Nutzer-Kritik an hohen Vermittlungshürden Tierheime hoffnungslos überbelegt – selbst schuld?

"Wir können nicht mehr." So verkündet der Landestierschutzbund den Aufnahmestopp in vielen Tierheimen. Selbst schuld, schreiben frustrierte hessenschau.de-Nutzerinnen und Nutzer. Die Vermittlungshürden seien zu hoch. Stimmt das?

Eine Katze streckt ihre Pfote durch die Gitterstäbe ihres Zwingers.
Vor allem die hohe Zahl an abgegebenen Katzen belastet die hessischen Tierheime. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Aufnahmestopps in vielen hessischen Tierheimen

Interview im Tierheim
Bild © hr
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Die hessischen Tierheime schlagen Alarm. Wegen Überlastung können viele keine Tiere mehr aufnehmen. Das hat hessenschau.de am vergangenen Wochenende berichtet und zahlreiche Zuschriften zum Thema erhalten. Tenor vieler Nutzerinnen und Nutzer: Die Tierheime seien doch selbst schuld, die Kriterien für die Vermittlung der Tiere unrealistisch oder unnötig hoch angesetzt.

Also: Sind die Tierheime selbst schuld an der Überfüllung, weil sie keine Tiere abgeben? Ihr Gegenargument: Man habe stets das Beste der Tiere im Blick und müsse deswegen in gewissen Fällen leider Absagen erteilen. hessenschau.de hat mit beiden Seiten gesprochen.

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Wie oft werden Anfragen abgelehnt?

Laut Landestierschutzbund gibt es keine hessenweiten Statistiken über abgelehnte Anfragen für Haustiere. Der Tierschutzverein Wetzlar und Umgebung schätzt: Rund ein Drittel aller Anfragen werde abgelehnt. Rund 300 Tiere werden jährlich vom Tierheim Hanau vermittelt, "Anfragen gibt es bestimmt doppelt so viele", sagt Tierheimleiterin Kathrin Totsche. Und der Tierschutzverein Offenbach berichtet nur in zehn Prozent der Vermittlungsgespräche von einer Absage.

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"Ins Kreuzverhör genommen"

Christina Winter aus Wiesbaden berichtet, dass sie an einem Jack-Russell-Mischling interessiert gewesen sei, der laut Internetauftritt des betroffenen Tierheims immer noch dort auf einen Abnehmer wartet. Sie bemängelt die misstrauische Haltung der Tierheimmitarbeiter: "Leider wurde ich derartig ins Kreuzverhör genommen, als hätte ich nach einer Niere gefragt." Sie habe ihr Netto-Gehalt offenlegen müssen, was sie für unangemessen halte, sagt Winter im Gespräch.

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Bild © picture alliance / Anadolu | Garry Andrew Lotulung| zur Audio-Einzelseite
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Dem Landestierschutzbund sind nach eigenen Angaben keine Tierheime bekannt, die nach dem Einkommen fragen würden. Weil Haustiere teuer im Unterhalt sind, informiere man die Interessenten aber über die anfallenden Kosten für das Wunschtier.

Winter habe sich statt eines Heimtiers für einen Chihuahua aus der Zucht entschieden. "Schade für die Tierheime, die sich selbst im Weg stehen", sagt sie.

"Leid auf beiden Seiten vermeiden"

Henriette Hackl, Vorsitzende des Wiesbadener Tierschutzvereins, betont: "Es wird immer wieder unterstellt, dass Tierheime nicht vermitteln wollten oder die Hürden zu hoch seien." Tierheime würden dafür sorgen, dass das Tier nicht nach wenigen Tagen zurückgebracht wird. "Letztendlich hilft dieses Vorgehen, Leid auf beiden Seiten zu vermeiden."

"Das mag für manche so klingen, als wollten wir nicht vermitteln", sagt Hackl. "Aber wer sich die Anschaffung eines Tieres wohlüberlegt hat, wird auch bereit sein, bei Hunden zum Beispiel mehrfach zu uns zu kommen, um ihn erst einmal kennenzulernen und dann bewusst zu entscheiden."

Winter hingegen wünscht sich mehr Offenheit von Tierschützern. Ihre Idee: Man könne die Tiere auch mal probehalber abgeben. Davon hält Sigrid Faust-Schmidt vom Landestierschutzbund wenig: "Man kann den Hunden nicht erklären, dass sie nur zur Probe sind, die leiden darunter."

"Keine Katzenbabys an 80-Jährige"

"Insgesamt sollte die Vergabepraxis überdacht werden", schreibt die 63-jährige hessenschau.de-Nutzerin Martina S. aus Oberursel (Hochtaunus). Ihr sei in mehreren Tierheimen gesagt worden, an über 60-Jährige würden generell keine Tiere vermittelt.

