Puppen-Verbrennung Staatsschutz ermittelt nach Kerb-Eklat in Mörfelden

Nach der Aufregung um die geplante Verbrennung einer Kerb-Puppe mit Grünen-Schriftzug in Mörfelden haben die Beteiligten doch noch eine versöhnliche Lösung gefunden. Ein Vorfall beim Aufhängen der Puppe beschäftigt mittlerweile jedoch den Staatsschutz.

An einem Mast hängt eine Puppe mit der Aufschrift Bündnis 90 die Grünen
Grund für den Ärger: Am Mast hängt eine Puppe mit der Aufschrift "Bündnis 90 die Grünen", die am Dienstagabend verbrannt werden soll. Bild © Facebook merfellerkerweborsch/ Screenshot hr
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Am Dienstagabend ging dann doch alles ganz gesittet über die Bühne. Zum Abschluss der Kerb in Mörfelden (Groß-Gerau) wurde der "Kerwebopp" - eine Puppe, die zuvor am Kerbebaum baumelte - traditionell verbrannt. Neben einer Scherpe trug die Figur auch eine Kappe der veranstaltenden "Kerweborsche".

Auf politische Statements wurde verzichtet. Auch die Stimmung sei friedlich gewesen, hieß es am Mittwoch aus dem Büro von Bürgermeister Thomas Winkler (Grüne).

Bürgermeister wird ausgebuht

Noch am Montag hatte der Rathauschef persönlich mit einer Farbdose in der Hand auf dem Podest eines Kranwagens gestanden und ließ sich zu der Puppe in die Höhe fahren - begleitet von Pfiffen, Gejohle und Beleidigungen.

Der Grund für diese Aktion: Die "Kerweborsche" hatten der Puppe ein T-Shirt mit der Aufschrift "Bündnis 90/Die Grünen" angezogen. Diesen Schriftzug wollte Bürgermeister Winkler noch vor der öffentlichen Verbrennung mit Farbe unkenntlich machen. Vor Gericht könnte der Fall dennoch bald landen.

Staatsschutz ermittelt

Ein Video, das in den Sozialen Netzwerken kursiert, zeigt das Aufhängen der Puppe - eine Person ruft dabei: "Sollen sie hängen, die Penner", womit offenbar die Grünen gemeint sind. Die Grünen haben deswegen Anzeige gegen Unbekannt gestellt, die Person ist im Video zu hören, aber nicht zu sehen. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf.

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Eine Debatte sei okay, sagt der Vorsitzende der Grünen-Fraktion von Mörfelden-Walldorf, Ioannis Karathanasis. Gewaltaufrufe dürften aber nicht toleriert werden: "Wir konnten nicht schweigen", sagte er dem hr. Die Grünen-Mitglieder in Mörfelden seien beunruhigt, zumal bundesweit die Hetze gegen Grüne zugenommen habe.

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Zahl der Angriffe auf Politiker gestiegen

Das Landeskriminalamt hat im vergangenen Jahr rund 200 Angriffe auf hessische Politiker registriert. Das ist laut einer hr-Recherche ein neuer Höchststand und im Vergleich zum Jahr 2019 eine Verzehnfachung. Bei den meisten Fällen handelte sich um Beleidigungen, Nötigungen und Bedrohungen, am häufigsten traf es die Grünen (86 Mal), gefolgt von der AfD (44). Innenminister Roman Poseck bezeichnete die Entwicklung als "sehr gefährlich".

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Grüne: Erschreckend viel Verständnis

"Es ist erschreckend, wie viel Verständnis da ist bei den jungen Leuten", sagt Karathanasis über das Video, das das Ausbuhen des Bürgermeisters auf dem Kranwagen zeigt.

An einem Mast hängt eine Puppe mit der Aufschrift Bündnis 90 die Grünen
Bürgermeister Thomas Winkler (Grüne) steht auf einer Drehleiter und überspüht den Schriftzug "Bündnis 90 die Grünen" Bild © Facebook merfellerkerweborsch/ Screenshot hr

Die Kommentare zum Video bei Facebook seien "sehr unappetitlich". In einem wird gefordert, den Bürgermeister gegen die Puppe auszutauschen. Andere weisen nur darauf hin, dass in Mörfelden-Walldorf kommenden März Bürgermeisterwahlen seien und das mit den Grünen auf demokratischen Wege gelöst werden könne.

