Wintersemester 2024/25 "Es drohen immer mehr Studienabbrüche aus Geldmangel"
Finanzieren geht über Studieren? Für immer mehr Menschen ist ein Studium zu teuer. Warum ärmere Studierende zunehmend abgehängt werden und wann Nebenjobs zum Problem werden, erklärt Matthias Anbuhl vom Deutschen Studierendenwerk.
Wegen explodierender Mieten, steigender Heizkosten und immer höherer Lebensmittelpreise ist Studieren mittlerweile so kostspielig, dass es sich immer weniger Menschen leisten können. Auch an den 37 Hochschulen in Hessen brechen viele Studierende ab - Fachkräfte, die künftig fehlen könnten.
Die genaue Anzahl der gut 275.000 Studierenden in Hessen, die 2023 ihr Studium aus finanziellen Gründen abbrechen mussten, ist nicht bekannt. Allerdings zeigen allgemeine Studienabbruchquoten, dass finanzielle Schwierigkeiten ein häufiger Grund für Studienabbrüche sind.
Was den Studierenden am häufigsten das Genick bricht und warum das Bafög als Studienfinanzierung nicht ausreicht, erklärt der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerkes, Matthias Anbuhl im Interview.
Die Fragen stellte Oliver Glaap.
Ende der weiteren Informationenhessenschau.de: Wieviel Geld brauchen Studierende pro Monat?
Matthias Anbuhl: Ein Studium ist recht teuer. Man muss davon ausgehen, dass Studierende etwas mehr als 1.000 Euro pro Monat brauchen. Ein guter Anhaltspunkt ist das Unterhaltsrecht. Studierende, die nicht bei ihren Eltern leben, haben den Anspruch, von ihren Eltern 930 Euro zu bekommen, dazu kommen Zuschläge für Kranken- und Pflegeversicherung, so dass man bei 1.070 Euro im Schnitt landet.
hessenschau.de: Teure Mieten - besonders im Rhein-Main-Gebiet - hohe Heizkosten, stark gestiegene Lebensmittelpreise: Was belastet den Geldbeutel der Studierenden am meisten?
Matthias Anbuhl: Einmal tatsächlich die Mietausgaben. Eine Auswertung vom Statistischen Bundesamt sagt, Studierende geben von ihrem Einkommen etwa 54 Prozent für die Miete aus. Bei der Normalbevölkerung sind das im Schnitt 25 Prozent. Eigentlich hängt auch schon die Frage, wo und an welcher Hochschule ich studiere, davon ab, ob ich mir in dieser Stadt die Miete leisten kann.
Der zweite große Punkt ist die Ernährung, die Lebensmittelpreise sind seit der Inflation stark gestiegen. Rund 210 Euro geben Studierende im Monat dafür aus. Auch das ist ein großer Posten.
hessenschau.de: Viele Studierende müssen ihr Studium aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen abbrechen oder unterbrechen. Wird sich diese Entwicklung noch verschärfen?
Matthias Anbuhl: Das kann natürlich passieren, weil wir starke Kostensteigerungen gerade im Bereich Energie und Lebensmittel hatten. Und die Studienfinanzierung hat nicht mitgehalten. Bisher ist es so, dass die Eltern eigentlich das Studium ihrer Kinder finanzieren. Dann gibt es den Nebenjob und dann das Bafög, also die Studienfinanzierung für Studierende, die aus schlechter gestellten Elternhäusern kommen.
Beim Bafög haben die Bedarfssätze in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht mit der Preisentwicklung und der Einkommensentwicklung schrittgehalten. Und deswegen reicht ein Bafög auch häufig nicht zum Leben. Wenn man das nicht ändert, drohen uns immer mehr Studienabbrüche aus Geldmangel.
hessenschau.de: Zum Semesterbeginn jetzt wurden der BAföG-Bedarfssatz, die Wohnkostenpauschale und Freibeträge auf das Einkommen doch erhöht, pauschal um fünf Prozent. Reicht das immer noch nicht aus?
Matthias Anbuhl: Nein, das tut es nicht. Beispiel Miete: Eine neue Marktforschungsanalyse sagt, ein durchschnittliches WG-Zimmer bundesweit kostet im Schnitt etwa 489 Euro, beim Bafög bekommt man für das Wohnen 380 Euro. Damit kann man sich in kaum einer Stadt ein WG-Zimmer leisten.
Und auch beim Grundbedarf für Essen, Trinken, Heizen, liegt der Betrag beim Bafög nach der Erhöhung jetzt bei 475 Euro. Beim Bürgergeld liegt er bei 563 Euro. Das ist das, was die Bundesregierung als Existenzminimum definiert hat. Studierende essen, trinken und heizen aber nicht weniger als andere Menschen, sie sind auch keine Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse. Das heißt, das Bafög reicht zum Leben nicht aus.
hessenschau.de: Das heißt, ohne Nebenjob kommt kaum ein Studierender aus?
Matthias Anbuhl: Ungefähr zwei Drittel aller Studierenden jobben nebenbei, im Durchschnitt 15 Stunden pro Woche. Es gibt Untersuchungen, die sagen, ab zehn Stunden aufwärts wird es mit dem Nebenjob kritisch für den Studienerfolg. Letztendlich soll man sich auf das Studium konzentrieren, die meisten studieren ja Vollzeit. Deswegen ist auch dieser Trend kritisch zu sehen. Der Nebenjob darf nicht überhandnehmen.
hessenschau.de: Wer viel jobben muss, studiert ja auch länger. Was ist daran das Problem?
Matthias Anbuhl: Ein langes Studium kann ein Problem beim Bafög werden. Bisher war die Förderhöchstdauer beim Bafög an die Regelstudienzeit gekoppelt. Aber nur ein Drittel aller Studierenden schafft mittlerweile das Studium in der Regelstudienzeit. Dann droht das Bafög als Studienfinanzierung bei ärmeren Studierenden kurz vor dem Bachelor wegzubrechen.
Das ist ein Problem, auf das die Bundesregierung jetzt reagiert hat. Es gibt die Möglichkeit, das Bafög noch ein Semester zu verlängern. Besser wären hier allerdings zwei Semester, damit die Studierenden auch eine gewisse Sicherheit haben.