Stiftung verlost "Grunderbe" in Frankfurt "Das Leben vieler Menschen wird vom Vermögen der Eltern bestimmt"
20.000 Euro einfach so auf die Hand - wer würde da "nein" sagen? Am Mittwoch wird ein Einwohner oder eine Einwohnerin der westlichen Stadtteile von Frankfurt ein "Grunderbe" in genau dieser Höhe zugesprochen bekommen. Ermittelt werden Erbe oder Erbin per Los.
Es ist eine Art Tombola, allerdings mit gesellschaftlichem Anspruch. Am Mittwoch wird im Volkshaus Sossenheim im gleichnamigen Stadtteil Frankfurts ausgelost, wer ein sogenanntes Grunderbe in Höhe von 20.000 Euro erhält. Die Teilnahme steht grundsätzlichen allen Einwohnerinnen und Einwohnern des Stadtbezirks Frankfurt-West, die deutsche Staatsbürger und im Jahr 1993 geboren sind, offen.
Hinter der Verlosung steckt die Stiftung "Ein Erbe für Jeden", die sich für mehr Chancengleichheit einsetzt und daher grundsätzlich dafür kämpft, dass jeder einmal in seinem Leben eine Art Erbe erhält. Der Gründer der Stiftung, Christoph Prüm, spricht im Interview über das Projekt und seine Hintergründe.
hessenschau.de: Herr Prüm, Sie haben die Stiftung "Ein Erbe für Jeden" 2010 mit ins Leben gerufen. Seit 2022 verlosen Sie und Ihre Stiftung jährlich ein sogenanntes "Grunderbe" von 20.000 Euro an drei zufällig ausgewählte Personen in Deutschland. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Christoph Prüm: Der Grund ist einfach: Ausgangsgerechtigkeit. Das Leben vieler meiner Altersgenossen war vom Vermögen ihrer Eltern bestimmt. Das treibt mich schon sehr lange um. Ich finde, in einer Demokratie sollte das nicht so sein. Wir denken, dass jeder Mensch, der auf die Welt kommt, der auf der Welt lebt, einen Anspruch auf ein Stück von dieser Welt hat.
hessenschau.de: 20.000 Euro sind natürlich viel Geld, aber auch nicht unbedingt die Welt. Ein Haus kann man damit nicht erwerben. Man könnte sagen, eigentlich ist das nicht mal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein...
Prüm: Also für die Empfänger - das sind ja in den vier Jahren insgesamt zwölf Leute - ist das nicht symbolisch. Für die ist das sehr konkret. Wir haben festgestellt, dass 20.000 Euro für sehr viele junge Erwachsene richtig viel Geld ist. So viel Geld, dass sie nicht gedacht hätten, dass sie es einmal in einem Stück zur freien Verfügung in die Hand bekommen würden. Das hat uns auch ein kleines bisschen erstaunt.
hessenschau.de: An dem grundsätzlichen Problem der Ausgangsgerechtigkeit, wie Sie es nennen, ändern 20.000 Euro aber nichts.
Prüm: Ja, aber stellen Sie sich vor, das Grunderbe würde einmal im Leben an jede Person ausgezahlt, so wie es uns vorschwebt. Mit 20.000 Euro alleine kauft man kein Haus. Aber wenn zum Beispiel ein Paar sich zusammentut, um ein Haus zu kaufen oder zu bauen, dann sind 40.000 Euro Eigenkapital doch schon eine kleine Hilfe.
hessenschau.de: Dennoch ist die Aktion Ihrer Stiftung im Moment zumindest noch ein Experiment.
