Psychologin zu Neujahrsvorsätzen "Verknüpfen Sie Ihren Vorsatz mit so viel Spaß wie möglich"

Das neue Jahr ist kaum ein paar Tage alt, da ist manch ein guter Vorsatz schon wieder passé. Die Gießener Psychologin Frauke Niehues weiß, wie wir gute Vorsätze durchhalten – und welche überhaupt Sinn machen.

Ein Heft auf einem Tisch, auf dessen aufgeschlagener Seite "Gute Vorsätze 2025" geschrieben steht. Umrahmt wird das Heft von zwei Händen.
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Man kennt das ja: Da nimmt man sich zum neuen Jahr vor, mehr Sport zu machen, gesünder zu essen, weniger Zeit am Smartphone zu verbringen. Und kaum ist das neue Jahr ein paar Tage alt, verfällt man in alte Gewohnheiten.

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Mit diesen Tipps erreicht ihr eure Ziele 2025

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Aber wie schafft man es, die guten Vorsätze durchzuziehen? Und was sind die größten Hindernisse? Die psychologische Psychotherapeutin Frauke Niehues aus Gießen verrät, worauf es ankommt.

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Das Gespräch führte Stephan Reich

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hessenschau.de: Frau Niehues, das neue Jahr ist noch jung. Haben Sie gute Vorsätze?

Frauke Niehues: Ja. Ich würde mir gerne mehr Zeit für Freunde und Familie nehmen.

hessenschau.de: Und haben Sie ein gutes Gefühl, dass Sie den Vorsatz einhalten werden?

Niehues: Ja. Ich bin in den vergangenen Jahren oft an diesem Vorsatz gescheitert, weil dann eben doch interessante Anfragen oder Aufträge kamen, die ich doch wieder angenommen habe und dann keine Zeit für Freunde und Familie hatte.

Also habe ich mich für dieses Jahr hingesetzt und mir Tage geblockt, an denen ich nicht arbeite, sondern Zeit mit Freunden und Verwandten verbringe. Damit ich nicht immer vor die Entscheidung gestellt werde, sondern die Entscheidung pro Vorsatz schon getroffen ist.

Frauke Niehues
Die Psychotherapeutin Frauke Niehues Bild © David Becker

hessenschau.de: Laut einer Forsa-Umfrage gibt fast jeder Dritte seine guten Vorsätze schon nach maximal drei Monaten wieder auf. Woran liegt es, dass wir uns mit dem Einhalten so schwer tun?

Niehues: Grundsätzlich ist es so, dass wir bei Dingen, die angenehme Emotionen auslösen, motiviert sind und sie gerne umsetzen. Aber Dinge, die eher unangenehme Emotionen auslösen, meiden wir und tun uns schwer mit ihnen.

Meistens sind es aber solche Sachen, die wir uns vornehmen. Mehr Sport treiben, mit dem Rauchen aufhören, weniger am Smartphone sein. Als erstes ist es hilfreich, so viele positive Emotionen wie möglich mit dem Vorsatz zu verbinden.

hessenschau.de: Wie mache ich das?

Niehues: Als erstes können Sie sich fragen: Wofür mache ich das? Und dabei nicht nur im Abstrakten bleiben, sondern sich sehr konkret vorzustellen, wie die Umsetzung Ihres Vorsatzes aussieht.

Wenn er lautet, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, können Sie sich konkret und detailliert vorstellen, wie das wäre. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit Ihren Kindern spielen, wie diese Sie strahlend anlachen. Wenn Sie diese Bilder und Gefühle mit dem Vorsatz verknüpfen, motiviert das ungemein.

hessenschau.de: Liegt da schon das erste Problem? Dass viele Vorsätze zu schwammig formuliert sind?

Niehues: Ja, Sie sollten sehr konkret werden. Und ebenso wichtig ist, sich kleine, realistische Schritte vorzunehmen. Stellen Sie sich eine hohe Leiter vor: Wenn die nur drei Sprossen hat, sind die Schritte zu groß und Sie schaffen sie nicht. Hat sie aber viele Sprossen, ist es kein Problem, die Leiter zu erklimmen. Wenn Ihr Vorsatz beispielsweise ist, mehr Sport zu machen, können Sie nicht mit einem Triathlon anfangen, sondern erst einmal mit kleinen Joggingeinheiten.

Unrealistische Ziele führen nur zu Überforderung und die führt zu Misserfolg, zu Scham- und Schuldgefühlen. Kleinere, realistische Ziele sorgen dafür, dass Sie Erfolgserlebnisse haben. Das erhöht die Motivation und macht es Ihnen leicht, weiterzumachen. Und letzten Endes geht es darum, es sich so leicht wie möglich zu machen.

hessenschau.de: Also ein konkretes Ziel formulieren, aber niedrigschwellig einsteigen?

Niehues: Genau. Und verknüpfen Sie Ihren Vorsatz mit so viel Spaß und Freude wie möglich. Wenn Ihr Vorsatz ist, mehr Sport zu machen, würde ich Ihnen raten, vielleicht einen Freund zu fragen, ob er mitmacht. Das macht einerseits mehr Freude, erhöht aber andererseits auch ein wenig den Druck, es wirklich durchzuziehen und nicht im Januar schon wieder damit aufzuhören.

hessenschau.de: Macht Druck denn immer Sinn? Kann es nicht auch hemmen, wenn ich meinen Vorsatz offensiv Freunden und Familien mitteile?

