Männlich, weiblich, divers, keine Angaben Hunderte Hessen wollen Geschlecht ändern lassen

Ab 1. November wird es einfacher, Geschlecht und Vornamen im Pass ändern zu lassen. Dann tritt das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Seit August können sich Menschen für eine Änderung beim Standesamt anmelden. In Hessens großen Städten haben das schon Hunderte getan.

Eine Transperson mit Bart, Brusthaar und BH bei einer öffentlichen Veranstaltung.
Nicht nur "männlich" oder "weiblich": Auch "divers" oder "keine Angabe" kann man auswählen. Bild © Imago Images
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Zwei psychiatrische Gutachten und ein Gerichtsbeschluss waren bisher nötig, wenn trans-, intergeschlechtliche oder nicht binäre Menschen den Geschlechtseintrag in ihrem Ausweis ändern lassen wollten. Ab 1. November reicht eine einfache Erklärung beim Standesamt. Dabei gibt es vier Möglichkeiten: männlich, weiblich, divers oder keine Angabe.

Die Person muss versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag oder die Streichung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und bekunden, dass ihr die Tragweite der Folgen bewusst ist. Dann darf sie einen neuen Vornamen bestimmen, der dem gewählten Geschlechtseintrag entspricht.

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Die Nachfrage nach der neuen, vereinfachten Änderung ist in Hessen bereits jetzt groß, wie eine Abfrage des hr in fünf großen Städten zeigt.

Positive Rückmeldung zu einfachem Verfahren

Allein in Frankfurt haben bisher (Stand 22.10.2024) etwa 250 Menschen diese Anmeldung beim Standesamt abgegeben, wie die Pressestelle auf hr-Anfrage mitteilt: "Wir hatten mit einigen Anmeldungen gerechnet und uns frühzeitig mit der Einführung des Gesetzes beschäftigt, um unseren Frankfurter*innen einen guten Service bieten zu können," so die Stadt.

Das Frankfurter Standesamt hatte nach eigenen Angaben noch vor Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Organisation der Umsetzung beschäftigt.

Hessenkarte mit den Städten Kassel, Fulda, Gießen, Frankfurt und Darmstadt und den jeweiligen Zahlen der Anmeldungen
Bild © hessenschau.de

Diese Arbeitsgruppe habe sich eng mit der Koordinierungsstelle für LSBTIQ-Themen des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten ausgetauscht und einen Leitfaden für die einheitliche Vorgehensweise und als Hilfestellung für die Bürgerinnen und Bürger erstellt.

Es gebe "sehr positive Rückmeldung zu den bereitgestellten Informationen und der einfachen Verfahrensweise", so die stellvertretende Standesamtsleiterin Natascha Keck.

Betroffene sparen Geld

In Kassel haben sich seit dem 1. August 2024 insgesamt 167 Menschen vorab angemeldet, die ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen wollen.

Viele hätten nach Einschätzung der Stadtverwaltung Kassel auf das vereinfachte Verfahren gewartet, sagt Sprecher Michael Schwab - auch, weil es Geld spare: "Vor Eintritt des Selbstbestimmungsgesetzes entstanden erhöhte Kosten für psychologische Gutachten und das Verfahren". Daher wundere man sich nicht über die große Nachfrage.

In Darmstadt ist nach Angaben der Stadt eine Mitarbeiterin explizit für Geschlechtsänderungen zuständig. Sie habe sich besonders in das neue Gesetz eingearbeitet und bearbeite die Anmeldungen. 81 Personen haben sich demnach in Darmstadt angemeldet.

Gießen: "Hohe Zahl ist überraschend"

In Gießen haben seit 1. August 71 Personen die Anmeldung nach dem sogenannten § 4 SBGG vorgenommen: "Die verhältnismäßig hohe Zahl ist überraschend", erklärt die Sprecherin der Stadt Gießen Claudia Boje auf hr-Anfrage. Allerdings würden auch umliegende kleinere Gemeinden Menschen an das größere Gießener Standesamt weiterverweisen.

Das Standesamt Gießen hat im Vorfeld ein eigenes Formular für die Anmeldung entworfen und auf seine Homepage gestellt. Allerdings seien Menschen, die sich für eine Änderung des Geschlechtseintrags interessierten, sowieso oft gut informiert.

"Der interessierte Personenkreis hat das Gesetzgebungsverfahren sehr genau verfolgt", so die Sprecherin. Gleich nachdem der Bundestag das Gesetz beschlossen habe, seien bereits erste Anfragen dazu eingegangen. Dabei würden ihrer Beobachtung nach auch die eigenen Communities und Verbände sehr helfen.

Drei Monate Wartezeit vorgeschrieben

Im etwas kleineren Fulda sind seit dem 1. August 24 Anmeldungen für eine Änderung nach dem SBGG bei der Stadt eingegangen. Demnach wollen sich 11 bisher männliche Personen als weiblich eintragen lassen und genauso viele bisher weibliche als männlich. Das teilt die Stadt Fulda auf hr-Anfrage mit.

Eine Person habe bisher "weiblich" in den Unterlagen stehen und möchte dies in "divers" ändern. Eine weitere Person möchte ihr Geschlecht komplett streichen lassen.

Das Gesetz schreibt eine Wartezeit von drei Monaten zwischen Anmeldung und Erklärung vor. Mit diesen ersten Erklärungen rechnet man in Fulda ab dem 4. November (ein Montag), da die ersten Anmeldungen bereits rund um den 1. August erfolgt sind.

Auch in kleineren Kommunen gibt es die ersten Anmeldungen - etwa in der 15.000-Einwohner-Stadt Witzenhausen. Dort sind es bisher vier Termine für die Erklärung nach SBGG.

In Bad Nauheim sind bisher 15 Anmeldungen eingegangen. "Wir hatten uns auf einen größeren Ansturm vorbereitet", kommentiert die Stadt. Man sei darauf eingestellt, dass Anfang November noch einmal mehr Anmeldungen eingehen könnten.

Tausende Anträge bundesweit

In den größeren Städten in ganz Deutschland haben bislang insgesamt mehrere tausend Menschen eine Änderung des Geschlechtseintrags angemeldet. Allein in Berlin seien es rund 1.000 Menschen.

Der Bundestag hatte das neue Selbstbestimmungsgesetz im April beschlossen. Die Bundesregierung von jährlich rund 4.000 Menschen aus, die den Geschlechtseintrag in ihrem Pass ändern möchten.

Was bislang gilt

Das derzeit geltende Transsexuellengesetz ist über 40 Jahre alt. Danach müssen Menschen, die ihr Geschlecht im Pass ändern wollen, in zwei psychiatrischen Gutachten sehr intime Fragen beantworten.

Die Gutachten kosten mehr als 1.000 Euro und das Verfahren dauert Monate. Entscheiden muss dann ein Gericht. Das Bundesverfassungsgericht hatte Teile dieses Gesetzes mehrfach als verfassungswidrig eingestuft.

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Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe, KNA