Gesetz verbietet "Gehsteigbelästigung" Abtreibungsgegner müssen Abstand halten - Pro Familia ist skeptisch

Um Abtreibungsgegner von Beratungsstellen und Kliniken fernzuhalten, hat der Bundesrat ein neues Schwangerschaftskonfliktgesetz beschlossen. Doch Pro Familia in Frankfurt hat Zweifel.

Mahnwachen von Abtreibungsgegnern im Frankfurter Westend
Bislang scheiterten Versuche der Stadt, die Gebetsmahnwachen wegzuverlegen. Bild © picture-alliance/dpa
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Es ist inzwischen fast ein gewohntes Bild im Frankfurter Westend: Eine kleine Gruppe von Frauen und Männern, die in etwa 20 Metern Entfernung vom Eingang der Beratungsstelle von Pro Familia in Frankfurt leise vor sich hin murmeln. In den Händen Rosenkränze und Pappschilder mit Aufschriften wie: "Abtreibung ist keine Lösung".

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Abstand für Abtreibungsgegner – Pro Familia skeptisch

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Bild © hessenschau.de
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Seit bald sieben Jahren halten die Aktivistinnen und Aktivisten der Initiative "40 Tage für das Leben" zweimal im Jahr 40-tägige "Gebetsmahnwachen" vor der Beratungsstelle ab. Versuche der Stadt, die Veranstaltung aus der Sichtweite der Einrichtung zur verlegen, wurden von den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt.

Doch eine Neufassung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes soll genau dies nun ermöglichen. Am Freitag hat der Bundesrat den Weg dafür freigemacht.

Direkte Ansprache verboten

Das Gesetz sieht vor, um Schwangerschaftsberatungsstellen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, eine Art Schutzzone einzurichten. Die Ampelkoalition hatte es auf den Weg gebracht, nun hat es die Länderkammer durchgewunken.

Im Umkreis von 100 Metern ist es demnach verboten, Schwangeren das Betreten der Einrichtung zu erschweren, sie gegen ihren Willen anzusprechen oder ihnen Inhalte zu vermitteln, die Falschinformationen zum Thema Schwangerschaft und Abtreibung enthalten oder geeignet sind, sie "stark zu verwirren oder stark zu beunruhigen".

Frauendezernentin spricht von Erfolg

Frankfurts Dezernentin für Umwelt, Klima und Frauen, Tina Zapf-Rodríguez (Grüne), sieht die Gesetzesänderung als "ersten Erfolg". Es sei "absolut wichtig, dass ungewollt schwangere Frauen einen sicheren und legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und auch zur Schwangerschaftskonfliktberatung haben", so Zapf-Rodríguez.

Allerdings müsste man in Frankfurt überprüfen, inwieweit der 100 Meter Mindestabstand ausreicht. Zapf-Rodríguez verweist dabei auf die örtlichen Gegebenheiten. Die Beratungsstelle von Pro Familia liegt am Ende einer Sackgasse. Frauen könnten möglicherweise dennoch gezwungen sein, an der Mahnwache vorbeizugehen.

Ordnungsamt: Gesetz umsetzen, "sobald es geht"

Im Frankfurter Ordnungsdezernat unter der Leitung von Annette Rinn (FDP) bereitet man sich derweil schon auf die praktische Umsetzung des neu gefassten Gesetzes vor. "Wir werden das umsetzen, sobald es geht", erklärt Dezernatssprecher Stefan von Wangenheim im Gespräch mit dem hr.

Allerdings müsse das Gesetz erst noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und eine Umsetzungsverordnung erlassen werden. Man gehe daher davon aus, dass die derzeitige 40-tägige Mahnwache, die am vergangenen Mittwoch begonnen hat, noch nicht verlegt werden könne.

