Verwaltungsgericht erklärt Verbot für rechtswidrig Gericht erlaubt Pro-Palästina-Demo in Frankfurt
Eine für Samstag angemeldete pro-palästinensische Demonstration darf nun womöglich doch stattfinden. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat ein vorangegangenes Verbot der Stadt aufgehoben. Die Anmelderin der Demo war kurzzeitig festgenommen worden.
Nachdem in Frankfurt für diese Woche drei pro-palästinensische Demonstrationen untersagt wurden, hat das Verwaltungsgericht ein Verbot der für Samstag geplanten Versammlung für rechtswidrig erklärt. Ein Versammlungsverbot als "schwerstmögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit" könne nicht gestützt werden, erklärte das Frankfurter Gericht am Freitagabend.
Die Anmelderin hatte ebenfalls am Freitag einen Eilantrag gegen das Verbot eingereicht. Die Stadt kündigte bereits im Vorfeld an, gegen einen solchen Beschluss Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen zu wollen. Dieser sei in der Nacht zum Samstag eingegangen, teilte das Gericht mit. Wann die Entscheidung darüber bekanntgegeben wird, ist unklar.
Anmelderin zwischenzeitlich festgenommen
Zuvor hatte die Polizei Ermittlungen gegen die Anmelderin der für Samstag geplanten Kundgebung aufgenommen. Sie habe Massaker der Hamas in einem Livestream heruntergespielt und teilweise negiert, hieß es von der Polizei am Freitag.
Einsatzkräfte hatten sie und eine weitere Person zuvor wegen volksverhetzender Äußerungen gegen die israelische Bevölkerung an der Galluswarte kurzzeitig festgenommen, wie die Polizei auf X, vormals Twitter, mitteilte.
Gericht: Früheres Verhalten keine Begründung für Verbot
Die Stadt Frankfurt hatte ursprünglich die für Mittwoch und Samstag geplanten pro-palästinensischen und teils anti-israelischen Demonstrationen sowie einen für Donnerstag angemeldeten Demonstrationszug in der Innenstadt verboten. Es sei zu befürchten, dass es im Rahmen der Demo Straftaten wie Volksverhetzung, Aufrufe zu Straftaten sowie israelfeindliche und antisemitische Äußerungen geben werde - ähnlich wie bei vergangenen Pro-Palästina-Demos etwa in Berlin.
Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, dass das Vorverhalten der Anmelderin sowie möglicher Teilnehmer der Versammlung nicht für die Begründung des Verbots ausreiche. Ein solches Verbot könne nur die Ultima Ratio sein und dann ausgesprochen werden, wenn "nach den erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet ist". Verdachtsmomente reichten dafür nicht aus.
Jüdische Gemeinde entsetzt
Die Jüdische Gemeinde Frankfurt zeigte sich entsetzt von der Entscheidung. "Wir können das Ignorieren der Gefahren, das Überhören der Alarmsignale, das Tabuisieren dieses Hasses der pro-palästinensischen Organisationen durch die Justiz nicht verstehen und in keiner Weise nachvollziehen", heißt es in einer Mitteilung vom Freitagabend.
Die Gemeinde rief dazu auf, am Samstag um 15 Uhr auf dem Paulsplatz friedlich für Solidarität mit Israel zu demonstrieren - und gegen Israel-Hass und Antisemitismus ein Zeichen zu setzen.
Innenministerium unterstützt Verbote
Die Gruppierungen "Migrantifa Rhein-Main", "Palästina e.V." und "Studis gegen rechte Hetze" hatten zu der Kundgebung am Samstag in der Frankfurter Innenstadt aufgerufen - unter dem Motto "Freiheit für Palästina". Bis zu 1.000 Teilnehmende wurden erwartet.
Der Aufruf vom Montag wurde unter anderem auf Instagram veröffentlicht. Darin hieß es unter anderem, es sei "das erste Mal in der modernen Historie, dass Palästina sich in dem Ausmaß der neuesten Angriffe verteidigt, indem es die koloniale, militärische Infrastruktur Israels erfolgreich angreift." Man stehe an der Seite derer, die für ihre Freiheit kämpfen. "Lasst uns gemeinsam erinnern und kämpfen."
Auch das hessische Innenministerium als oberste Versammlungsbehörde hatte die Stadt aufgefordert, die Anti-Israel-Versammlungen zu verbieten. Es lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass es bei den Kundgebungen zu Straftaten kommen werde. "Wir werden nicht zulassen, dass kaltblütige Morde an Juden auf öffentlichen Plätzen in Deutschland bejubelt werden", sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (CDU) äußerte sich ähnlich.
Wo Verbote von solchen Versammlungen ausgesprochen werden könnten, werde das Ministerium dies unterstützen. Sollte es dennoch zu öffentlichen anti-israelischen Kundgebungen kommen, werde die hessische Polizei "sehr niederschwellig und entschlossen" einschreiten. Jegliche Verstöße und Gewaltaufrufe würden konsequent geahndet.
Jüdische Studierendenunion beunruhigt
Auch in der Jüdischen Studierendenunion wird die Situation als bedrohlich wahrgenommen. Vorstandsmitglied Noam Petri sorgt sich um seine Sicherheit. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt öffentlich als Jude erkennbar rumlaufen werde. Die Situation ist gefährlich", sagte er dem hr.
Solche Sorgen teilten viele Studierende. Deshalb wolle die Jüdische Studierendenunion versuchen, einander zu bestärken und "gemeinsam durch diese schwierige Zeit gehen", so Petri.
Demo-Verbot auch in Kassel
Auch für Kassel war eine Versammlung unter dem Motto "Zivilcourage für Frieden im Nahen Osten" verboten worden. Die Kundgebung sollte am Freitagnachmittag vor dem Rathaus stattfinden.
Trotz des Verbots kamen am Nachmittag dutzende Menschen zusammen. Die Polizei war mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort. Insgesamt wurden 65 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Hessische Versammlungsfreiheitsgesetz aufgenommen, wie die Beamten am Abend mitteilten. Fünf Personen kamen zwischenzeitlich in Gewahrsam.
Im Demonstrations-Aufruf der Veranstalter hieß es, man wolle damit auf eine "antideutsch dominierte Solidaritätsdemo für Israel" reagieren, die am Mittwoch vor dem Kasseler Rathaus stattgefunden hatte. Dort habe der Eindruck entstehen können, die "gewissenlose Brutalität der Hamas" sei "im luftleeren Raum entstanden".
Solidarität mit Israel
Weltweit hatte der Angriff auf Israel durch Terroristen der radikal-islamischen Hamas am vergangenen Samstag Entsetzen ausgelöst - auch in Hessen. Man stehe eng und solidarisch an der Seite Israels, sagte Landtagspräsidentin Astrid Wallman (CDU) am Sonntag. Die Hamas wird von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuft.
Zum Ausdruck der Solidarität mit Israel versammelten sich am Dienstagabend in Darmstadt und am Mittwochabend in Kassel mehrere hundert Menschen.
Auch in Frankfurt sollen am Samstag Solidaritäts-Aktionen stattfinden. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft rief zu einer Versammlung auf dem Paulsplatz auf, auch auf dem Goetheplatz soll eine Kundgebung stattfinden.
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Sendung: hr-iNFO, 13.10.2023, 16 Uhr
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