Pilot-Projekt in Wiesbaden Jannik zieht als erster in neue Azubi-Wohnung
Große Busse fahren: Jannik Faust aus Kaiserslautern hat seine Traumausbildung bei der ESWE Verkehr in Wiesbaden gefunden. Beinahe hätte er sie nicht angetreten – weil er keine Wohnung fand. Die Rettung ist ein neues Azubi-Wohnprojekt.
Die meisten Menschen sehen nur einen Linienbus. Jannik Faust, 16, sieht einen Mercedes Benz Citaro C2 LE. Er weiß auch, dass dieser Bus rund 300 PS hat und zwölf Meter lang ist. Jannik entschied sich, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen und bewarb sich nach eigenen Angaben bei der ESWE Verkehr in Wiesbaden für eine Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb. Eine Ausbildung, die es in seiner Heimat Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz) so nicht gibt. Als er die Zusage aus Wiesbaden bekam, ging für ihn "ein großer Kindheitstraum in Erfüllung."
Jannik stand aber auch vor einem Problem: Mit seinen 16 Jahren wohnte er noch bei seinen Eltern in Kaiserslautern. Für die Ausbildung musste also eine neue Wohnung in Wiesbaden her, und zwar eine, die sich Jannik mit Unterstützung der Eltern leisten konnte.
Nach langer Suche fand er ein passendes WG-Zimmer – nur um nach einer eigentlich fixen Zusage doch noch eine Absage zu bekommen und wieder ohne Wohnung dazustehen, so wie viele andere Azubis in hessischen Großstädten.
Pilotprojekt in Wiesbaden
Zu Janniks Rettung wurde schließlich eine Idee der Stadt Wiesbaden: Gemeinsam mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWW hat sie dieses Jahr ein Projekt für gefördertes Azubiwohnen ins Leben gerufen.
24 bis 29 WG-Zimmer und Wohnungen vermietet die GWW an Unternehmen, die die Wohnungen dank der Förderung günstig an ihre Auszubildenden untervermieten können. Preis: etwa 430 bis 560 Euro.
32 Quadratmeter Freiheit
In genau eine solche Wohnung zieht Jannik nun ein. Er hatte sich mit seinem Problem an seinen Ausbildungsbetrieb ESWE Verkehr gewandt. Der wiederum hatte von dem Projekt der Stadt mitbekommen und organisierte für Jannik eine der Azubiwohnungen.
Mit seinen Eltern und seinem kleinen Bruder Nils kommt Jannik zur Schlüsselübergabe. In einem Mehrparteienhaus im ersten Stock geht er durch die Räume: Bad, Flur, eine neu eingerichtete Küche, Balkon, ein Wohnraum, der gleichzeitig Schlafzimmer sein wird. Die rund 32 Quadratmeter werden Janniks erste eigene vier Wände.
"Ich kann den heutigen Morgen nicht ganz realisieren. Das ist ein großer Schritt und eine große Veränderung", sagt der 16-Jährige. Sein kleiner Bruder Nils klammert sich zwar bei der Schlüsselübergabe an Janniks Bein, findet es aber "nicht so schlimm", dass der auszieht, "solange er uns besuchen kommt."
Janniks Miete: Rund 560 Euro alles inklusive
Auch wenn der Auszug mit 16 Jahren ein großer Schritt ist – für Jannik ist es ein Glücksfall. Das Azubiwohnen in Wiesbaden macht seine Traumausbildung möglich: "Ich bin froh, dass ich bei diesem Pilotprojekt dabei sein darf." Auch wenn seine Miete mit 560 Euro zu den teureren beim Azubiwohnen in Wiesbaden zählt, ist sie immer noch niedriger als der Durchschnitt. "Es ist eine All-Inclusive-Miete. Die neue Küche, die Waschmaschine und alle Nebenkosten sind enthalten", sagt Sozialdezernentin Patricia Becher (SPD), die für das Projekt verantwortlich ist.
Die Stadt erhoffe sich von dem Projekt, junge Menschen für die Ausbildung nach Wiesbaden zu locken und arbeitet eng mit den Berufsschulen, der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer und dem Deutschen Gewerkschaftsbund zusammen.
Ein ganzes Azubi-Wohnheim könnte entstehen
Die rund 25 Plätze seien erst mal ein Test. "Wir wollen Erfahrungen sammeln", sagt Patricia Becher. "Welchen Bedarf haben Auszubildende und Unternehmen?" Thomas Keller von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft glaubt, es handele sich um einen Markt für die Zukunft. "Dass wir das weitermachen, ist für mich eigentlich sicher." Ein Neubauprojekt sei denkbar, bei dem nicht nur vereinzelte Wohnungen vermietet werden, sondern ein ganzes Azubiwohnheim entsteht.
DGB fordert gerechte Vergabeverfahren
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist mit dem Projekt in Wiesbaden grundsätzlich zufrieden. Es sei ein guter erster Schritt, auch wenn der Bedarf deutlich größer sei. Wichtig sei laut DGB noch, ein gerechtes Vergabeverfahren zu entwickeln. "Gerade kleinere Unternehmen und Azubis mit geringer Vergütung haben die größte Not in Sachen Wohnraum", sagt Philipp Jacks, Geschäftsführer der DGB-Region Frankfurt-Rhein-Main.
Für Jannik hat es schon jetzt geklappt. Und so kann es Anfang September mit der Ausbildung losgehen. Davor darf er auf dem Übungsgelände der ESWE Verkehr schon mal eine Runde mit dem Linienbus fahren – dem Mercedes Benz Citaro C2 LE. "Mich fasziniert die Stärke und Größe. Die Leistung des Motors zu spüren, ist einfach ein Stück Freiheit", schwärmt Jannik. Eine Faszination, die er in Wiesbaden zu seinem Beruf machen kann.