"Rechtsradikale Tendenzen gestärkt"

Bürgermeister Winkler hätte auch eingegriffen, wenn die Puppe den Schriftzug "CDU" oder "SPD" getragen hätte, beteuerte er auf Anfrage gegenüber dem hr. Ja, die Puppe dürfe nach Tradition verbrannt werden - allerdings nicht mit einem Parteinamen, "sonst werden rechtsradikale Tendenzen gestärkt".

"Diese Jungs müssen auch vor sich selbst geschützt werden, die bedenken ihre Aktionen nicht", sagte Winkler. Mit Jungs sind die "Kerweborsche" gemeint. "Die sind nicht meine Gegner", ist sich der Bürgermeister sicher. Der Ton sei allgemein rauer geworden.

Bürgermeister: Manche fühlen sich ausgegrenzt

In einer offiziellen Mitteilung vom Dienstag erwähnte Winkler auch die andere Seite: Es seien viele Menschen auf ihn zugekommen, die nicht mehr auf die Kerb gehen wollten und sich ausgegrenzt fühlten, berichtete er. "Bürger:innen beschwerten sich, dass ein Volksfest für die politische Agitation missbraucht würde, viele äußerten sich erschüttert und sehen die Kerwepuppe als Aufruf zu Straftaten."

Auch das habe bei ihm selbst dazu geführt, die Aktion der Kerbeburschen "nicht einfach nur sportlich" zu nehmen. "Im aktuellen politischen Klima darf man keine Hetze gegen Parteien dulden", schrieb Winkler.

Auch Innenminister äußert sich

Die Linke im Kreis Groß-Gerau verurteilte die Aktion. In einer Mitteilung bezeichnete sie die Verbrennung der Puppe als "gewaltverherrlichend". Legitime Kritik sei hierbei weit überschritten. Man begrüße das Übersprühen der Aufschrift durch Bürgermeister Winkler und fordere die Kerweborsche auf, sich klar von der Aktion zu distanzieren.

Auch Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) äußerte sich zum Kerb-Eklat: Die Aktion stehe "beispielhaft für eine hoch gefährliche Verrohung der politischen Debatte" und richte sich damit gegen die Demokratie insgesamt. Dem müsse man geschlossen entgegentreten und zugleich rechtsstaatliche Grenzen setzen.

Verein distanziert sich von Parole

Der Vorsitzende des Vereins Merfeller Kerweborsch, Denis Leistner, ist unglücklich über den Verlauf der ganzen Angelegenheit, wie er am Dienstag dem hr sagte. Er bekomme viele Nachrichten von Grünen-Anhängern und sei auch im Gespräch mit Vertretern der Stadt wie dem Bürgermeister.

Es sei immer schon so gewesen, dass die Puppen der Kerbeburschen auch mal Politiker und Prominente wie Angela Merkel zeigen, oder Thomas Gottschalk, sagt Leistner, der Verein gebe da den Verantwortlichen freie Hand. Und zum Ende der Kerb würde die Puppe dann vom Baumstamm geholt und feierlich verbrannt.

Von Sprüchen wie "sollen sie hängen, die Penner" distanziere sich der Verein. "Das war keiner von uns", sagte Leistner.

Gütliches Ende gefunden

Der Verein habe schon vorab Probleme verhindern wollen, der DJ sollte etwa nicht das Lied "L'amours toujours" spielen, das zuletzt immer wieder zu rassistischem und rechtsextremen Gegröle und Ermittlungen des Staatsschutzes geführt hatte. Aber mit der aktuellen Situation habe man nicht gerechnet.

Die letztlich gefundene Lösung mit Kappe und Scherpe des eigenen Vereins sollte die Kerb zu einem guten Ende bringen, hoffte Leistner im Vorfeld der Verbrennung. Bei der Stadt kam es offenbar gut an: "Sie haben die Kritik und Bedenken wahrgenommen und umgesetzt", sagte ein Sprecher am Mittwoch.

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Quelle: hessenschau.de