Neues Hochsicherheitslabor in Marburg Ein hochtechnologisierter Schnellkochtopf für 50 Millionen Euro

Ob Ebola, Corona oder Marburg-Virus - um besser gegen bedrohliche Virenausbrüche gewappnet zu sein, entsteht an der Marburger Philipps-Universität ein neues Hochsicherheitslabor. Nun ist die Grundsteinlegung für den 50-Millionen-Euro-Neubau erfolgt.

Fünf Männer mit Kupferrohr in der Hand
In den Bau wurde eine Zeitkapsel einbetoniert. Im Bild von links: Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD), Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD), LBIH-Direktor Thomas Platte, Virologie-Leiter Prof. Stephan Becker, Uni-Präsident Thomas Nauss Bild © Rebekka Dieckmann
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Mit dem Bau des neuen Hochsicherheitslabors will der Fachbereich Virologie der Philipps-Universität Marburg seine Spitzenforschung erweitern. Es soll fast drei Mal so viel Fläche bieten und moderner ausgestattet sein als das bisherige Labor.

Die Universität leistet in ihrem Hochsicherheitslabor nach eigenen Angaben bereits seit Jahren Grundlagenforschung zu hochansteckenden Viren, etwa zu Krankheitserregern wie Ebola, Corona oder dem Marburg-Virus.

Das Labor erfüllt die Anforderungen zur höchsten Sichterheitsstufe 4 und gehört damit einem ausgewählten Kreis an: In ganz Deutschland gibt es nur vier Labore dieser Sicherheitsklasse. Das Marburger Labor ist das einzige, das an einer Universität angesiedelt ist.

Ebola-Impfstoff mitentwickelt

Institutsleiter Professor Stephan Becker erklärte bei der Grundsteinlegung am Montag: Das Marburger Institut sei mittlerweile ein "international sichtbares Zentrum" in der Virus-Erforschung weltweit. Man habe beispielsweise an der Entwicklung des ersten zugelassenen Ebola-Impfstoffs mitgearbeitet.

Mann auf Baustelle
Professor Stephan Becker leitet das Marburger Institut für Virologie Bild © Rebekka Dieckmann

Becker betonte: Nur mit derartigen Laboren könne man überhaupt an Impfstoffen gegen solche hochpathogene - also lebensbedrohliche - Erreger forschen.

"Wir haben uns total geirrt"

Der Institutsleiter erklärte: Lange Jahre habe man geglaubt, es brauche gar keine Impfstoffe gegen solche Viren. "Wir dachten: Diese Ausbrüche sind irgendwo in Afrika - dramatisch, aber gut eindämmbar", so Becker. "Aber wir haben uns total geirrt."

Die Globalisierung habe das Auftreten und die mitunter extrem schnelle Ausbreitung solcher Erreger erleichtert, daher sei die Erforschung hochpathogener Viren noch dringlicher geworden.

Wie schnell eine Ausbreitung potenziell passieren könnte, habe erst kürzlich der Marburg-Virus-Verdacht im ICE gezeigt, der sich später glücklicherweise nicht bestätigt habe. Ziel der Arbeit in Marburg sei, für künftige Ausbrüche schwerster viraler Erkrankungen besser gewappnet zu sein.

Weitere Informationen

Was hat das Marburg-Virus mit Marburg zu tun?

Das Marburg-Virus ist nach der Universitätsstadt bekannt, weil hier 1967 erstmals Erkankungen bei Menschen festgestellt worden waren. Mehrere Laborangestellte der damaligen Behringwerke hatte sich an Affen angesteckt. Insgesamt infizierten sich damals 29 Menschen in Marburg, von denen sieben starben.

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Zwölf neue Laborplätze

Das Labor entsteht auf dem Campus Lahnberge, in unmittelbarer Nachbarschaft zum bereits bestehenden Labor. Es soll rund 3.000 Quadratmeter umfassen, dabei sollen zwölf zusätzliche Laborplätze entstehen. Im Labor sollen zudem mehr Prozesse automatisiert laufen als bisher.

Mitarbeiter in gelbem Schutzanzug arbeitet in einem Labor mit vielen Geräten.
So sieht es im bereits bestehenden Hochsicherheitslabor der Philipps-Universität Marburg aus. Bild © picture-alliance/dpa

Die Arbeitssituation im Labor gilt als sehr anspruchsvoll: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen während ihrer Arbeit Hochsicherheitsanzüge tragen, die von außen belüftet werden. Sie können höchstens 20 Minuten am Stück im Labor verbringen und müssen verschiedene Sicherheitsschleusen passieren. Die Einarbeitungszeit dauert mehrere Monate.

Rund 50 Mio Euro Kosten bis zur Fertigstellung

Auch die Baukosten sind außergewöhnlich: rund 60.000 Euro pro Quadratmeter. Die ursprünglich geplanten Kosten in Höhe von 42 Millionen Euro wurden bereits zu Baubeginn auf 46 Millionen Euro korrigiert. Hinzu kommen noch mehr als vier Millionen Euro für die Ausstattung.

Die hohen Kosten seien in der Ausstattung des Gebäudes mit hochkomplexer Technik begründet, so Thomas Platte vom Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBHI). "Auf einen Quadratmeter Laborfläche kommen etwa 20 Quadratmeter Technik."

Projektaufnahme des Hochsicherheitslabors in marburg - ein schwarzes, würfelförmiges Gebäude.
So wird der Neubau des Hochsicherheitslabors in Marburg aussehen. Bild © HWP Planungsgesellschaft

Das Gebäude werde zudem nach außen hin komplett abgeriegelt, erklärte Platte. Es werde permanent unter Unterdruck gehalten, damit im Fall einer Fehlstelle nur Luft von außen nach innen eingezogen werde und keine gegebenenfalls kontaminierte Luft nach außen dringe.

Abwasser und Abfallmaterialien würden lediglich abgelassen, nachdem sie 20 Minuten lang auf 136 Grad erhitzt wurden. "Wie in einer Art Schnellkochtopf", so Platte. "Man geht davon aus, dass dann alles, was Stoffwechsel hat, tot ist."

Bisherhiges Labor kommt in die Jahre

Platte erklärte auch: Das alte Labor sei zwar erst 17 Jahre alt, komme damit aber bereits in die Jahre. "Solche Labore haben eine Nutzungsdauer von etwa 20 bis 30 Jahren." Das liege etwa daran, dass sich mit den Jahren im Belüftungssystem sogenannte Totluftzonen entwickeln könnten - also kleine Bereiche, die nicht mehr richtig erfasst werden. Dort könnten sich dann Keime ansiedeln.

Bei der Grundsteinlegung am Montag wurde auch eine sogenannte Zeitkapsel eingebettet, die unter anderem eine aktuelle Tageszeitung enthält. Die Baukosten werden größtenteils vom Bund und dem Land Hessen aufgebracht. Nach der Baugenehmigung im März 2024 hatten die Bauarbeiten im Frühjahr begonnen, der Tiefbau ist abgeschlossen. Ende 2026 soll der Betrieb starten.

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe