Nach Bundestags-Abstimmung vom Mittwoch Bensheimerin gibt Bundesverdienstkreuz zurück

Für ihren Kampf gegen Diskriminierung und für Zivilcourage hat Salome Saremi-Strogusch den Verdienstorden erhalten. Nach der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im Bundestag will sie ihn ablegen. Sie fühlt sich dem Land nicht länger zugehörig.

Salome Saremi-Strogusch hält ein Etui in den Händen. Es ist offen. Darin liegt ihr Bundesverdienstkreuz.
Salome Saremi-Strogusch möchte ihr Bundesverdienstkreuz nicht mehr tragen. Bild © Salome Saremi-Strogusch
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Vor gut drei Jahren war Salome Saremi-Strogusch voll des Mutes. Für ihren Einsatz gegen Diskriminierung und für Zivilcourage hatte die Deutsch-Iranerin aus Bensheim (Bergstraße) gerade das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. "Wir werden wahrgenommen und es ist gut, was wir tun", freute sich die damals 46-Jährige. Heute ist sie 49 und der Mut ist Wut gewichen. "Ich habe mich entschlossen, mein Bundesverdienstkreuz abzulegen", sagte sie dem hr.

Grund sei die Abstimmung über einen Antrag zur Asylrechtsverschärfung am Mittwoch im Bundestag, bei der die CDU/CSU-Fraktion erstmals mit Stimmen der AfD eine Mehrheit erreichte. "Als Doppelstaatlerin, postmigrantische Frau und muslimisch sozialisierte Stimme für Menschlichkeit und Zivilcourage weigere ich mich, einen Orden zu tragen, der durch Paktieren mit Rechtsextremen und den Verrat an demokratischen Werten entwertet wurde", schreibt Saremi-Strogusch in einem Statement.

Schreiben an Bundespräsident Steinmeier

Das Verdienstkreuz werde sie zurückschicken. In einem Schreiben an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sie ihre Beweggründe dargelegt. Sie möchte auch künftig nirgends mehr als Bundesverdienstkreuzträgerin bezeichnet werden.

Ministerin Lucia Puttrich verleiht Salome Saremi-Strogusch das Bundesverdienstkreuz.
2021 bekam Saremi-Strogusch das Bundesverdienstkreuz von Lucia Puttrich, der damaligen Ministerin für Bundesangelegenheiten, überreicht. Bild © Salome Saremi-Strogusch

Mit ihrer Entscheidung ist sie nicht allein. Als Reaktion auf die Asyl-Abstimmung hatten am Donnerstag der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg und der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano, angekündigt, ihre Verdienstorden zurückzugeben. Beide engagieren sich für ein NS-Gedenken.

Engagement gegen Rechtsextremismus

Saremi-Strogusch kämpft seit vielen Jahren für mehr Toleranz und weniger Diskriminierung in der Gesellschaft. Anstoß für ihr Engagement war der Tod ihres Bruders Fabian Salar vor über 16 Jahren. Er war angegriffen und bewusstlos auf der Straße liegen gelassen worden, weil er einem Mädchen in Bedrängnis zu Hilfe gekommen war. Ein unbeteiligter Autofahrer hatte ihn schließlich überfahren.

Danach gründete die Schwester den Verein "Fabian Salars Erbe", der sich seitdem für Zivilcourage in allen Bereichen der Gesellschaft engagiert. Vor allem der Kampf gegen Queerfeindlichkeit und Rechtsextremismus liegt ihr am Herzen.

Was am Mittwoch im Bundestag auf Betreiben des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz passierte, habe sie tief im Herzen getroffen und sehr wütend gemacht. "Die Werte, die ich versuche hochzuhalten, wurden im höchsten deutschen Parlament mit Füßen getreten", sagte Saremi-Strogusch im Gespräch mit dem hr. Den Entwurf zu dem umstrittenen "Zustrombegrenzungsgesetz" lehnten die Mitglieder des Bundestags am Freitagabend überraschend ab.

Sie empfinde keine Zugehörigkeit mehr zu einem Land, in dem Hass und Hetze die Debatten bestimmten. "Ich kämpfe seit vielen Jahren für eine Gesellschaft, in der wir uns mit Verständnis und Würde begegnen", sagt sie. Zunehmend treffe sie bei ihrem Engagement aber auf Ablehnung und Ausgrenzung.

"Deutschland nimmt uns die Würde"

Immer wieder habe sie Hoffnung auf Besserung gehabt, etwa nach dem rassistischen Anschlag in Hanau oder dem Bekanntwerden der Remigrationspläne der AfD. Der Aufschrei in Politik und Gesellschaft sei jeweils groß gewesen, verändert habe sich nichts. "Es ist eher noch schlimmer geworden."

Es werde viel über migrantische Menschen gesprochen, aber nicht mehr mit ihnen. "Unsere Stimme wird nicht mehr gehört. Wir sitzen nicht mehr mit am Tisch", sagt die vierfache Mutter: "Deutschland nimmt uns die Würde."

Mit Kanzelkandidat Merz geht Saremi-Strogusch hart ins Gericht. Dass er die Stimmen der AfD gesucht, oder zumindest billigend in Kauf genommen habe, sei ein unverzeihlicher und folgenschwerer Fehler. Merz habe aktiv dazu beigetragen, das politische Klima zu vergiften und rechtsextreme Narrative salonfähig zu machen. "Das war sicher erst der Anfang", sagt Saremi-Strogusch. Sie hat Angst vor dem, was noch kommen wird.

Der Kampf geht weiter

Aufgeben will sie dennoch nicht: "Ich werde weiter für Menschenwürde und demokratische Werte kämpfen." Dafür hat sie mit anderen das Bündnis für Demokratie und Zivilcourage Bergstraße ins Leben gerufen. Unter dem Motto "Wir sind die Brandmauer" möchte das Bündnis am Sonntag mit einem stillen Protest auf dem Bensheimer Marktplatz ein Zeichen gegen Hass und Hetze setzen. Für den 22. Februar ist zudem die Kundgebung "Bensheim bleit stabil! Demokratie verteidigen" geplant.

Mit der Aktion #Migrastreik will Saremi-Strogusch zudem für mehr politische Teilhabe von migrantischen Menschen kämpfen. Zusammen mit den anderen Aktivistinnen und Aktivisten fordert die Bensheimerin unter anderem Vertretung in allen politischen Gremien oder Antidiskriminierungsräte in Unternehmen. "Wir werden das Feld nicht kampflos räumen."

Sendung: hr1,

Quelle: hessenschau.de