Ausstellung und Forschung in Fulda zu Queerness Sexuelle Vielfalt auf dem Land wird überwiegend versteckt gelebt
Ausgrenzung und Attacken - queere Menschen begegnen auf dem Land vielen Problemen. Wie Betroffene darunter leiden und was sie sich wünschen, zeigen ein Forschungsprojekt und eine Ausstellung in Fulda.
Queeres Leben in ländlichen Regionen hat es schwer. Diese Erfahrung hat auch David Muniz-Hernandez schon machen müssen. Händchen haltend unterwegs mit seinem Partner wurde der homosexuelle Mann schon häufig diskriminiert. Er wurde als "Schwuchtel" beschimpft oder mit Bier bespritzt.
"Ich versuche, alles an mir abprallen zu lassen. Aber ruhig zu bleiben, ist schwer, wenn das Blut in einem kocht. Ich will nicht erniedrigt werden", sagt der 33-Jährige, der in Fulda Interkulturelle Kommunikation studiert hat. Auch in der Domstadt machte Muniz-Hernandez schwulen-feindliche Erfahrungen.
Mit 15 von den Eltern rausgeworfen
Muniz-Hernandez hat früh gelernt, sich im Leben durchzubeißen und zu sich zu stehen. Mit 15 Jahren wurde er wegen seiner sexuellen Orientierung in einer streng konservativen mexikanischen Kleinstadt von den Eltern rausgeschmissen. Er lebte zeitweilig auf der Straße und ging nach Kanada. Viele Jahre später heiratete der Weltenbummler seinen Freund aus Bayern.
So schlimm wie in Mexiko sei es mit der Queer-Feindlichkeit in Deutschland zwar nicht. Aber es gibt immer wieder unangenehme Situationen, sagt Muniz-Hernandez. Schamgefühle in der Communnity seien weit verbreitet. Die Bereitschaft sich zu offenbaren: gering. Muniz-Hernandez kann nicht nur aus eigener Erfahrung berichten. Er hat auch an einem Forschungsprojekt und einer Ausstellung der Hochschule Fulda zum Thema mitgewirkt.
Ausstellung: "Queere Worte – Queere Orte"
Die kleine Ausstellung wurde vor wenigen Tagen im Konzept-Kaufhaus Karl (ehemaliger Kaufhof) in der Fuldaer Innenstadt eröffnet. Die Schau mit dem Titel "Queere Worte – Queere Orte" läuft noch bis zum 17. Februar. Sie geht der Frage nach, wie queere Menschen im ländlichen Raum leben.
Zu sehen sind in der Ausstellung Momentaufnahmen queerer Amateur-Fotografinnen und -Fotografen. Mit Kameras haben sie ihre Wahrnehmungen und eigene Inszenierungen queerer Orte in der Region Fulda festgehalten. Begleitet werden die Fotos durch Ausschnitte aus biografischen Interviews. Sie sind im Rahmen des Forschungsprojekts "Akzeptanz und Vielfalt in Fulda und Region" entstanden.
Das vom hessischem Sozialministerium geförderte Projekt ist einzigartig, wie Carola Bauschke-Urban sagt. Die Professorin am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Fulda leitet es und will damit auf innovative Weise Verbindungen zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und regionaler Community schaffen.
"Besser verstehen und anerkennen"
Mit der Ausstellung wolle man einen offenen und lebendigen Ort in der Mitte Fuldas schaffen, so Bauschke-Urban. "Er soll die Möglichkeit bieten, sich mit queerem Leben in der Region auseinanderzusetzen, es besser zu verstehen und anzuerkennen." Außerdem soll die Ausstellung auch dazu beitragen, den Umgang mit Diversität in ländlichen Räumen wissenschaftlich zu untersuchen und zu fördern.
Das sei dringend nötig, findet die Professorin. "Denn wir haben durch unsere Forschung festgestellt, dass es noch große Lücken in der Anerkennung queerer Menschen in ländlichen Räumen gibt."
Sexuelle Vielfalt wird versteckt
Betroffen von Diskriminierung seien queere Menschen aller Altersstufen, aller gesellschaftlichen Milieus und aller Berufe, erklären die Forschenden. Die Folge: "Häufig spielt sich das Leben queerer Menschen in ländlich geprägten Regionen im Verborgenen ab. Sexuelle Vielfalt wird überwiegend versteckt gelebt", so Bauschke-Urban.
Queeres Leben werde im Ländlichen häufig als "Abweichung von akzeptierten Formen der Lebensführung wahrgenommen", fanden die Forschenden heraus. Diese Einstellung empfindet die Professorin als "schockierend". Es sei noch wie vor Jahrzehnten. "Die Zeit scheint still zu stehen. Das Phänomen scheint bei vielen Menschen noch nicht angekommen zu sein."
Queere Menschen wandern ab
Da queere Lebensweise auf dem Land häufiger auf Ablehnung stößt, wandern viele Personen in Metropolregionen und Großstädte ab. Dort könnten sie sich freier entfalten und würden weniger kritisch beäugt. Aber selbst in Metropolen wie Frankfurt kommt es immer wieder zu Übergriffen. Die Zahl der Fälle queerfeindlicher Gewalt stieg in Hessen zuletzt, allerdings auf niedrigem Niveau.
Was passieren muss, damit sich queere Menschen im ländlichen Raum wohler fühlen? Es mangelt an Sichtbarkeit der Community und es fehlt an Treffpunkten, wie Muniz-Hernandez sagte. "Selbst zwischen Fulda und Frankfurt sind die Unterschiede groß - das sind zwei Welten." Er selbst ist mit seinem Mann inzwischen nach Berlin gezogen.