Höchste Auszeichnung Hessens Nazi-Jäger Fritz Bauer mit Wilhelm-Leuschner-Medaille posthum geehrt
Fritz Bauer war Chefankläger in den Frankfurter Auschwitz-Prozessen gegen frühere SS-Angehörige. 54 Jahre nach seinem Tod ist der ehemalige hessische Generalstaatsanwalt nun mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille ausgezeichnet worden.
Stellvertretend für den früheren hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer nahmen seine beiden in Schweden lebenden Großnichten Marit Tiefenthal und Pernilla Öhman, die Ehrung am Donnerstag bei einem Festakt in der Frankfurter Goethe-Universität entgegen. Bauer wurde "für seinen unermüdlichen Einsatz für die deutsche Demokratie" mit der höchsten Auszeichnung des Landes Hessen geehrt. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) würdigte das Wirken Bauers, der sich in der Nachkriegszeit maßgeblich dafür eingesetzt hatte, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verfolgen.
Bauers Leistung könne man nicht hoch genug einschätzen, sagte Rhein bei der Verleihung. Durch den Auschwitz-Prozess habe Bauer die deutsche Öffentlichkeit mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Er habe die Gesellschaft zum Hinsehen und zur Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen gezwungen. "Ohne Fritz Bauer wäre unsere Geschichtsaufarbeitung nicht die, die sie heute ist", betonte der Ministerpräsident.
Großnichte beschreibt Bauers Motivation
Bauers Großnichte Tiefenthal beschrieb die Motivation und Haltung ihres Großonkels, der aus einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie stammte, Sozialdemokrat war und 1933 selbst für einige Monate im Konzentrationslager Heuberg inhaftiert war. "Manchmal muss man eine Position vertreten, die weder sicher noch diplomatisch noch populär ist; man muss sie vertreten, weil das Gewissen es gebietet", sagte Tiefenthal.
Bauer war als hessischer Generalstaatsanwalt treibende Kraft bei der Vorbereitung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses gegen 22 Mitglieder der SS-Wachmannschaften im Konzentrationslager Auschwitz. Es folgten weitere Auschwitz-Prozesse. Außerdem gab Bauer dem israelischen Geheimdienst Mossad den entscheidenden Hinweis zum Aufenthaltsort des NS-Kriegsverbrechers und Massenmörders Adolf Eichmann. Dieser konnte daraufhin in Argentinien aufgespürt und in Israel vor Gericht gestellt werden.
SPD-Fraktionschef: "kein würdigerer Preisträger"
Rhein lobte den 1968 verstorbenen Bauer als "Kämpfer für die Humanität und die Demokratie, der mit Hingabe, Ausdauer und Leidenschaft für eine freie Gesellschaft eingetreten ist". Bauers Verdienst sei es, sich für ein modernes Demokratiebewusstsein engagiert zu haben.
SPD-Fraktionschef Günter Rudolph fand ähnliche Worte: Die höchste Auszeichnung des Landes könne "keinen würdigeren Preisträger finden". Die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Holocausts sei Bauers Verdienst gewesen.
Die Wilhelm-Leuschner-Medaille wird jährlich am Hessischen Verfassungstag, dem 1. Dezember, an Menschen verliehen, die sich vorbildlich für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit eingesetzt haben. Unter den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern sind Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der Philosoph Jürgen Habermas und der ermordete Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU), der die Auszeichnung auch posthum erhielt.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 01.12.2022, 19.30 Uhr
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