175 Jahre Nationalversammlung Steinmeier: Revolution und Paulskirche gehören zusammen

Mit einem Festakt ist in der Frankfurter Paulskirche das 175. Jubiläum der Nationalversammlung gefeiert worden. Bundespräsident Steinmeier würdigte sie als "unersetzlichen Schritt zu Demokratie und Freiheit". Frauen durften damals an der Versammlung allerdings nicht teilnehmen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht während des Festakts in der Paulskirche
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht während des Festakts in der Paulskirche Bild © picture-alliance/dpa
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Großer Festakt in der Paulskirche – Die Demokratie feiert Geburtstag

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Rede in der Frankfurter Paulskirche.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag (18.05.2023) die vor 175 Jahren zusammengetretene Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche als Wegbereiterin der Demokratie gewürdigt. "Es war der Moment, als Untertanen zu Bürgern wurden", sagte er in seiner Festrede. "Revolution und Paulskirche gehören zusammen."

Die Abgeordneten der Nationalversammlung waren am 18. Mai 1848 erstmals zusammengetreten, um eine freiheitliche Verfassung für ganz Deutschland zu erarbeiten. Diese war allerdings nie in Kraft getreten.

Mutige Menschen hätten hier etwas auf den Weg gebracht, das "ein unersetzlicher Schritt war auf dem langen Weg zu Demokratie und Freiheit in einem einigen Deutschland", sagte Steinmeier. Das Paulskirchenjubiläum zu feiern, sei auch ein "Zeichen gegen die Verächter unserer parlamentarischen Demokratie".

Bundespräsident gegen neuen Nationalismus

Der Bundespräsident wandte sich in seiner Rede gegen die Instrumentalisierung des Erbes der Nationalversammlung und der Revolution von 1848 durch diejenigen, die mit deren Werten nichts gemeinsam haben.

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Paulskirchen-Jubiläum: Der Festakt

hs 18.05.2023
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"Auf Schwarz-Rot-Gold kann sich deshalb heute nicht berufen, wer neuen Nationalismus schürt und autoritäres Denken propagiert", so Steinmeier. "Wer unsere Demokratie verachtet, hat kein Recht auf Schwarz-Rot-Gold."

Frankfurt als "Stadt der Demokratie"

In seinem Grußwort stellte Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) die Rolle Frankfurts als "Stadt der Demokratie" in den Mittelpunkt. Er nahm Bezug auf den ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck, der Frankfurt einst als "Demokratennest" geschmäht habe. "Wir fassen das bis heute als Ehrentitel auf", sagte Josef.

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Der Oberbürgermeister stellte Frankfurt als prädestiniert für das erste gesamtdeutsche Parlament vor 175 Jahren dar. Anders als in anderen Landesteilen habe 1848 in Frankfurt kein König oder Fürst geherrscht, sondern das Bürgertum. "Frankfurt war eine freie Bürgerstadt", so Josef.

Ministerpräsident Rhein: "Frauen nicht einmal mitgemeint"

Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) würdigte die Errungenschaften der Nationalversammlung in der Paulskirche als "in der damaligen Zeit revolutionär". Er verwies allerdings auch auf das Defizit, dass damals nur Männer an der Versammlung teilnehmen durften. "Frauen waren nicht einmal mitgemeint", so Rhein.

Es habe noch lange gedauert bis zur Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland. Rhein verwies auf die Hessin Elisabeth Selbert, die 1948 und 1949 dafür kämpfte, die Formulierung "Frauen und Männer sind gleichberechtigt" ins Grundgesetz aufzunehmen.

Bundestagspräsidentin besorgt über Hass auf Politiker

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) betonte die Bedeutung von Kontroverse, aber auch von Kompromissbereitschaft und Dialog im Parlamentarismus. "Was unsere Demokratie definitiv nicht braucht, ist, wenn mit Lügen und Hass die Grundwerte unseres Zusammenleben untergraben werden", sagte Bas.

Besorgt zeigte sie sich über Hass und Verachtung gegen Parlamentarier, die besonders dramatische Folgen hätten, wenn sich ehrenamtliche Kommunalpolitiker aus Angst zurückzögen.

Solidarität mit Menschen in autoritären Regimen

Die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) mahnte dazu, besonders an diejenigen zu denken, die in undemokratischen Regimen leben und dort für Freiheit und demokratische Grundrechte kämpfen. Als Beispiele nannte sie den Iran, Afghanistan, Syrien und die Ukraine. "Diese Menschen brauchen unsere Solidarität."

Eine Frau in braunem Blazer steht hinter einem Rednerpult.
Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg bei ihrer Rede in der Paulskirche. Bild © picture-alliance/dpa

Sie berichtete aus ihrer Jugend im Iran und ihrer Flucht nach Deutschland. "Für die Menschen, die wie ich nicht in einem demokratischen Land geboren sind, sind Tage wie heute unbeschreiblich wichtig", so Eskandari-Grünberg. "Es berührt mich persönlich sehr, wenn demokratische Werte gewürdigt und nicht bekämpft werden", sagte die Bürgermeisterin weiter.

Kommunales Wahlrecht für Ausländer gefordert

Zu einem Appell für demokratische Teilhabe für alle nutzte die Frankfurter Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner (Grüne) die Veranstaltung.

"Seien wir mutig. Seien wir großzügig. Teilen wir unsere Demokratie mit den Menschen, die in unseren Städten und Gemeinden leben", forderte sie ein kommunales Wahlrecht auch für die Ausländerinnen und Ausländer ohne EU-Pass, die seit längerem in Deutschland leben.

Vier Tage Demokratiefest in der Stadt

Bei dem Festakt in der Paulskirche trat auch die Soulsängerin Joy Denalane auf. Außerdem wurden Textauszüge aus Reden der Nationalversammlung im Jahr 1848 vorgetragen.

Eine Sängerin mit gelockten Haaren hält lachend ein Mikrofon in der Hand.
Sängerin Joy Denalane bei ihrem Auftritt in der Paulskirche. Bild © picture-alliance/dpa

Die Veranstaltung markierte den Auftakt eines viertägigen Bürgerfestes zum Jubiläum der Nationalversammlung. Vom 18. bis 21. Mai gibt es an vielen Orten in Frankfurt Konzerte, Theaterstücke, Diskussionen und Mitmachstationen. Die Highlights der Frankfurter Festtage haben wir hier aufgeführt.

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau extra, 18.05.2023, 11 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Marcel Sommer, dpa/lhe

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