"Sollen sie hängen, die Penner" Grüne erstatten Anzeige wegen Hetze auf Kerb in Mörfelden
Auf der Mörfelder Kerb sollte eine Puppe mit der Aufschrift "Bündnis 90 die Grünen" verbrannt werden. Deswegen müsse sich niemand Sorgen machen, beschwichtigt der Vorsitzende der "Kerweborsche". Ein Vorfall beim Aufhängen der Puppe führt jetzt aber zu einer Anzeige.
Am Montag stand der Bürgermeister von Mörfelden-Walldorf (Groß-Gerau), Thomas Winkler von den Grünen, mit einer Farbdose auf einer Drehleiter und ließ sich zu einer am Kerbebaum baumelnden Puppe in die Höhe fahren - begleitet von Pfiffen, Gejohle und Beleidigungen.
Der Grund für diese Aktion: Die "Kerweborsche" aus Mörfelden hatten der Puppe ein T-Shirt mit der Aufschrift "Bündnis 90 die Grünen" angezogen. Diesen Schriftzug wollte Bürgermeister Winkler unkenntlich machen, indem er ihn mit Farbe übersprühte. Was das Ganze brisant macht: Die Puppe, genannt "Kerwebopp", sollte am Dienstagabend traditionell verbrannt werden. Und bald könnte der Fall vor Gericht landen.
Grüne erstatten Anzeige - "Sollen sie hängen, die Penner"
Ein Video, das in den Sozialen Netzwerken kursiert, zeigt das Aufhängen der Puppe - eine Person ruft dabei: "Sollen sie hängen, die Penner", womit offenbar die Grünen gemeint sind. Die Grünen haben deswegen Anzeige gegen Unbekannt gestellt, die Person ist im Video zu hören, aber nicht zu sehen.
Eine Debatte sei okay, sagt der Vorsitzende der Grünen-Fraktion von Mörfelden-Walldorf, Ioannis Karathanasis. Gewaltaufrufe dürften aber nicht toleriert werden: "Wir konnten nicht schweigen", sagte er dem hr. Die Grünen-Mitglieder in Mörfelden seien beunruhigt, zumal bundesweit die Hetze gegen Grüne zugenommen habe.
Grüne: Erschreckend viel Verständnis
"Es ist erschreckend, wie viel Verständnis da ist bei den jungen Leuten", sagt Karathanasis über das Video, das den Bürgermeister auf der Drehleiter zeigt, der ausgebuht wird. Er wollte am Dienstag zum traditionellen Abschluss der Kerb kommen und sich die Puppen-Verbrennung ansehen. Aber: "Ich gehe mit einem sehr mulmigen Gefühl hin." Auch hätte es bisher keine Solidarität von anderen Parteien gegeben.
Die Kommentare zum Video mit dem Bürgermeister bei Facebook seien "sehr unappetitlich". In einem Kommentar wird gefordert, den Bürgermeister gegen die Puppe auszutauschen - andere weisen nur darauf hin, dass in Mörfelden-Walldorf kommenden März Bürgermeisterwahlen seien und das mit den Grünen auf demokratischen Wege gelöst werden könne.
Bürgermeister Winkler nimmt's locker
Bürgermeister Winkler hätte auch eingegriffen, wenn die Puppe den Schriftzug "CDU" oder "SPD" getragen hätte, beteuerte er auf Anfrage gegenüber dem hr. Ja, die Puppe dürfe nach Tradition verbrannt werden - allerdings nicht mit einem Parteinamen, "sonst werden rechtsradikale Tendenzen gestärkt".
"Diese Jungs müssen auch vor sich selbst geschützt werden, die bedenken ihre Aktionen nicht", sagt Winkler. Mit Jungs sind die "Kerweborsche" gemeint. "Die sind nicht meine Gegner", ist sich der Bürgermeister sicher. Der Ton sei allgemein rauer geworden.
Bürgermeister: Manche fühlen sich ausgegrenzt
In einer offiziellen Mitteilung vom Dienstag erwähnt Winkler auch die andere Seite: Es seien viele Menschen auf ihn zugekommen, die nicht mehr auf die Kerb gehen wollten und sich ausgegrenzt fühlten, berichtet er. "Bürger:innen beschwerten sich, dass ein Volksfest für die politische Agitation missbraucht würde, viele äußerten sich erschüttert und sehen die Kerwepuppe als Aufruf zu Straftaten."
Auch das habe bei ihm selbst dazu geführt, die Aktion der Kerbeburschen "nicht einfach nur sportlich" zu nehmen. "Im aktuellen politischen Klima darf man keine Hetze gegen Parteien dulden", schreibt Winkler.
Linke verurteilt Aktion als "gewaltverherrlichend"
Die Linke im Kreis Groß-Gerau verurteilte die Aktion am Dienstagabend. In einer Mitteilung bezeichnete sie die Verbrennung der Puppe als "gewaltverherrlichend". Legitime Kritik sei hierbei weit überschritten. Man begrüße das Übersprühen der Aufschrift durch Bürgermeister Winkler.
Die Kreisvorsitzende Christiane Böhm bezeichnete den Vorfall als "erschreckend und geschichtsvergessen". Der Kreis- und Ortsverband erkläre sich solidarisch mit den Grünen und fordere die Kerweborsche auf, sich klar von der Aktion zu distanzieren.
Verein distanziert sich von Parole
Der Vorsitzende des Vereins Merfeller Kerweborsch, Denis Leistner, ist unglücklich über den Verlauf der ganzen Angelegenheit, wie er am Dienstag dem hr sagte. Er bekomme viele Nachrichten von Grünen-Anhängern und sei auch im Gespräch mit Vertretern der Stadt wie dem Bürgermeister.
Es sei immer schon so gewesen, dass die Puppen der Kerbeburschen auch mal Politiker und Prominente wie Angela Merkel zeigen, oder Thomas Gottschalk, sagt Leistner, der Verein gebe da den Verantwortlichen freie Hand. Und zum Ende der Kerb würde die Puppe dann vom Baumstamm geholt und feierlich verbrannt.
Lösung für ein gutes Kerbe-Ende gesucht
Der Verein wolle nicht, dass sich jemand bei der Aktion am Abend unwohl fühle: "Es muss sich kein Grünen-Politiker Sorgen machen", sagt Leistner. Von Sprüchen wie "sollen sie hängen, die Penner" distanziere sich der Verein. "Das war keiner von uns", sagte Leistner.
Der Verein habe schon vorab Probleme verhindern wollen, der DJ sollte etwa nicht das Lied "L'amours toujours" spielen, das zuletzt immer wieder zu rassistischem und rechtsextremen Gegröle und Ermittlungen des Staatsschutzes geführt hatte. Aber mit der aktuellen Situation habe man nicht gerechnet, sagt Leistner. Er wollte noch eine Lösung finden, wie die Kerb ein gutes Ende finden könne.