Niehues: Auch da kommt es darauf an, ob der Vorsatz realistisch ist. Wenn Sie etwas kommunizieren, das Sie auch schaffen können, können sich Ihre Freunde und Familie mit Ihnen freuen, wenn Sie den Vorsatz umsetzen. Ist er aber unrealistisch, kann es auch unangenehm und peinlich sein, so offen damit umgegangen zu sein.

Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, wem Sie den Vorsatz kommunizieren. Das sollten schon Menschen sein, die Sie unterstützen. Und keine, vor denen Sie sich schämen würden.

hessenschau.de: Sie sprachen von Überforderung. Gibt es auch eine quantitative Überforderung? Also zu viele Vorsätze?

Niehues: Ja. Mein Tipp ist: Nehmen Sie sich eine Sache vor. Und zwar die, die Ihnen am wichtigsten ist. Und wenn die läuft, können Sie den nächsten Vorsatz mit dazu nehmen.

Wenn Sie mehrere Vorsätze umsetzen wollen, können Sie auch kreativ sein. Wenn Ihr Vorsatz beispielsweise ist, Ihre Wohnung aufzuräumen, dann müssen Sie das nicht in einem Schwung machen, sondern können natürlich auftretende Situationen dafür nutzen. Jedes Mal, wenn Sie sowieso in den Keller gehen, nehmen Sie eine Sache mit, die Sie ausmisten wollen. So wird der Vorsatz zum Projekt, das man nebenher erledigt.

Das funktioniert auch in anderen Bereichen. Sie wollen endlich den Schreibtisch aufräumen? Räumen Sie jedes Mal, wenn Sie am Schreibtisch sitzen, ein Blatt Papier weg. Sie wollen den Kleiderschrank ausmisten? Nehmen Sie jedes Mal, wenn Sie sich anziehen, ein Kleidungsstück zur Hand und entscheiden, ob Sie es ausmisten wollen.

Wenn Sie das jeden Tag machen, ist das eine niedrigschwellige Möglichkeit, den Vorsatz umzusetzen. Und in 30 Tagen ist der Kleiderschrank um 30 Teile schlanker.

hessenschau.de: Ist das nicht eine Frage der Selbstdisziplin, den Kleiderschrank nicht einfach in einem Rutsch auszumisten?

Niehues: Es geht vor allem darum, sich selbst gut zu kennen und zu wissen, was die eigenen Hürden sind. Es gibt sicherlich Menschen, die solche Projekte besser in einem Rutsch mit großem Aufwand durchziehen. Vielen fällt es aber leichter, einen Vorsatz in ganz vielen kleinen Schritten umzusetzen. Dafür braucht es vor dem guten Vorsatz auch eine Auseinandersetzung damit.

hessenschau.de: Inwiefern?

Niehues: Wenn Sie wissen, wie Sie es sich selbst leicht machen und Ihre Hürden umgehen, ist die Aussicht auf Erfolg größer. Welcher Modus ist für Sie der richtige? Wann und wie passt der Vorsatz in Ihre Woche? Brauchen Sie Unterstützung oder setzt Sie das eher unter Druck? Wichtig ist auch, sich mit dem Preis eines guten Vorsatzes auseinanderzusetzen.

hessenschau.de: Wie meinen Sie das?

Niehues: Wenn Ihr Vorsatz ist, weniger zu arbeiten, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, sollten Sie auch einen realistischen Blick darauf werfen, was Sie das kostet. Sie werden dann nämlich auf den ein oder anderen interessanten Auftrag verzichten müssen und vielleicht auch weniger Geld verdienen. Oder wenn Sie weniger Alkohol trinken wollen: Oft sind das ja Situationen mit Freunden, lustige Abende. Sind Sie bereit, darauf zu verzichten? Über so etwas sollten Sie vorher nachdenken.

hessenschau.de: Kann man Anreize schaffen, die Vorsätze durchzuhalten? Etwa Belohnungen?

Niehues: Man liest immer mal von Empfehlungen, kleinere Belohnungen einzuführen, die sich dann zu einer großen summieren. Also für jeden Tag, an dem man nicht raucht, 50 Cent in ein Sparschwein zu tun, um sich dann später etwas Schönes davon zu kaufen.

Meiner Erfahrung nach brauchen wir aber Belohnungen unmittelbar, wenn sie etwas bringen sollen. Wenn Sie sich also belohnen wollen, dann direkt im Anschluss. Hören Sie Ihr Lieblingslied, wenn Sie auf die Zigarette verzichtet haben. Verbringen Sie eine schöne Zeit mit dem Partner oder den Kindern, wenn Sie vom Sport kommen. Wir Menschen funktionieren kurzfristig.

hessenschau.de: Und was, wenn ich es trotz allem nicht schaffe? Ist es denn so schlimm, wenn man seine Vorsätze nicht erreicht?

Niehues: Nein. Mein Tipp wäre: Überlegen Sie, ob Ihr Vorsatz Ihr Leben wirklich schöner macht. Und wenn das nicht der Fall ist, dann lassen Sie ihn einfach sausen. Wenn es etwas ganz Wichtiges ist, beispielsweise bei gesundheitlichen Themen, können Sie sich auch professionelle Hilfe holen. Ansonsten üben Sie sich darin, liebevoll und akzeptierend mit sich selbst zu sein. Je besser Ihnen das bei sich selbst gelingt, desto besser gelingt Ihnen das auch bei anderen. Seien Sie ein Vorbild dafür, nicht perfekt sein zu müssen.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de