Mehr als 500 Fälle pro Jahr Traumazentrum in Frankfurt: Hilfe für Opfer von Gewalttaten
Gewalttaten hinterlassen bei Opfern seelische Wunden. Das Trauma- und Opferzentrum in Frankfurt bietet Unterstützung für Menschen an, die Schlimmes erlebt haben. Eine Psychologenstelle kann allerdings seit geraumer Zeit nicht besetzt werden.
Es kann ein körperlicher Angriff auf der Straße sein, der sexuelle Missbrauch durch eine vertraute Person oder auch einfach ein Einbruch, nach dem die eigene Wohnung nicht mehr die Burg ist, die sie mal zu sein schien. Straftaten hinterlassen bei Opfern seelische Wunden.
Wem etwas Schlimmes widerfahren ist, der findet in der Frankfurter Innenstadt Unterstützung. Erste Ansprechpartnerin ist die Diplompädagogin Karin Wagner vom Frankfurter Trauma- und Opferzentrum.
Wer in der Beratungsstelle in der Innenstadt gleich neben der Einkaufsmeile Zeil ihren Rat sucht, hat meist Gewalt durch Kriminelle erlebt: "Es kommen sehr viele über die Polizei, es kommen aber auch sehr viele über den Weißen Ring (Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer; Anm. d. Red.) zum Beispiel, oder auch über andere Beratungsstellen – immer wenn es um Trauma geht, was ja bei einer Gewaltstraftat in der Regel der Fall ist."
500 Fälle pro Jahr im Trauma- und Opferzentrum
Der Bedarf ist konstant groß. Jährlich landen mehr als 500 Fälle beim Team um Karin Wagner, oder besser: mehr als 500 traumatisierte Menschen. Das Beratungsteam führt Buch darüber, worum es jeweils geht. Oft ist das Körperverletzung. Auch Sexualstraftaten spielen eine große Rolle.
Suchen Betroffene dann Hilfe, kommt es vor allem darauf an, dass sie zu einer entsprechenden Institution Vertrauen fassen können. Das Trauma- und Opferzentrum sei deshalb bei seiner Gründung 2001 gezielt so ausgerichtet worden, dass die Schwelle für Ratsuchende niedrig ist, sagt Klaus Schlitz, der Vorstandsvorsitzende des Trägervereins.
"Die sollten nicht zu irgendeiner Behörde gehen müssen. Die sollten auch nicht im Bereich der Gerichte irgendwo anklopfen müssen." Klaus Schlitz weiß genau, wovon er redet. Schlitz war viele Jahre lang Richter am Frankfurter Landgericht.
Acht Opfervereine in Hessen
Der Trauma- und Opferzentrum e. V. ist einer von insgesamt acht hessischen Vereinen, die traumatisierten Menschen ein Angebot machen, das man seelische Erstversorgung nennen könnte. Sie agieren eigenständig, sind aber auf finanzielle Unterstützung aus Wiesbaden angewiesen.
Laut Hessens Justizministers Roman Poseck (CDU) bekommen die acht Opfervereine vom Land insgesamt gut 1,4 Millionen Euro jährlich. Noch vor wenigen Jahren sei es gerade mal die Hälfte gewesen. Darauf hat Poseck gerade während eines Besuchs im Frankfurter Trauma- und Opferzentrum verwiesen und betont: "Wir dürfen Opfer nicht im Regen stehen lassen. Deshalb ist es wichtig, dass wir hessenweit durch die Opferhilfe-Vereine ein System haben, um sie zu unterstützen."
In der Frankfurter Beratungsstelle hat Poseck einen Bescheid über 230.000 Euro übergeben. Nach Angaben von Klaus Schlitz deckt das ungefähr zwei Drittel des Jahresetats. Trotzdem ist das Geld knapp. Um über die Runden zu kommen, ist das Trauma- und Opferzentrum auch auf Einnahmen aus so genannten Geldauflagen angewiesen.
Das sind Zahlungen, die in Strafverfahren angeordnet werden: vom Gericht oder auch von der Staatsanwaltschaft. Aus dieser Quelle sprudelt Schlitz zufolge deutlich weniger Geld als noch vor ein paar Jahren.
Trauma-Therapeutinnen im Einsatz
Hessens Justizminister Poseck sieht einen möglichen Grund darin, "dass in den Strafverfahren häufiger die Staatskasse als Begünstigte Berücksichtigung findet". Der Minister hat darauf keinen Einfluss. Er sieht die Entwicklung kritisch und tritt dafür ein, die Opferhilfe-Angebote notfalls auch ohne das Geld aus den Gerichtssälen abzusichern: "Wir brauchen diese Vereine, und wir müssen sie angemessen ausstatten. Und wenn dafür die staatlichen Mittel erhöht werden müssten, dann werden wir mit Sicherheit auch dafür Wege finden."
Für Menschen, die sich an das Trauma- und Opferzentrum in der Frankfurter Innenstadt wenden, ist das eine gute Nachricht. Erst recht für jene, die gleich dort eine Therapie machen wollen – ein eher ungewöhnliches Angebot in einer Anlaufstelle wie dieser. "Die Kolleginnen sind zertifizierte Trauma-Therapeutinnen", erläutert Karin Wagner. "Das heißt, wir können über das Opferentschädigungsgesetz als Trauma-Ambulanz bis zu 15 Stunden Trauma-Behandlung anbieten."
Zwei Psychologinnen stehen dafür zur Verfügung. Es sollten eigentlich drei sein. Aber eine offene Stelle kann seit geraumer Zeit nicht besetzt werden; der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Dabei ist das Eigenangebot derzeit besonders wichtig. Denn die Weitervermittlung in eine passende Therapie ist Karin Wagner zufolge eine Geduldsprobe: "Es gibt bei Psychotherapeuten schlichtweg keine Plätze."
Sendung: hr-iNFO, 11.4.2023, 15.30 Uhr
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