Qualzuchten für wenig Geld Wie Welpenhandel auf Kleinanzeigen-Portalen floriert
Ein Pudelwelpe im Kleidchen oder ein Baby-Chihuahua mit Schleife – wie dekoriertes Spielzeug werden Welpen von dubiosen Händlern im Netz angepriesen. Hessens Landestierschutzbeauftragte Martin und Tierschützer schlagen Alarm.
Ein brauner Wuschelkopf auf vier Pfoten in einem karierten Kleidchen. So präsentiert etwa die Onlineplattform quirkpets.com den Welpen Pauley. Die kleine Pudeldame ist laut Inserat auf der Webseite drei Monate alt - wie fast alle Katzen- und Hundewelpen, die dort angeboten werden. Nach hr-Informationen sind die Welpen für 400 Euro pro Stück zu haben.
Günstige Tier-Angebote gibt es zum Beispiel auch auf der Plattform Quoka. Dort bietet ein Händler reinrassige Australian-Shepherd-Welpen für 499 Euro an. Bei edogs sucht ein Anbieter von Rottweiler-Welpen Abnehmer für "neun bildhübsche Geschwister, die noch ihre Familie suchen." Da heißt es: "Traut Euch, wir beißen nicht." Ein Preis ist nicht angegeben.
Tiere zum Schnäppchenpreis sind im Netz keine Seltenheit. Hessens Tierschutzbeauftragte Madeleine Martin findet das schrecklich. "Rassehundwelpen kosten keine 300, 400, 500 Euro. Sie sind auf alle Fälle teurer." Bei den günstig angebotenen Welpen handelt es sich oftmals um Qualzuchten, sagt sie. "Etwa Möpse, die keine richtigen Nasen haben. Chihuahuas mit riesigen runden Köpfen." Auch Faltenhunde seien wieder im Kommen. "Wenn man sieht, was alles angeboten wird - alles, was im Moment in Mode ist - da weint man."
Was alles angeboten wird, kann man auf den wichtigsten Umschlagplätzen für lebende Tiere sehen: etwa auf Plattformen und Kleinanzeigen-Portalen wie Quoka, Markt.de, Kleinanzeigen, snautz, edogs oder Deine Tierwelt.
Während der Corona-Pandemie hat der Handel mit Heimtieren stark zugenommen. Es gibt sowohl Portale, auf denen Privatpersonen und Züchter ihre Tiere anbieten, als auch spezielle Online-Shops, die die Tiere selbst verkaufen. "In der Pandemie sind die Welpen den Züchtern und Vermehrern fast ausgegangen, so groß war die Nachfrage", sagt Martin. Neben seriösen Händlern finden sich auf den Plattformen auch immer wieder dubiose Anbieter, die sich nicht an die Tierschutz-Regeln halten.
Die Tierschutzbeauftragte kritisiert auch, dass durch Social-Media-Trends wie Welpenyoga Tiere zum Accessoire gemacht werden. Influencer, die mit Hundefotos oder -filmchen Geld verdienten, hätten oftmals keine Ahnung von den Bedürfnissen der Tiere.
"Anzeigen deuten auf Welpenhandel hin"
Auch Tierschutzorganisationen wie der Deutsche Tierschutzbund beobachten skeptisch, was auf den Anzeigeportalen los ist. "Schaut man sich beispielsweise das Tierangebot auf Quoka an, fallen zahlreiche aus Tierschutzsicht kritische Anzeigen auf", sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund.
Es gebe Anzeigen auf der rumänischen Plattform, die auf Welpenhandel hindeuten. Die Tierschutzorganisation PETA spricht beim illegalen Handel mit Tieren von "mafiösen Strukturen".
Illegal eingeschleuste Hunde und ein Affe in Hessen
Der Deutsche Tierschutzbund veröffentlichte kürzlich Zahlen zum illegalen Handel für das Jahr 2023: Betroffen waren demnach mindestens 731 Tiere - darunter überwiegend Hunde - in 221 aufgedeckten Fällen. Unter den geschmuggelten Tieren befanden sich 629 Hunde, darunter vor allem Rassehunde wie Malteser, Zwergspitz und Französische Bulldogge.
In Hessen wurden im Jahr 2023 vier Fälle bekannt, mit insgesamt 50 betroffenen Tieren, darunter 49 Hunde und die Primatenart Rothandtamarin, wie Sprecherin Schmitz dem hr mitteilte. Von den Welpen landen später viele in den Tierheimen, weil die Besitzer mit den oftmals kranken Tieren überfordert sind.
Inzwischen schalten Plattformen, darunter Kleinanzeigen, edogs, Markt.de oder HonestDog, bei den Tier-Inseraten Warnhinweise vor unseriösem Tierhandel. Bei Kleinanzeigen steht bei den Inseraten zum Beispiel folgender Zusatz: "Kaufe Tiere nie aus Mitleid oder auf offener Straße! Du förderst damit Tierleid, riskierst Strafen und hohe Folgekosten."
Die Regeln für die Vermittlung von Haustieren passte Kleinanzeigen zuletzt Ende 2022 an. Für die Vermittlung von Hunden und Katzen unter 12 Monaten braucht es seitdem eine behördliche Erlaubnis. Der Tierschutz habe sich dadurch verbessert, sagt Kleinanzeigen-Sprecher Pierre Du Bois. Zugleich sank die Anzahl an Angeboten. Es gebe durchschnittlich nur noch rund 10.000 Anzeigen für Hunde und Katzen auf dem Portal.
