Personalkosten in Flüchtlingsheimen Stadt Frankfurt fordert Millionenbetrag von AWO zurück
Die juristische Aufarbeitung der AWO-Affäre geht weiter. Im Streit um Kosten für Flüchtlingsunterkünfte ist es am ersten Prozesstag zwischen der Stadt Frankfurt und dem Kreisverband nicht zu einer gütlichen Einigung gekommen.
Im Mittelpunkt des Verfahrens stehen Forderungen gegen die Arbeiterwohlfahrt (AWO) aus den Jahren 2016 bis 2018, als der Sozialverband zwei Flüchtlingsheime im Auftrag der Stadt Frankfurt betrieb. Unter anderem sei Personal in Rechnung gestellt worden, das dort gar nicht gearbeitet habe.
Streit um 2,6 Millionen Euro
Im Raum steht nach Angaben des Sozialdezernats ein Betrag von rund 2,63 Millionen Euro. Hierauf wurde am Freitag bei der Verhandlung auch der Streitwert beziffert. Zu einer gütlichen Einigung kam es vor dem Landgericht nicht.
Am 25. Oktober soll weiter verhandelt werden. Am 22. November will der Richter die Entscheidung in dem Zivilverfahren verkünden, das bereits seit 2021 läuft. Ein erster für April dieses Jahres angesetzter Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht war auf Bitten der Anwälte der Stadt verschoben worden.
Ursprünglich war die Klage nur auf die Zahlung von rund 470.000 Euro gerichtet. Im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen in der AWO-Affäre seien immer neue zweifelhafte Rechnungsposten aufgetaucht, erklärte ein Sprecher des Sozialdezernats auf hr-Anfrage.
Stadt: an Nase herumgeführt, AWO: Hand gereicht
Die AWO habe die Stadt "systematisch an der Nase herumgeführt", sagte der Anwalt der Klägerseite, sie habe die Flüchtlingskrise genutzt, "um sich zu bereichern". Der Anwalt der Beklagten sagte, die AWO habe der Stadt "in der Not die Hand gereicht". Der Stadt sei kein Schaden entstanden, da ein Gesamtbudget vereinbart war.
Von dem Ausgang des Verfahrens könnte abhängen, ob die Stadt Frankfurt in naher Zukunft wieder mit dem Sozialverband zusammenarbeiten wird. Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) sagte dem hr, der Sachverhalt müsse juristisch geklärt werden. Erst danach könne über eine weitere Zusammenarbeit "diskutiert" werden.
Strafrechtliche Aufarbeitung steht noch aus
Im Zentrum der 2019 aufgedeckten AWO-Affäre stehen zahlreiche Vorwürfe, die von gefälschten Abrechnungen, über Scheinanstellungen bis hin zur versuchten Beeinflussung von Politikern durch Übervorteilung reichen. Besonderes Aufsehen erweckte die Verwicklung des später abgewählten Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) in die Affäre.
Ihm wurde vorgeworfen, dass seine Lebensgefährtin von der AWO zu deutlich überzogenen Konditionen als Leiterin einer deutsch-türkischen Kindertagesstätte angestellt wurde - mutmaßlich, um seine Gunst zu sichern. In einem Gerichtsverfahren wurde Feldmann wegen Vorteilsnahme in zwei Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die juristische Aufarbeitung ist damit noch lange nicht abgeschlossen. Der Strafprozess gegen das Ehepaar Hannelore und Jürgen Richter, die den AWO-Kreisverbänden Frankfurt und Wiesbaden vorstanden und als Drahtzieher der Affäre gelten, steht noch aus.
Ermittlungen gegen 119 Personen
Die Staatsanwaltschaft hatte schon 2022 Anklage wegen Betrugs erhoben, aber das Landgericht schickte die Akten 2023 zurück und forderte Nachermittlungen. Inzwischen wurde die Anklage neu gefasst und liegt erneut dem Landgericht vor. Das Landgericht hat jedoch noch nicht über die Zulassung entschieden.
Zivilrechtlich wurde Jürgen Richter Ende 2023 bereits zur Zahlung von 1,8 Millionen Euro Schadenersatz an seinen ehemaligen Arbeitgeber verurteilt. Zwischenzeitlich war in der AWO-Affäre gegen 119 Personen ermittelt worden.