Oberlandesgericht Frankfurt Soziale Medien haften für Beleidigungen nur nach konkretem Hinweis

Betreiber von Social-Media-Plattformen können nur in ganz bestimmten Fällen für Beleidigungen und Falschbehauptungen in Posts belangt werden. In einer Grundsatzentscheidung hat das OLG Frankfurt ihre Position in Unterlassungsklagen gestärkt.

Eine Hand hält ein Smartphone mit Icons mehrerer Social-Media-Apps
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Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume ist mit einem Antrag auf Unterlassung gegen den Betreiber von X (vormals Twitter) gescheitert. Wie das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Donnerstag urteilte, haftet ein Betreiber nur dann für rechtsverletzende Inhalte von Nutzern ihrer Social-Media-Plattform, wenn diese so konkret sind, dass der Rechtsverstoß offensichtlich ist. Erst dann sei der Provider zum Handeln verpflichtet. (Az.: 16 U 195/22).

Die Betreiber stellten lediglich Plattformen für die Äußerungen von Dritten zur Verfügung. Für strafrechtlich relevante oder anderweitig rechtsverletzende Inhalte müssten sie erst haften, nachdem sie davon erfahren hätten, stellte der Pressesenat des Gerichts fest. Die Entscheidung ist demnach nicht anfechtbar.

Betroffene müssen Beanstandung konkret belegen

Das OLG nimmt gewissermaßen die Betroffenen, über die mögliche Beleidigungen oder Falschbehauptungen verbreitet werden, in die Pflicht: Sie müssten den Plattform-Betreibern möglichst konkret gefasste Beanstandungen vorlegen, so "dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann". Vereinfacht ausgedrückt: Ein simpler Hinweis auf "rechtswidrige Inhalte" unter einem Social-Media-Account reicht laut OLG nicht.

Genau dies hatte Blume nach Darstellung des Oberlandesgerichts jedoch getan. Er meldete X/Twitter mehrere Posts mit aus seiner Sicht rechtsverletzenden Inhalten und forderte zur Unterlassung auf. Daraufhin löschte der Betreiber den Account eines Nutzers, der für sechs Tweets verantwortlich war. Das Landgericht Frankfurt verpflichtete den Betreiber in erster Instanz im Dezember 2022 dazu, die Verbreitung von fünf näher benannten Äußerungen über Blume zu unterlassen.

Das Oberlandesgericht wies den Unterlassungsantrag nun ab. Da bei der Beanstandung des Antisemitismusbeauftragten ohne weitere Begründung allein von "rechtswidrigen Inhalten" die Rede gewesen sei, habe der Betreiber keine Rechtsverletzung ohne eingehende rechtliche Prüfung erkennen können.

OLG: Fake News nicht leicht als solche erkennbar

Dass der Betreiber gleich den ganzen Account sperrte und nicht bloß die betroffenen Tweets löschte, zeige, dass der Rechtsverstoß nicht sofort erkennbar gewesen sei, argumentieren die OLG-Richter. Blume habe sich gegen Fake News in Bezug auf seine Lebensführung gewandt - dass diesen Behauptungen eine tatsächliche Grundlage fehle, sei aus den Tweets nicht hervorgegangen und für die Plattformbetreiberin nicht klar gewesen.

In der ersten Instanz vor dem Landgericht Frankfurt hatte Blume ausgesagt, in Tweets werde unter anderem behauptet, dass er fremd gehe und seine Frau mit Minderjährigen betrüge. Vor dem OLG berief er sich nach dessen Darstellung darauf, dass das Meldeformular bei X/Twitter kein Textfeld für konkretisierende Angaben zu Beanstandungen bereitstelle.

Das OLG ließ das nicht gelten: Das Formular entspreche den Vorgaben im Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in Sozialen Netzwerken (NetzDG). Zudem hätte Blume konkreter Angaben in der Spalte "Inhalt" oder in einem Anhang machen können, führten die auf Medienangelegenheiten spezialisierten Richter aus.

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Sendung: hr-iNFO, 13.06.2024, 19 Uhr

Redaktion: Stephan Loichinger

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Quelle: AFP