Prüm: Das ist richtig. Wir versuchen herauszufinden, wie man das machen kann, Gelder direkt an junge Erwachsene in Deutschland zu verteilen, nach einem möglichst gerechten Schema. Es geht wirklich darum, erste Erfahrungen, erste Zahlen für die Wissenschaft und die Politik zu liefern. Und auch Fallbeispiele. Wir versuchen die Idee einfach mal konkret zu machen. Und natürlich wollen wir wissen, was das mit den Leuten macht, die das Geld bekommen.
hessenschau.de: Eine der Voraussetzungen, um in den Lostopf zu kommen, ist, dass man im vergangenen Jahr 30 geworden ist – also im Jahr 1993 geboren. 25-Jährige oder Menschen jenseits der 40 könnten mit 20.000 Euro bestimmt auch etwas anfangen. Wozu also diese konkrete Altersbeschränkung?
Prüm: Die Idee des Grunderbes ist ja, dass jeder das einmal in seinem Leben bekommt. Also muss man ein bestimmtes Alter festsetzen, in dem das Grunderbe ausgeschüttet wird. Wir fänden 18 Jahre sehr früh und denken, es wäre besser, dieses Startkapital auszuschütten, wenn jemand schon mal ein bisschen gearbeitet und Lebenserfahrungen gemacht hat. Deswegen haben wir uns für 30 entschieden.
hessenschau.de: Eine weitere Bedingung ist, dass die Empfänger das Geld nicht gleich ausgeben, sondern zunächst drei Jahre lang anlegen. Wäre es nicht konsequenter, den Menschen gleich zu überlassen, was sie mit dem Geld anfangen?
Prüm: Wir sehen das als Hilfestellung. Ein Teil der Menschen in dem Alter ist es nicht gewohnt, Geld zu haben. Wir glauben, dass bei einigen die Gefahr besteht, dass sie es sehr schnell ausgeben und das später bereuen. Es gibt ganze Gesellschaftsschichten, in denen Geld oder Kapital zu halten nicht üblich ist. Das wird nicht gelehrt. Und da sind diese drei Jahre eine Hilfe. Wir glauben, dass sie nach dieser Zeit überlegter mit dem Geld umgehen und keine Kurzschluss-Entscheidung treffen.
hessenschau.de: Wie haben denn die bisherigen "Erben" den Betrag angelegt?
Prüm: Die ersten Empfänger gab es 2022. Das heißt, dass wir erst Ende nächsten Jahres genaueres wissen. Von einer Frau haben wir erfahren, dass sie das Geld in einem Bausparvertrag angelegt hat. Sie steuert auf ihren Traum vom Eigenheim zu. Aber sonst haben die meisten das Geld bei der Bank angelegt, ganz klassisch. Mehr erfahren wir dann 2025. Denn eine weitere Teilnahmebedingung ist ja, dass die Empfänger einmal im Jahr für ein kurzes Interview zur Verfügung stehen.
hessenschau.de: Dieses Jahr wird das Grunderbe unter anderem unter den 30-jährigen Einwohnerinnen und Einwohnern der westlichen Frankfurter Stadtteile ausgelost. Ist die Ortswahl zufällig oder erfolgt sie nach sozialen Kriterien?
Prüm: Wir wählen nicht nach sozialen Kriterien aus. Wir denken, dass das Grunderbe ein Recht ist. Und weil es ein Recht ist, maßen wir uns nicht an, da irgendwie eine Auswahl zu treffen. Wir losen in einem ersten Schritt die Orte oder Gebiete aus, in die das Grunderbe dieses Jahr fallen wird. Und in einem zweiten Schritt losen wir dann in diesem Gebiet unter denjenigen, die sich anmelden, das eigentliche Grunderbe aus.
hessenschau.de: Wie lange können Sie dieses Experiment denn noch fortsetzen, ehe Ihnen die Mittel ausgehen?
Prüm: Wir sind eine ganz kleine Stiftung. Die Gelder, die wir jetzt ausschütten, stammen von einem Freund von mir. Im Augenblick sind wir finanziert bis Ende nächsten Jahres. Wie es danach weitergeht, ist völlig offen. Wenn es interessierte Menschen gibt, die wollen, dass das Projekt weitergeht, dann müssten sie es weiterführen oder investieren. Ansonsten beenden wir dieses Experiment und fassen die Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, zusammen.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 17.04.2024, 19.30 Uhr
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