Eigenanteil für Heimplätze gestiegen Viele Hessen können sich Pflege kaum noch leisten
Die Pflege im Heim wird immer teurer - in Hessen sind die Preise dafür zuletzt besonders stark gestiegen. Viele Pflegebedürftige und ihre Angehörigen geraten allmählich an ihre finanziellen Grenzen.
Für Barbara K. aus Baunatal (Kassel) ist die Pflege ihres Vaters kaum noch zu bezahlen. Der Betreuungsplatz für den 86-Jährigen in einem Pflegeheim koste jeden Monat mehr als 3.000 Euro, berichtet die Buchhalterin. In den vergangenen Jahren sei der Preis zwei Mal gestiegen. "Die gesetzliche Rente meines Vaters reicht dafür längst nicht."
Dadurch seien die Ersparnisse mittlerweile fast alle aufgebraucht. Den Vater im eigenen Haus aufzunehmen, ist für Barbara K. trotzdem keine Option. Dafür gebe es nicht genug Platz.
Angehörige: "Alles geht für die Pflege drauf"
Der Notnagel bleibt für Barbarba K. das Haus der Eltern. Das wolle man vermieten und notfalls verkaufen, sollte sich die Pflege weiter verteuern.
"Dabei wollte mir mein Vater dieses Haus vererben", sagt die Nordhessin: "Es ist für ihn furchtbar, dass alles, wofür er sein Leben lang gespart und gearbeitet hat, für die Pflege draufgeht."
Pflegekosten steigen in Hessen besonders
In ganz Hessen sind die Pflegekosten zuletzt deutlich gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Verbands der Ersatzkassen. Demnach werden in Hessen für einen Heimplatz im ersten Jahr im Schnitt jeden Monat 2.854 Euro fällig - 235 Euro mehr als ein Jahr zuvor. Dagegen stiegen die Preise bundesweit mit 211 Euro nicht ganz so stark.
Zum Eigenanteil bei den Pflegekosten zählen etwa die Ausgaben für die Pflege, für die Unterkunft, die Verpflegung. Aber zum Beispiel auch Investitionen in ein Heim müssen Pflegebedürftige finanziell mittragen. Die Pflegeversicherung übernimmt nur einen Teil dieser Kosten.
Ohne staatliche Hilfe geht es oft nicht
Auch Marius H. aus Kassel lässt seinen dementen Vater in dem Pflegeheim in Baunatal betreuen. Mit dessen Rente lasse sich das kaum finanzieren. Auf Erspartes könne die Familie kaum zurückgreifen, berichtet der 31-Jährige: "Deshalb mussten wir vor ein paar Wochen sogar das Sozialamt kontaktieren, um Unterstützung zu beantragen." Nun warte man auf Rückmeldung.
Angehörige wie Marius H. müssen erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro für die Pflege der Eltern aufkommen. Davon ist er momentan weit entfernt.
Der Leiter des Baunataler Heims, Stephan Eigenbrodt, führt regelmäßig Gespräche mit Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, etwa wenn sie sich für einen Pflegeplatz anmelden wollen: "In der Beratung ist die Finanzierung ein großes Thema," erklärt er. "Viele Menschen sind auf ergänzende Hilfen wie etwa Sozialleistungen angewiesen." Zuletzt seien es mehr geworden.
Inflation sorgt für höhere Kosten
Ein deutlicher Anstieg bei den Sozialleistungen ergibt sich zumindest aus den Statistiken bisher noch nicht. Nach Angaben des statistischen Landesamtes in Hessen haben zuletzt im Jahr 2022 16.320 Pflegebedürftige zur Finanzierung der Pflege staatliche Unterstützung bekommen. Fünf Jahre zuvor waren es rund 15.900, also nur 420 weniger.
Die zuletzt zwei Mal gestiegenen Pflegekosten in seinem Pflegeheim in Baunatal führt Leiter Stephan Eigenbrodt auf die allgemein steigenden Preise zurück. Dazu würden die Pflegekräfte aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung im Gesundheitsbereich mehr verdienen, eine Hilfskraft ab 2.800 Euro brutto und eine Fachkraft ab 3.700 Euro brutto pro Monat. "Das ist aus meiner Sicht ein gerechtes Gehalt," so der Heimleiter.
Es fehlt an geeignetem Nachwuchs
Eigenbrodt zufolge ist es wichtig, den Job gerade für den Nachwuchs attraktiver zu machen. "Denn es wird für uns immer schwieriger, neue Mitarbeiter zu finden," berichtet der Leiter des nordhessischen Altenzentrums. "Der Arbeitsmarkt ist angespannt." Teilweise würden sich die Einrichtungen schon gegenseitig Personal abwerben.
Das bestätigt auch die Domicil-Gruppe, die in Hessen acht Seniorenpflegeheime betreibt. Das Unternehmen versucht, Pflegefachkräfte mit einer Antrittsprämie von bis zu 6.000 Euro zu sich zu locken. "Darüber hinaus schicken wir Mitarbeiter ins Ausland bis nach Indien, um dort in Pflegefachschulen und Sprachschulen für uns Werbung zu machen," erklärt Konzernsprecher Andreas Jensvold.
Immer mehr Insolvenzen in der Pflege
Fachkräftemangel, steigende Gehälter und allgemein steigende Kosten bringen viele Pflegeheime in Schwierigkeiten. Bundesweit melden immer mehr Heimbetreiber Insolvenz an. Davon waren im vergangenen Jahr in Hessen beispielsweise Einrichtungen in Kassel und Bad Nauheim betroffen.
Zuletzt gab es in Hessen nach Angaben des statistischen Landesamtes 1.019 stationäre Pflegeheime mit rund 63.000 Plätzen.
Sendung: hr-iNFO, 11.07.2024, 12.42 Uhr
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