Erotik-Industrie auf Instagram OnlyFans-Agenturen: Wie Frauen auf das Erotik-Portal gelockt werden sollen
Viel Geld für wenig Arbeit - mit diesem Versprechen versuchen angebliche Agenturen Frauen für die Plattform OnlyFans zu gewinnen. Dabei geht es um Pornografie und Profit für andere.
Gruselig findet Amelie aus Frankfurt die Nachrichten, die sie immer wieder auf Instagram bekommt. Dabei beginnen sie stets mit einem Kompliment: "Ich habe dein Profil gesehen und finde, dass du echt gut aussiehst", schreibt ihr zum Beispiel eine Frau, die sich Merle nennt. Angeblich arbeitet sie für eine sogenannte OnlyFans-Agentur und verdient selbst viel Geld auf der Internet-Plattform. Jetzt möchte sie Amelie davon überzeugen, für sie zu arbeiten.
Zwei bis drei solcher Nachrichten findet die 22 Jahre alte Studentin jeden Monat auf ihrem Insta-Account. Und immer geht es darum: Amelie solle doch Bilder und Videos von sich auf OnlyFans veröffentlichen und mit Hilfe der Agentur Geld damit verdienen.
Auf OnlyFans kann man seinen "Fans" beziehungsweise Abonnenten Inhalte gegen Geld zugänglich machen. Inhalte, die für Instagram nicht jugendfrei genug wären, weil sie pornografisch sind. Deswegen ist ein Konto bei der Plattform erst ab 18 Jahren erlaubt.
Eher Porno-Portal als Soziales Netzwerk
Für Inhalte von sogenannten OnlyFans-Creators muss man deren Profile abonnieren. Hier sieht man oft schon die ersten Nacktbilder. Per Direktnachricht können "Fans" gegen Geld explizitere Bilder, Videos oder Texte bestellen. Das geht von Strippen über Masturbation bis zum Sexting - Grenzen scheint es keine zu geben. Amelie wird gesagt, es sei "wie Instagram: posten und mit seinen Followern chatten". Allerdings mit Erotik-Inhalten, Oben-ohne-Fotos seien das Mindeste.
Die 22-Jährige ist kein Einzelfall. Viele Frauen berichten uns während der Recherche, dass sie regelmäßig von sogenannten OnlyFans-Agenturen kontaktiert werden. Und auch mir als Reporterin werden sie regelmäßig ins private Instagram-Postfach gespült. Zuletzt von einer Agentur, die sich "Mainhattan Studios" nennt und laut Impressum der Internetseite zu diesem Zeitpunkt ihren Sitz in Frankfurt hatte.
Wer Interesse vorgibt, wird von dem Chat mit einer angeblichen jungen Mitarbeiterin an das offizielle Agenturprofil weitergeleitet. Auf die Frage, wie weit man denn für eine Zusammenarbeit mindestens gehen müsste, heißt es: "Also Selbstbefriedigung unter der Unterwäsche […] sollte prinzipiell drin sein, sonst verkaufe es sich einfach schlechter. "
"Mainhattan Studio" konnte nicht gefunden werden
Im Impressum von "Mainhattan Studios" steht weder eine reale Person noch eine Telefonnummer. Und an der Frankfurter Firmenadresse ist kein Unternehmen dieses Namens zu finden. Andere Geschäftsinhabende vor Ort haben von "Mainhattan Studios" nie etwas gehört.
Auf die Mailanfragen des hr antwortete das Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht, auf Instagram ist die Kontaktaufnahme blockiert. Laut Impressum zog die Agentur im Laufe der Recherche nach Hamburg.
Oft der Einstieg in die Sex-Industrie
Roxie Roots (echter Name ist der Redaktion bekannt), eine Aussteigerin, berichtet, Reichtum durch die Plattform sei nur bedingt drin. Bei Anforderungen wie Selbstbefriedigung und nackten Brüsten muss sie lachen. "Wenigstens ehrlich" sagt die 35-Jährige bei einem Treffen in Kassel. Nur mit ein paar Bikini- oder Dessous-Fotos könne man auf OnlyFans nicht reich werden, sagt sie. Außer man sei vorher schon Influencerin oder Star wie Musikerin Cardi B gewesen, die zu den Top-Creatorinnen zählt.
"Die meisten Frauen auf OnlyFans machen maximal 200 Dollar im Monat", sagt Roxie. Bei ihr selbst hätten die Einnahmen zwischen Kleckerbeträgen und 10.000 Euro geschwankt. Der Preis dafür sei hoch gewesen: Mehrmals habe sie die Nische gewechselt und um ihr OnlyFans-Profil zu promoten auch Pornos gedreht. Bis heute hat sie das Gefühl, die Vergangenheit nicht mehr loszuwerden. Wenn sie irgendwo sitzt und jemand sie anschaut, denke sie oft: "Scheiße, der hat mich erkannt." Städte meide sie deswegen, sagt sie.