Laut Landestierschutzbund gibt es keine solche Altersgrenze. Es müsse einfach passen, sagt Faust-Schmidt, "natürlich vermittelt man keinen Welpen oder Katzenbabys an 80-Jährige – auch Lebensenergien müssen zusammenpassen."

Keine Schmusekater für langjährige Katzenhalter

Vor allem bei der Vermittlung von Katzen fühlen sich viele Menschen vor den Kopf gestoßen. Denn auch langjährige Katzenhalter bekommen oft keine Schmusekater mehr vom Tierheim vermittelt. Seit einigen Jahren hätten sich die Anforderungen an den Tierschutz geändert, erklärt Faust-Schmidt.

Gerade im Frankfurter Raum würden Tierheime viel stärker darauf achten, dass die Wohnungen katzensicher sind. Zu viele Großstadt-Katzen seien in der Vergangenheit überfahren worden.

Verband fordert Katzenschutzverordnungen

Ursache für die schwierige Situation der Tierheime sei die immer größere Anzahl von Tieren in Not. Insbesondere junge Katzen würden immer häufiger abgegeben. Der Verband fordert die Einführung von Katzenschutzverordnungen und eine striktere Kontrolle des Tierhandels im Internet.

Sie lese auch oft die Vorwürfe im Netz, dass die Anforderungen der Tierheime zu hoch seien, sagt Faust-Schmidt. Damit der Ärger darüber abnehme, müssten die Tierschutzvereine künftig "noch, noch besser informieren". Je klarer die Beschreibung der Tiere auf der Homepage sei, desto weniger würden sich die Menschen abgelehnt fühlen. Und sie wirbt für mehr Vertrauen in die Arbeit der Tierheime, "denn wir kennen die Tiere".

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de

Ihre Kommentare Sollten Tierheime bei der Vermittlung von Tieren in Not ihre Ansprüche senken?

112 Kommentare

  • Mein Partner und ich haben im Laufe vieler Jahre insgesamt fünf Katzen aus Tierheimen und vom Wiesbadener Katzenschutz-Verein VKN zu uns geholt, und fanden sowohl die Fragen nach unseren Wohnverhältnissen als auch die Vermittlungsgebhren angemessen.
    Ich fände es im Sinne der Tiere unverantwortlich, wenn die Tierheime ihre Schützlinge einfach fraglos an jeden abgeben würden, ohne zu checken, ob die Interessenten genug Platz und Zeit für ein Tier haben.
    Dass die Tierheime überfüllt sind, liegt doch eher an den Menschen, die auf Dauer eben nicht genug Zeit oder Geduld für die Hunde und Katzen haben, die sie sich als süße Welpen oder Kitten vom Züchter holen, und die irgendwann zu schwierig werden,

  • Ich bin auch der Meinung, dass die Tierheime selbst schuld sind an ihrer Situation.
    Ich selbst habe mich über einen Hund informiert da ich dachte ich tu unserem Tierheim etwas gutes. Ich habe aber erlebt dass mir Misstraut wurde und unangemessene Fragen gestellt wurden.
    Ich hab alle Fragen trotzdem beantwortet und trotzdem keinen Hund bekommen, aus meiner Meinung nach aus Fadenscheinigen Gründen.
    Ich habe dann nach langen suchen meine Wunschrasse gefunden und einen tollen Hund vom Züchter bekommen.
    Das ist jetzt schon mein dritter Hund und alle wurden über 13 Jahre, was für mich als Zeichen zählt dass ich es den Hunden bei mir gut geht

  • Wir haben uns vor Jahren immer mal wieder für Hunde aus dem Tierschutz interessiert. Allerdings hieß es von mehreren Seiten, daß Huskies nicht an Musher abgegeben werden. Wieso konnte niemand plausiebel erklären, als Argumente kamen nur Vorteile, ohne die genauen Umstände zu erfragen. Diese sind Rudelhaltung, Freilauf im Hof bis auf die Nacht, Arbeit nach deren Bedrüfnissen.

    Diese sind in der Tat nicht tägliches Gassigehen und es ist kein Kontakt zu anderen Hunden im Freilauf oder dergleichen, sie bleiben im Ruden und ab und an kommen auch mal Besucherhunde (einzeln). Gerade diesae Punkte werden oft nicht verstanden, obwohl es eben gerade nicht gegen deren natürliches Verhalten ist, in ihrem Rudel zu leben - wir haben aktuell 11 Hunde, die älteste knapp 16..

    Gerade die letzten Punkte werden nicht verstanden, die Erfahrung mit einem einzelnen Hund wird auf das Rudel übertragen und genau das funktioniert eben nicht. Vondaher sind wir in den letzten Jahren immer nur an Züchter gegangen.

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