Teilhabe durch Mobilität Wer fördert den Umbau eines Autos für Menschen mit Behinderung?

Für Menschen mit Behinderung muss ein Auto häufig umgebaut werden. Ein Blick auf Hessen zeigt, dass die Kosten dafür oft übernommen werden - doch von welcher Stelle ist von Fall zu Fall verschieden.

Ida Runzheimer steht mit ihrem Rollstuhl vor der Rampe des Autos.
Ida Runzheimer steht mit ihrem Rollstuhl vor der Rampe des umgebauten Familienautos. Bild © hr
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Reiner Bender aus Runkel-Wirbelau (Limburg-Weilburg) fährt täglich zur Arbeit. Obwohl der 60 Jahre alte Lehrer querschnittgelähmt ist, kann er das alleine machen, denn seit einigen Wochen ist sein Auto fertig umgebaut: Der Fahrersitz fährt auf Knopfdruck aus der Tür heraus. So kann Bender vom Rollstuhl ins Auto einsteigen und losfahren. Gas und Bremse bedient er dabei mit seinen Händen und den Rollstuhl kann er vor dem Start mit einer Hebebühne auf den Rücksitz fahren lassen.

Menschen mit Behinderung soll der Weg zur Arbeit erleichtert werden

"Für mich war es keine Alternative, mich aus dem beruflichen und privaten Leben zurückzuziehen. Dass ich umsetzen kann, was mir wichtig ist, das macht ganz viel aus im Leben", sagt Bender. Ohne finanzielle Hilfe vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) hätte er seinen Traum von der Selbstständigkeit aber nicht stemmen können. Der Verband hat die kompletten 70.000 Euro Umbaukosten des Autos übernommen.

Vor etwas mehr als 20 Jahren hatte Bender einen Autounfall. Er kam bei nasser Fahrbahn von der Straße ab und fuhr gegen einen Baum. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. Angst davor, sich wieder hinters Steuer zu setzen, habe er nicht. "Ich habe natürlich mit mir gerungen, aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich meinen Tagesablauf gerne selbst bestimmen möchte." Letztlich nur über das Auto habe er diese Selbstständigkeit erreichen und die ganze Familie entlasten können.

In Benders Fall hat der LWV die Umbaukosten übernommen, weil es unter anderem für verbeamtete Lehrer dort die Möglichkeit gibt, eine sogenannte Kraftfahrzeug-Hilfe zu beantragen, die den Weg zur Arbeit erleichtert. Etwa 60 weitere solcher Förderungen hat der Verband im vergangenen Jahr bewilligt.

Die Sozialämter der Landkreise unterstützen Kinder und Jugendliche

Nicole Runzheimer aus Reiskirchen (Gießen) musste sich mit einem ähnlichen Anliegen an eine andere Stelle wenden: an das Sozialamt im Kreis Gießen. Die Sozialämter sind unter anderem für Kinder im Schulalter zuständig - Kinder wie die achtjährige Ida: Sie sitzt von klein auf im Rollstuhl, wegen spinaler Muskelatrophie. Früher musste Nicole Runzheimer ihre Tochter aus eigener Kraft ins Auto heben. Das sei auch wegen des Rollstuhls so kompliziert gewesen, dass Ida öfter mal zu Hause bleiben musste. Mittlerweile kann Ida aber jederzeit mitfahren. Dank einer Hebebühne im Kofferraum dauert das Einsteigen weniger als zwei Minuten.

Ida und Nicole Runzheimer am umgebauten Auto
Ida und Nicole Runzheimer an der Rampe des umgebauten Familienautos. Bild © hr

"Wir wollen Ida so normal wie möglich in alles einbinden. Und da gehört es dazu, dass ich sie auch mal zum Einkaufen mitnehme oder meinen Vater im Altenheim mit ihr besuche", sagt ihre Mutter. Vorher habe sie oft gewartet, bis ihr Mann oder jemand anderes auf Ida aufpassen kann - Ida blieb also auch häufiger mal zu Hause. Inklusion bedeute aber, mittendrin sein zu können, sagt Nicole Runzheimer. "Es geht nicht darum, ständig besondere Ausflüge möglich zu machen, sondern darum, dass Ida am ganz normalen Alltag teilhaben kann."