GenZ ist auf OnlyFans stark vertreten
Die Landesanstalt für Medien NRW beobachtet die Plattform skeptisch. Wenn es um OnlyFans geht, fragen die jungen Menschen ihr Team, wie man damit Geld verdienen könne. "Wir sehen das sehr kritisch", sagt Lehmeier im Interview mit dem hr. Auch wenn OnlyFans ab 18 Jahren möglich sei, so könnten junge Erwachsene oft noch gar nicht einschätzen, worauf sie sich da einlassen. "Und auch die Agenturen können nicht wissen, ob die Person, die sie anschreiben, wirklich volljährig ist", ergänzt Lehmeier.
Wenn die Angeworbenen nicht volljährig seien, lande man schnell im Bereich der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger. Jugendschutzbeauftragte hätten die meisten Agenturen ihrer Kenntnis nach auch nicht. Tatsächlich sind nach hr-Informationen fast die Hälfte der "Creatorinnen und Creator" und auch der Abonnenten zwischen 18 und 24 Jahren alt. In der Vergangenheit gab es Vorwürfe, dass auch Minderjährige auf OnlyFans zu sehen seien.
Zudem betont Lehmeier, dass ungefragte Werbenachrichten nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) Paragraph 7, verboten seien. Ihr Team bietet zum Beispiel das Onlineangebot FragZebra.de an, bei dem junge Menschen Antworten auf viele Fragen rund um die Online-Welt erhalten. Es geht auch um Pornografie im Netz, Erpressung mit Nacktbildern und Cybergrooming.
Der Ausstieg fällt oft schwer
Roxie schaffte erst nach vier Jahren den Absprung aus der Szene. Sie hat sich völlig aus dem Erotik-Bereich zurückgezogen und sieht heute ihre Aufgabe darin, Frauen davor zu warnen. Die Masche der angeblichen OnlyFans-Agenturen findet sie perfide: Gerade die lockere, unverbindliche Art der Insta-Nachrichten sei gefährlich. Wer bekomme nicht gern Komplimente? Aber dahinter stecke knallhartes Profitinteresse.
Sie schildert, dass auch sie damals von einer jungen Frau mit der Aussicht auf Reichtum und einen angeblich leichten Job gelockt worden sei. Erst im Nachhinein habe sie herausgefunden, dass die junge Frau selbst auch Sex gegen Geld hatte und danach oft weinend unter der Dusche stand. Auch das sei nach ihrer Erfahrung keine Seltenheit, sagt Roxie. Das Geschäft der Agenturen, inklusive der Anwerbe-Taktik, dass junge Frauen andere Frauen anwerben, vergleicht sie mit Zuhälterei. "Im realen Leben ist das Trafficking", so Roxie.
Was unternimmt eigentlich OnlyFans gegen unseriöse Agenturen?
Die Plattform OnlyFans wird von dem britischen Unternehmen Fenix International Limited betrieben. Diese hat nach eigenen Angaben nichts mit den fragwürdigen Agenturen zu tun. Auf hr-Anfrage heißt es, aus dem Englischen übersetzt: "Die Geschäftsbeziehung beschränkt sich auf die Content-Creators. OnlyFans arbeitet nicht mit Dritten oder Agenturen zusammen und unterstützt diese auch nicht."
Von angeworbenen jungen Frauen dürfte die Plattform allerdings profitieren, denn 20 Prozent des Umsatzes, den die Profile mit Inhalten machen, gehen an OnlyFans. Deren Jahresumsatz vor Steuerabzügen lag im Jahr 2022 bei 525 Millionen Dollar.
Hundertprozentigen Schutz gibt es nicht
Frauen, die unsicher sind, sollten laut Lehmeier mit Vertrauenspersonen sprechen oder sich Hilfe bei Beratungsstellen zu suchen. Wer bereits Bilder bei OnlyFans an unseriöse Agenturen verschickt und sich damit erpressbar gemacht hat oder nicht mehr aus dem Vertrag kommt, sollte sich unbedingt Hilfe holen. Hier seien Screenshots und Beweise hilfreich, so die Expertin.
Ähnlich wie bei Cybergrooming schätzt sie die Dunkelziffer durch Scham hoch ein. "Ihr müsst nicht nett sein und dürft Stopp sagen", sagt Lehmeier. Das sei für junge Frauen besonders wichtig zu wissen. Die 22-jährige Amelie kann die Nachrichten mittlerweile einordnen. Sie und ihre Freundinnen löschen, blockieren und melden sie und hoffen, dass irgendwann einfach keine mehr kommen.
Redaktion: Susanne Mayer
Sendung: hr-iNFO, 19.7.2024, 6.50 Uhr
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