Odenwaldschule Mahnmal für Missbrauchsopfer vorgestellt - Betroffene äußern Kritik
Auf dem Gelände der ehemaligen Odenwaldschule in Heppenheim ist ein Mahnmal der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Es soll an die minderjährigen Opfer sexualisierter Gewalt an der Schule erinnern. Betroffene kritisieren den Standort.
Es besteht aus aneinandergelehnten Stahlplatten in der Form übergroßer Türblätter, jeweils mehr als drei Meter hoch. Neun Türgriffe sind am oberen Ende der Platte zu stehen - Türgriffe, die für Kinder nicht erreichbar sind.
So sieht das Mahnmal aus, das am Montag auf dem Gelände der ehemaligen Odenwaldschule im Heppenheimer Stadtteil Ober-Hambach (Bergstraße) vorgestellt wurden. Es soll an die Kinder und Jugendlichen erinnern, die an der Schule, die einst als Vorzeigeinternat der Reformpädagogik galt, Opfer sexualisierter Gewalt wurden.
"Wir dürfen niemals vergessen, was hier passiert ist", sagte der Landtagsabgeordnete und Mitinitiator des Mahnmals, Marcus Bocklet (Grüne).
Ministerin: "Ort des Gedenkens und der Mahnung"
"Wir können niemandem das Leid nehmen, das er oder sie hier hat erleben müssen. Umso wichtiger ist es, einen öffentlichen Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der Mahnung zu schaffen", sagte die hessische Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) auf dem ehemaligen Gelände der Schule.
Die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung zu Fragen des sexuellen Missbrauchs, Kerstin Claus, sagte, dass die Übernahme von Verantwortung nie enden dürfe. Sie finde es "verstörend, dass keiner der Täter strafrechtlich belangt wurde". Das Mahnmal symbolisiere "die Allmacht der Täter und das Ausgeliefertsein der Opfer".
"Kindesmissbrauch ist Seelenmord"
Initiator des Mahnmals ist der Künstler Adrian Koerfer, der selbst Missbrauchsbetroffener und ehemaliger Vorsitzender des Vereins Glasbrechen ist. Frühere Schüler der Odenwaldschule hatten den Verein 2010 gegründet. "Kindesmissbrauch ist Seelenmord", sagte Koerfer, der das Mahnmal auch entworfen hat.
Die Platten des Mahnmals bilden einen geschlossenen Raum. Der solle deutlich machen, dass es sich bei allen Missbrauchssystemen um geschlossene Systeme handele, so der Künstler. Damit stünde sein Entwurf auch für "die Opfer in Familien, Kirchen oder Sportvereinen, weil das alles geschlossene Systeme sind", sagte Koerfer.
Das Land Hessen und der Landkreis Bergstraße haben das Mahnmal auf dem einstigen Internatsgelände mit mehr als 50.000 Euro unterstützt. Die Stadt Heppenheim half beim Aufbau und unterstützt bei der Pflege des Werks.
Breite öffentliche Unterstützung
Über den jahrelangen Missbrauch an der Odenwaldschule setzte erst 2010 eine öffentliche Diskussion und Aufarbeitung ein. Bei den Tätern handelte es sich zumeist um frühere Lehrer, zentrale Figur war der langjährige Schulleiter und renommierte Pädagoge Gerold Becker.
Bereits seit 2010 gibt es auf dem Gelände einen Gedenkort, den Betroffene gestaltet hatten, bevor die Schule 2015 wegen Zahlungsunfähigkeit den Betrieb einstellte. Das Gelände der Odenwaldschule wird heute als Wohnpark genutzt. Der alte Gedenkort liegt im Wald, das neue Mahnmal steht nahe der Einfahrt zum Wohnpark.
Betroffene kritisieren Mahnmal
Der Verein Glasbrechen hatte bereits im Vorfeld Kritik an der Errichtung des Mahnmals geäußert. Auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes teilte der Verein mit, sich eine andere Stelle für das Mahnmal, beispielsweise in Wiesbaden, gewünscht zu haben.
Weder den bereits Verstorbenen noch den Überlebenden nutze ein weiterer Hinweis auf die Taten und auf das Versagen der Aufsichtsbehörden im Odenwald. "Ich glaube nicht, dass dieses Mahnmal wesentlich zur Aufklärung und zur Bewusstseinsmachung dessen, was da passiert ist, beitragen wird", sagte Johannes von Dohnanyi, Ex-Odenwaldschüler und Zweiter Vorsitzender des Vereins, dem hr.
Zur Einweihung des Mahnmals machte der Verein mit Schildern auf diese Position aufmerksam. Künstler Koerfer entgegnete der Kritik: "Dieses Mahnmal muss hier auf diesem verseuchten Terrain stehen", sagte er am Montag zur Veröffentlichung des Werks.