkreuz erhalten, darunter Fotos des Attentäters Tobias R. und seiner Mutter. Der Attentäter von Hanau hatte erst neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen, dann seine Mutter und sich selbst. Das Schreiben war mit einer klaren Gewaltandrohung versehen: "Wir werden euch alle vernichten."
In den Hass-Briefen wird auch die rechtsextreme Wahnvorstellung verbreitet, Muslime würden ein Kalifat in Europa errichten wollen, vermischt mit Antisemitismus: Am Ende würde die Welt aber sowieso von Juden beherrscht, heißt es in einem Schreiben, das dem hr vorliegt.
Das Landeskriminalamt (LKA) wisse von den Drohschreiben, sagt Sprecherin Virginie Wegener: Schreiben, die Gemeinden in Hessen und auch Niedersachsen erreicht hatten, trügen teils das Kürzel NSU 2.0. In Niedersachsen erhielten Moscheen zuletzt ebenfalls Drohschreiben mit Hakenkreuzen.
LKA: Kein Zusammenhang mit NSU 2.0-Serie
Es bestehe aber kein Zusammenhang mit Briefen der NSU 2.0-Serie, in denen über Jahre vor allem Politikerinnen bedroht wurden, sagt die LKA-Sprecherin. Auch diese Briefe waren mit dem Kürzel NSU 2.0 unterschrieben. Der Verfasser der Drohbriefe war im November vergangenen Jahres zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt worden.
Bei Hass-Schreiben und Bedrohungen wie gegen die hessischen Moschee-Gemeinden gebe es einen engen Austausch zwischen Polizei und muslimischen Gemeinden, sagt LKA-Sprecherin Wegener. Das sieht der Vorsitzende der Ditib-Gemeinde in Gelnhausen, Mustafa Gözütok, etwas anders.
Die Gemeinde habe den Hakenkreuz-Brief gemeldet, nur was die Polizei mit den Informationen mache, sei ihm unklar: "Wir geben das weiter, es wird aufgenommen, aber was am Ende dabei rauskommt, ob Fälle gelöst wurden, da kommt keine Antwort", kritisiert Gözütok. Für die Gemeindemitglieder sei aber wichtig zu wissen, ob sie weiterhin Angst haben müssten.
Forderung nach einem Sicherheitskonzept
Der Vorsitzende von Ditib-Hessen Salih Özkan sagt, er wolle nicht, dass vor jeder Moschee ein Polizeiauto steht. Aber er fordert mehr Unterstützung beim Thema Sicherheit. Spezialisten müssten ein Konzept erarbeiten, am besten mithilfe der Erfahrungen von anderen Religionsgemeinschaften, die Schutzkonzepte haben. "Wir brauchen das Rad nicht neu zu erfinden, aber so, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen", sagt Özkan.
Wichtig sei ihm, dass die Drohungen ernst genommen und Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, sagt Özkan. "Es gibt immer noch keine Aufklärung und wir sind im Ungewissen, das beunruhigt uns", kritisiert er. Dass es am Montagabend ein Sicherheitsgespräch mit der Polizei gibt, sei aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, sagt Özkan.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 14.08.2023, 19.30 Uhr
Ende der weiteren Informationen