Kirche streicht Stelle Motorrad-Pfarrer Heinrich beendet letzte Mission
Der hessische Motorrad-Pfarrer Thorsten Heinrich geht bald in den Ruhestand. Seine Stelle wird von den evangelischen Kirchen nicht nachbesetzt. Schnell fahren sei langweilig, sagt Heinrich – bei 130 km/h ist Schluss.
"Die Geschwindigkeit ist wie ein Rausch, ich kann mich selbst spüren, rieche die Natur, fühle Freiheit in einer Welt, die immer mehr reglementiert wird" – so beschreibt Pfarrer Thorsten Heinrich in Hofheim (Main-Taunus) die Faszination des Motorradfahrens.
Diese Saison ist seine letzte als Motorradpfarrer. Gegen Ende des Jahres werden die evangelischen Landeskirchen in Hessen die halbe Stelle der Motorradseelsorge streichen.
Motorrad besseres Mittel zur Begegnung als Auto
Das Motorrad sei viel stärker als das Auto ein Mittel zur Begegnung, Ausdruck von Freude und Lebensqualität, schwärmt Heinrich. Er fährt eine Honda CBF 1000 mit 98 PS, die bis 180 Kilometer in der Stunde schnell ist.
"Ich fahre auf der Autobahn aber höchstens 130 Kilometer", sagt der 60-Jährige. "Schnell fahren finde ich langweilig. Ich bin Motorradwanderer auf der Landstraße."
Das motorisierte Zweirad gehört für Heinrich gefühlt schon immer zum Leben dazu. Seit dem 16. Lebensjahr sei er damit unterwegs. Das erste Motorrad war eine Enduro Honda XL 185 mit 16 PS. "Mit 18, 19 Jahren hat mir das Motorrad alles bedeutet", erzählt er. "Alle meine Freunde fuhren eines, es war ein Lebensgefühl von Freiheit."
Dann kamen Bibelfreizeiten für Biker in Bad Hersfeld und Höchst im Odenwald dazu und Treffen von christlichen Bikern auf Kirchentagen. 2011 wurde Heinrich selbst zum Motorradpfarrer ernannt.
Es folgten Motorradgottesdienste in Autobahnkirchen, Bikerfreizeiten mit Übernachten am Lagerfeuer, im Oktober die jährliche Gedenkfahrt für verunglückte Biker und Gottesdienste in der Frankfurter Katharinenkirche.
Saisonstart in Gründau
Beim Saison-Start - im Bikerjargon "Anlassen" genannt - im April in der Bergkirche in Niedergründau bei Gelnhausen (Main-Kinzig) rollte der Pfarrer in einer geliehenen elektrischen Harley-Davidson zum Altar vor. Der traditionelle Bikergottesdienst solle die Teilnehmerinnen und Teilnehmer positiv aufladen, sagt Heinrich.
Motorradfahrer seien 30 Mal mehr unfallgefährdet als Autofahrer. Viele seien sich des Risikos und der Begrenztheit des Lebens bewusst. Er selbst habe zwei enge Freunde durch tödliche Unfälle verloren.
Die Verbundenheit der Biker-Gemeinde wirkt auch über Religionsgrenzen hinweg: Die Mutter und die Schwester eines verunglückten muslimischen Motorradfahrers nahmen auch an einem Gedenkgottesdienst teil, wie Heinrich erzählt. "Sie haben die Solidarität der Gemeinde als sehr wohltuend empfunden."
Der Motorradpfarrer schwärmt von den früheren Bikertreffen an Heiligabend auf dem Feldberg im Taunus. Ein Fahrer sei im Kostüm des Weihnachtsmannes mit einem von Lämpchen beleuchteten Motorrad angerollt, viele brachten Thermoskannen mit, eine Sambagruppe machte Stimmung.
"Ich habe so viel von den Motorradfahrern gelernt. Ich habe gelernt, mit welcher Lebensfreude man Gott feiern kann", sagt Heinrich. Im Dezember wird er in Hofheim von seinem Amt verabschiedet. Bikergottesdienste werde es weiterhin geben – aber ohne einen durch Hessen rollenden Motorrad-Pfarrer.