Die 44-Jährige hat zunächst auch beim LWV einen Antrag gestellt, später aber herausgefunden, dass das Sozialamt für ihre Tochter zuständig ist. Und ein halbes Jahr nach dem Antrag dort wurden die Umbaukosten in Höhe von 8.000 Euro übernommen. Generell sei es für Betroffene allerdings schwer, sich einen Überblick zu verschaffen. "Viele wissen nicht, wo und wie man einen Antrag stellen kann. Aber es lohnt sich."

Keine zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung in Hessen

Es gibt zwar eine Fülle an Förderstellen für Menschen mit Behinderung. Aber, weil es von Fall zu Fall unterschiedlich ist, gibt es keine zentrale Stelle, wo man die Anträge für eine Kfz- oder Eingliederungshilfe einreichen kann. Das bestätigt auch der LWV dem hr. Bei der Suche nach der richtigen Förderstelle können die Betroffenen allerdings unterstützt werden: Zum Beispiel hilft die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung in Hessen (EUTB) weiter, wenn es um soziale Teilhabe geht. 

Laut LWV gibt es zudem für Behörden immerhin die Vorgabe, einen eingegangenen Antrag an die entsprechend zuständige Stelle weiterzuleiten. "Alle Behörden beraten interessierte Personen und geben Hinweise zur Antragstellung. Es ist daher anzuraten, zunächst den Kontakt zu einer naheliegenden Behörde zu suchen", empfiehlt der Verband.

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Wer ist für Kfz- und Eingliederungshilfen in Hessen zuständig?

Die Zuständigkeit ist laut dem Landeswohlfahrtsverband davon abhängig, "welchem Zweck ein Fahrzeug dienen soll". Unterschieden wird zwischen der Teilhabe am Arbeitsleben und der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Bei jedem Träger gilt: Übernommen werden in der Regel nur die für den Umbau nötigen Kosten. Und das auch nur für Menschen, die durch ihre Behinderung wesentlich im Alltag oder im Berufsleben eingeschränkt sind und für die es darüber hinaus keine Option ist, auf Bus, Bahn oder Taxidienste zurückzugreifen. (Quelle: LWV Hessen)

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Mehrere hundert Menschen mit Behinderung in Hessen betroffen

Wie viele Menschen mit Behinderung in Hessen auf die finanzielle Unterstützung angewiesen sind, zeigt ein Blick ins Corona-Jahr 2021: Allein der LWV hat hier für 181 Personen Eingliederungshilfen in Höhe von insgesamt 531.000 Euro bewilligt. Die Kfz-Hilfen in etwa 60 weiteren Fällen im selben Jahr kommen noch hinzu. Darüber hinaus zahlen unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kreissozialämter, die Agentur für Arbeit oder die Unfall- bzw. Rentenversicherung die Kosten für einen Fahrzeugumbau.

In Mittelhessen hat sich die Firma Gross aus Wettenberg (Gießen) auf solche Umbauten spezialisiert – und berät mehr als hundert Kunden pro Jahr. Auch hier kann den Menschen im Zweifel mit einer Beratung geholfen werden. "Auf jeden Fall ist es wichtig, eine mögliche Ablehnung bei den Förderstellen nicht hinzunehmen und zu kämpfen", sagt Mitarbeiter Carsten Strack, der selber querschnittsgelähmt ist und im Rollstuhl sitzt. Da es aber eben keine zentrale Anlaufstelle in Hessen gibt, könne es dauern, bis der Antrag beim zuständigen Träger landet.

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Sendung: hr4, 16.01.2023, 15.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Katrin Kimpel