Virologe schätzt Covid-Varianten ein Corona: Neuer Booster-Impfstoff - Patienten müssen in Vorleistung
Eine Booster-Impfung gegen das Coronavirus - das geht ab nächster Woche mit einem neuen Impfstoff. Allerdings müssen Hessen zunächst selbst zahlen. Virologe Martin Stürmer blickt entspannt auf aktuelle Covid-Varianten.
In den Arztpraxen gibt es erst den Pieks, dann eine Rechnung. Wer sich in Hessen eine Auffrischungsimpfung gegen das Corona-Virus holen will, muss dafür erstmal zahlen. Das gewohnte Vorzeigen der Krankenkassenkarte reicht nicht, stattdessen müssen Patientinnen und Patienten in Vorleistung gehen und sich dann das Geld selbst bei ihren Krankenkassen wiederholen.
Der Grund dafür: Hessen ist das einzige Bundesland, in dem sich die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung noch nicht darüber geeinigt haben, wie viel Geld die Ärztinnen und Ärzte pro durchgeführter Corona-Impfung bekommen sollen. Es ist ein Streit, der seit April schwelt.
Krankenkasse: "Wir sind erstaunt"
Die hessischen Krankenkassen sind der Meinung, dass das vorliegende Honorar-Angebot angemessen ist: "Es entspricht absolut dem Bundesdurchschnitt der Angebote in anderen Bundesländern. Deshalb sind wir auch erstaunt, dass es so lange dauert", sagt Riyad Salhi von der AOK Hessen.
Karl Roth, Sprecher bei der Kassenärztlichen Vereinigung, sieht das erwartungsgemäß anders. "Aus unserer Sicht ist das Angebot nicht ausreichend. Es berücksichtigt den erheblichen Mehraufwand nicht, den eine Corona-Impfung auslöst." Zwar sei das Angebot auf den ersten Blick wie in anderen Bundesländern. In denen habe es aber oft einen Zuschlag bei anderen Impfungen gegeben, als Teil des Deals beim Aushandeln des Honorars für Corona-Impfungen.
Patienten in Pflegeheimen die Leidtragenden
Während die ausbleibende Einigung der beiden Streitparteien für die meisten Patientinnen und Patienten nur den lästigen Vorgang mit sich zieht, sich selbst um die Erstattung kümmern zu müssen, hat sie für andere schwerwiegendere Folgen. Christian Sommerbrodt, Vorsitzender des Hausärzteverbands in Hessen und Arzt in Wiesbaden befürchtet, dass Patientinnen und Patienten in Pflegeheimen nun länger auf die Auffrischungsimpfung warten müssen.
"Sie können oft nicht selbst in Vorleistung gehen, weil sie nicht einwilligungsfähig sind. Es ist ein wahnsinniger Aufwand, sich dann bei Verwandten oder Betreuern darum zu kümmern", sagt Sommerbrodt. Viele Kollegen würden mit den Impfungen in Pflegeheimen warten, bis die Vergütung geregelt ist.
SPD fordert Vermittlung durch Klose
Der Preis pro Booster-Impfung kann je nach Praxis variieren, laut Hausärzteverband kommen 25 bis 30 Euro auf die Patientinnen und Patienten zu.
Dass die Patienten in Vorleistung treten müssen, sorgt bei der SPD im Landtag für Unmut. In Hessen sei "wieder einmal alles komplizierter als in anderen Bundesländern", erklärte Daniela Sommer, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Sozialminister Kai Klose (Grüne) solle für eine schnelle Einigung zwischen den Krankenkassen und der KV sorgen, forderte Sommer.
Neuer Impfstoff für den Herbst
Für die, die in eine Praxis gehen können und wollen, steht für die Booster-Impfung ein neuer Impfstoff zur Verfügung. Seit dem 12. September kann er von den Praxen bestellt werden und vermutlich ab Mitte der kommenden Woche verimpft werden. Er ist besser abgestimmt auf die aktuell kursierenden Varianten des Corona-Virus.
Christian Sommerbrodt erwartet keinen Run auf die Booster-Impfungen: "Bei den Risiko-Patienten erwarte ich einen normalen Andrang. Da kombinieren wir Influenza- direkt mit Corona-Impfung."
Empfehlung für Risiko-Gruppen
Derzeit empfiehlt die Ständige Impfkommission die Auffrischungsimpfung für die aus der Pandemie bekannten Risikogruppen: Menschen mit Vorerkrankungen - wie Diabetes mellitus oder Trisomie 21- oder geschwächtem Immunsystem, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und Über-60-Jährige. In der Regel sind sie auch die einzigen, die die Kosten für eine Booster-Impfung von der Krankenkasse erstattet bekommen.
Dieser Einschätzung schließt sich auch der Frankfurter Virologe Martin Stürmer vollumfänglich an. Zudem müsse nach wie vor auf den Abstand zur letzten Impfung oder Infektion geachtet werden. Dieser sollte mindestens sechs Monate betragen. "Wer sich jetzt etwa in der Spätsommerwelle angesteckt hat, kann sich das erstmal schenken", so Stürmer.
Neue Varianten ansteckender, aber nicht gefährlicher
Was Stürmer als "Spätsommerwelle" beschreibt, ist ein erhöhtes Infektionsgeschehen, das allem Anschein nach vor allem auf die neue Corona-Variante EG 5 (auch "Eris" genannt) zurückzuführen ist. "Offizielle Zahlen haben wir herzlich wenig", erklärt Stürmer. Die aktuellen Inzidenzzahlen basieren auf PCR-Tests, die allerdings nur noch von sehr wenigen Menschen in Anspruch genommen werden. Was an Daten vorliegt, zeige jedoch, dass EG 5 ältere Corona-Varianten zunehmend verdränge.
Gefährlicher sei die neue Corona-Variante nicht, betont Stürmer. Allerdings hochgradig ansteckend. "Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Grundimmunität inzwischen so gut ist, dass wir nicht mit einer übermäßigen Zunahme schwerer Verläufe rechnen müssen."
Sendung: hr-iNFO, 15.09.2023, 10.30 Uhr
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