Streik auf Rastplatz Gräfenhausen Lkw-Fahrer sprechen von knapp 100.000 Euro Lohnrückstand
Noch immer streiken osteuropäische Lkw-Fahrer am Rastplatz Gräfenhausen. Einen Teil ihres Lohns haben sie inzwischen erhalten. Doch noch immer schulde der polnische Spediteur ihnen rund 100.000 Euro, sagen sie. Der Spediteur weist die Forderungen zurück.
Immer wieder hupt es auf der A5 - ohrenbetäubended laut. Es sind Lkw-Hupen - sie dröhnen beim Vorbeifahren am Rastplatz Gräfenhausen bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg). Es ist ein Zeichen der Solidarität mit denjenigen, die dort streiken.
Der Streik dauert an - seit nunmehr einem Monat. Schon längst ist ein Politikum daraus geworden. Am Montag hatte die EU-Abgeordnete Gaby Bischoff (SPD) die Streikenden besucht, tags darauf debattierte das EU-Parlament über die Situation der Lkw-Fahrer. Auch am Donnerstagmorgen gab es Besuch: von der Polizei. Dies war aber laut Edwin Atema von der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft lediglich eine Routine-Kontrolle.
Wohl auch zur Sicherheit der 65 Lkw-Fahrer: In der Vergangenheit waren sie unter Druck geraten - an Karfreitag schickte deren polnischer Spediteur eine Art Privat- Miliz in einem gepanzerten Fahrzeug, um den Streik zu beenden. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und nahm mehrere Sicherheitsmitarbeiter vorübergehend fest.
Insgesamt noch 100.000 Euro Lohnrückstand
Monatelang sei nicht bezahlt worden, sagen die Fahrer. Rund 80 Euro am Tag sei ihnen versprochen worden. Davon fehlten noch insgesamt knapp 100.000 Euro. Dieser Forderung haben die Streikenden plakativ Ausdruck verliehen: An der Seite eines Lkw-Aufliegers haben sie die Summe großflächig angebracht - neben den Namen ihres Spediteurs.
Ebenjener Spediteur aus Polen lässt über seinen Anwalt mitteilen, dass die Forderungen "über ihre vertraglichen Ansprüche hinausgehen". Auch etwaige Lohnkürzungen seien vorher mit den Fahrern abgesprochen. Der Protest sei für das Unternehmen "völlig überraschend" gekommen, hieß es in einer Mitteilung vom Dienstag.
Edwin Atema widerspricht dieser Darstellung. Der Gewerkschafter der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft vertritt die Lkw-Fahrer, die vor allem aus Georgien und Usbekistan kommen, in den Verhandlungen. Nicht nur seien die Gehälter noch nicht vollständig ausbezahlt. Auch habe der Spediteur gar keine richtigen Verträge aufgesetzt. Oft seien es mündliche Vereinbarungen gewesen, die ihm zufolge getroffen wurden.
Auch habe der Spediteur persönliche Dokumente der Fahrer einbehalten, sogenannte Qualifikationsdokumente für ihren Job. Atema vermutet, dass der Spediteur damit verhindern wollte, dass sich die Fahrer einen anderen Arbeitgeber suchen.
Streik dauert seit Wochen an - Ende unklar
Ein Ende des Streiks sei daher nicht absehbar. Obwohl bereits einige Fahrer Mitte April die erste Zahlung erhalten haben, streiken dennoch alle weiter - aus Solidarität mit denen, die noch nicht bezahlt wurden. Atema spricht dem hr gegenüber von einer Summe von insgesamt rund 300.000 Euro, die am Anfang gefehlt habe.
200.000 Euro seien mittlerweile auf den Konten der meisten Fahrer angekommen, fehlten also noch knapp 100.000 Euro - also durchschnittlich 1.500 Euro für jeden der Fahrer. Bei einigen Fahrern stünden allerdings mehr Lohn aus, als bei anderen.
Der Gewerkschafter gibt sich dennoch optimistisch, dass der Streik bald beendet werden könne. "Ich habe allen Glauben daran", sagte Atema. Spätestens "wenn jemand einen Koffer mit 100.000 Euro hier abstellt", dann wäre Schluss.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 20.4.2023, 19.30 Uhr
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