Bei Kleinanzeigen durchforstet ein eigenes Team die Plattform. Die Mitarbeiter gehen auch Hinweisen von Whistleblowern nach. "Früher wurden deutlich mehr Problemtiere gefunden", berichtet der Sprecher. Er frage sich aber, wohin sich das illegale Geschäft mit Welpen verlagert hat. "Wo sind die Tiere hingegangen?" Kriminelle Händler verschwänden ja nicht einfach.
Martin: Illegale Welpen fallen nur sporadisch auf
Auch nach Meinung der hessischen Tierschutzbeauftragten bleibt insbesondere der illegale Welpenhandel ein Problem: "Leider fallen die illegalen Welpen immer nur sporadisch auf. Sie werden zumeist in Autos transportiert, in Sprintern oder Hochdachkombis", so Martin. Es handele sich eher um Zufallsfunde. Die Tiere werden oftmals aus osteuropäischen Ländern eingeschleust. Die Dunkelziffer ist entsprechend hoch.
Auch Dagmar Stiefel, Leiterin der Tierärztlichen Grenzkontrollstelle Hessen am Frankfurter Flughafen bestätigt, dass der Schmuggel von Welpen überwiegend über den Landweg erfolgt. Das sei für die Händler lukrativer und risikoärmer. Die Grenzkontrollstelle hat die Aufgabe, die Einschleppung von Tierseuchen zu vermeiden und Tiere im Flugtransport zu schützen.
Kranke Tiere werden am Flughafen vor Ort behandelt
Hunde, Katzen und Vögel dürfen aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten nur mit Gesundheitszeugnissen einreisen. Innerhalb der EU ist der EU-Heimtierausweis das vorgeschriebene Reisedokument. Wenn Tiere entdeckt werden, die nicht die erforderlichen Gesundheitsnachweise haben, werden sie laut Stiefel oftmals zurückgeschickt. "Kranke Tiere werden auch vor Ort behandelt. Dann kommen Tierärzte an den Flughafen", sagt sie.
Bei geschmuggelten Tieren, die im Kofferraum von Autos entdeckt werden, sieht das anders aus: Welpen, bei denen etwa der Verdacht auf Tollwut besteht, müssen unter Umständen monatelang in Quarantäne - etwa in Tierheimen. Die Welpen werden isoliert, anstatt Fürsorge in einer Familie zu erfahren.
Social-Media-Portale fehlen beim Runden Tisch
Tierschützer sind in solchen Situationen machtlos. "Bis ein längst überfälliges gesetzliches Verbot oder zumindest eine Einschränkung des Onlinehandels mit Tieren kommt, müssen die Plattform-Betreibenden selbst den Schutz der Tiere sicherstellen", so der Deutsche Tierschutzbund.
PETA sieht das ähnlich: "Onlineanbieter tragen mit dazu bei, dass Tiere wie Ware über das Internet verkauft werden, deshalb sprechen wir uns gegen den Verkauf fühlender Wesen auf Onlineplattformen aus", sagt die Fachreferentin Jana Hoger.
Ende April hatte es einen Runden Tisch mit mehreren Tierschutzorganisationen, Tierschutzbeauftragten und den Plattformbetreibern Kleinanzeigen, Deine Tierwelt, Snautz, edogs und Honestdog gegeben. Von Anbietern wie Terraristik.com, Markt.de, Quoka, Facebook, Tiktok und Instagram ist der Deutsche Tierschutzbund enttäuscht, denn sie nahmen erst gar nicht daran teil.
Tierschutzbeauftragte: Lösung des Problems wären vernünftige Käufer
Bei aller Kritik an den Portalen, die am Tierhandel mitverdienen, nimmt Hessens Tierschutzbeauftragte Martin auch die Käufer in die Pflicht. "Die Lösung des Problems wären vernünftige Käufer", sagt sie. Diese würden sich nicht ausreichend informieren. Örtliche Tierärzte könnten laut Martin zum Beispiel seriöse Züchter empfehlen sowie der Dachverband des deutschen Hundewesens (VDH).
Generell müsse der Online-Tierhandel besser überwacht werden. "Wir brauchen vor allem mehr Personal und zwar bei der Polizei, in den Veterinärämtern und bei der Justiz", fordert sie. Hier müsse das Land endlich nachbessern.
Entwurf für Reform des Tierschutzgesetzes
Die Bundesregierung hat inzwischen einen Entwurf für eine Reform des Tierschutzgesetzes verabschiedet. Verschärfte Regeln sollen etwa für die Haltung von Heim- und Nutztieren, die Zucht von Hunden oder den Onlinehandel mit Haustieren gelten, wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Freitag sagte. Es handele sich um die "umfangreichste Überarbeitung des Tierschutzgesetzes seit vielen Jahren".
Mit Blick auf die sogenannte Qualzucht wird die bisherige Definition um weitere Leiden der gezüchteten Tiere erweitert, wie das Landwirtschaftsministerium ausführte. "Dazu gehören Symptome wie Blindheit, Taubheit oder Atemnot, wenn sie erblich bedingt sind und zu Schmerzen und Leiden bei den Tieren führen." Zur besseren Kontrolle müssen Verkäufer von Tieren im Internet ihre persönlichen Daten bei der jeweiligen Plattform hinterlegen.
Sendung: hr1 am Vormittag, 16.05.2024, 9 Uhr
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