Mahnwachen siegen vor Gericht

Mit der Gesetzesänderung reagiert die Bundespolitik auf den seit Jahren anhaltenden Konflikt zwischen den Organisatoren der Mahnwachen und den betroffenen Kommunen wie Frankfurt oder Pforzheim (Baden-Württemberg). Beide Städte hatten zunächst auf eigene Faust versucht, die Mahnwachen aus dem unmittelbaren Umfeld von Beratungsstellen zu verlegen.

Dagegen klagten die Vertreter der Initiative "40 Tage für das Leben" mehrfach erfolgreich. Zuletzt gab ihnen im Mai 2023 das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Recht.

Abreibungsgegner halten ihre Gebetsmahnwache auch bei Starkregen ab. September 2024.
Seit Mittwoch halten die Abtreibungsgegner ihre Mahnwache wieder ab - selbst bei Starkregen Bild © hr/Frank Angermund

Skepsis bei Pro Familia

Bei Pro Familia in Frankfurt ist man skeptisch, ob die Gesetzesänderung wirklich zum gewünschten Ziel führt. Grundsätzlich sei es sehr begrüßenswert, dass der Gesetzgeber sich des Problems angenommen habe, betont Claudia Hohmann, Prokuristin der Beratungsstelle in Frankfurt: "Doch so, wie das Gesetz gestrickt ist, fürchten wir, dass es nicht ausreicht, um die Mahnwachen von den Beratungsstellen wegzubekommen."

Tatsächlich enthält das Gesetz kein pauschales Verbot von Mahnwachen oder Demonstrationen im Umfeld von Beratungsstellen und Kliniken. Stattdessen zählt es eine ganze Reihe von Handlungen auf, die unterlassen werden sollen - etwa die Ansprache gegen den erkennbaren Willen der Ratsuchenden oder das Erschweren des Zugangs.

Das Problem dabei: Ein Großteil davon trifft auf die Frankfurter Mahnwache nicht oder nicht mehr zu. Nachdem die Abtreibungsgegner 2017 noch direkt am Eingang von Pro Familia standen, halten sie inzwischen Abstand. Ob sie damit überhaupt noch die "unmittelbare Wahrnehmung" der Ratsuchenden beeinflussen können, wie im Gesetz gefordert, ist zweifelhaft.

AfD lud Initiator als Experten in den Bundestag

"Unsere Befürchtung ist, dass gegen eine Verlegung geklagt wird und die Gegenseite Recht bekommt", sagt Claudia Hohmann. Dass es soweit kommt ist alles andere als unwahrscheinlich. Denn der Initiator der Frankfurter Mahnwache ist der Rechtsanwalt Tomislav Čunović, der bereits erfolgreich gegen die Verlegungen in Frankfurt und Pforzheim geklagt hat.

Čunović ist inzwischen zum "Geschäftsführer für internationale Angelegenheiten" der weltweit agierenden Organisation "40 Tage für das Leben" aufgestiegen. Im Mai dieses Jahres wurde er auf Einladung der AfD im Bundestag als "Sachverständiger" zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes angehört.

Hier vertrat er bereits die Ansicht, dass das Gesetz nicht verfassungskonform sei. Dies ergebe sich schon aus der Rechtsprechung unter anderem des Bundesverwaltungsgerichts, so Čunović. Das Gesetz werde vor deutschen Gerichten keinen Bestand haben.

Klage nicht unwahrscheinlich

Čunović lehnte es ab, gegenüber dem hr Stellung zu der Gesetzesänderung zu beziehen. Auch die Frage, ob er plane, dagegen juristisch vorzugehen, ließ der Mahnwachen-Initiator unbeantwortet.

Frankfurts Frauendezernentin Zapf-Rodríguez gibt sich derweil kämpferisch: "Für uns ist ganz klar: Es muss um die Persönlichkeitsrechte der ungewollt schwangeren Frauen gehen. Deshalb würde ich mich nicht scheuen, noch einmal die gerichtliche Auseinandersetzung zu suchen."

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de mit Informationen von Frank Angermund