Übergang von 4. zu 5. Klasse Sämtliche Schülerwünsche erfüllen sich nur in wenigen Bezirken
Familien in größeren Städten haben die Qual der Wahl bei weiterführenden Schulen - und die Ungewissheit, ob an der Wunschschule ein Platz frei ist. Wir zeigen, wo die Sorge vor Zuweisungen am berechtigtesten ist.
Das Frankfurter Gagern-Gymnasium hat ein spezielles Profil: auf acht Jahre verkürzte Gymnasialzeit (G8) und altsprachliche Ausrichtung mit Latein als erster Fremdsprache für alle. Auch deshalb musste die Schule im Frankfurter Ostend in den vergangenen Jahren nie interessierte Schüler abweisen.
Immer wieder müssen Eltern von Viertklässlern diese Erfahrung machen: Mit der Wahl einer Wunschschule für den Übergang zur fünften Klasse ist es nicht getan. Manche Einrichtungen sind zu gefragt, sie können nicht alle Kinder, die das gerne hätten, in ihre Eingangsklassen aufnehmen.
Vergleich der 15 hessischen Schulamtsbezirke
Zum laufenden Schuljahr musste nach Angaben des Kultusministeriums jeder achte Erstwunsch in Frankfurt abgewiesen werden. Auch in anderen größeren Städten in Hessen gibt es das Problem. Es wird allerdings nicht immer so sichtbar wie in Frankfurt, weil die Schulämter Städte und ländliche Regionen miteinander verrechnen: Im Schulamtsbezirk Wiesbaden, der auch den Rheingau-Taunus-Kreis umfasst, wird jeder zwölfte Erstwunsch abgelehnt. In den Schulamtsbezirken Hanau (Main-Kinzig-Kreis) und Rüsselsheim (Kreise Groß-Gerau und Main-Taunus) ist es etwa jeweils jeder 15. - nur in vier Schulamtsbezirken geht jeder Schüler- und Elternwunsch in Erfüllung.
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Die wenigsten Kinder werden zugewiesen
Die Abweisung der Wunschschule kann den Alltag der betroffenen Familien ordentlich durcheinanderwürfeln. Bei knapp der Hälfte der Kinder, die in Frankfurt abgewiesen wurden, wies das Schulamt am Ende eine Schule zu. Das sind häufig Schulen, die neu entstanden sind oder am Rand der Stadt liegen - mit entsprechend längeren Fahrtzeiten.
2022 wurden in Frankfurt sechs Prozent der Kinder im Übergang von vierter zu fünfter Klasse einer Schule zugewiesen. Die Zahlen aus den anderen Schulamtsbezirken sind wegen der Kombination von Stadt und Umland nicht recht vergleichbar, aber auch dort kamen Zuweisungen nur gelegentlich vor. Ein Teil der Betroffenen stieg aus dem Zuweisungsverfahren aus und wechselte auf eine Privatschule oder verließ den Schulamtsbezirk. In Frankfurt war das in diesem Jahr bei rund jedem siebten zugewiesenen Schüler der Fall.
Kultusminister: "Kann Schulen nicht beliebig aufplustern"
Die Klagen der betroffenen Eltern sind auch in Wiesbaden zu hören. "Im weitaus überwiegenden Teil unseres Landes ist das mit den Wunschschulen eigentlich nicht das Problem", sagt Kultusminister Alexander Lorz (CDU) auf hr-Anfrage. In Frankfurt sei das Problem allerdings signifikant. Ein Grund: das schnelle Wachstum der Stadt. So sei eine Reihe von Schulen hoffnungslos überwählt, sagt Lorz: "Nun kann man aber eine Schule auch nicht nach Belieben aufplustern."
Wird eine Schule häufiger gewählt, als es dort Plätze gibt, entscheidet das Los, wer an die Wunschschule bekommt und wer nicht. "Ich weiß, das ist keine tolle Option, vor allem nicht für diejenigen, die dann ausgelost werden", sagt der Kultusminster dazu: "Aber es ist unter den gegebenen Umständen das beste und gerechteste Verfahren."
Zahlen werden nicht veröffentlicht
Ist es für Eltern in den betroffenen Städten also sinnvoll, sich gezielt Schulen zu suchen, die nicht überlaufen sind? "Von taktischen Wahlen halte ich rein gar nichts", sagt Gerhard Köhler, Leiter des Frankfurter Gagern-Gymnasiums. Er rät dazu, "dass die Eltern die Entscheidung treffen für ihr Kind, von der sie überzeugt sind, dass es die beste ist für ihr Kind, ungeachtet von irgendwelchen Chancen".
Zumal Eltern, sagt Köhler, ihre Chancen nicht sinnvoll abschätzen können. Damit hat er Recht. Zahlen, die zeigen, welche Schulen im Vorjahr überlaufen waren und welche noch Kapazitäten hatten, werden nicht veröffentlicht - nicht von den Staatlichen Schulämtern und auch nicht von Schulträgern, also den Kommunen. Dieser Mangel an belastbaren, transparenten Informationen sorgt für Unsicherheit vor der anstehenden Schulwahl im Frühjahr.
An einer Stelle nämlich müssen die Eltern taktisch entscheiden - beim Zweitwunsch. Geben sie als Zweitwunsch eine Schule an, die ohnehin überlaufen ist, bedeutet Nichtberücksichtigung beim Erstwunsch automatisch: Zuweisung eines Schulplatzes durch das Schulamt. Deshalb würde es helfen zu wissen, welche Zweitwünsche von vornherein so gut wie aussichtslos sind, an welchen Schulen es gemeinhin mehr Erstwünsche als Plätze gibt.
Schulleiter: Den Kindern ist es bald egal
Ein schwacher Trost für die gestressten Großstadteltern: Sie haben ein Problem, das viele Eltern in ländlicheren Gegenden womöglich gerne hätten. In Frankfurt konnten in diesem Jahr die 6.286 Frankfurter Viertklässler zwischen 32 - davon neun private - Gymnasien, 21 Gesamt-, 14 Real- und sieben Hauptschulen wählen. Die 1.909 Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgangsstufe in Fulda hatten nur die Wahl zwischen fünf staatlichen und drei privaten Gymnasien, vier Gesamt-, elf Real- und fünf Hauptschulen.
Gerhard Köhler, der Schulleiter des Gagern-Gymnasiums, hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit Kindern zu tun gehabt, die an seine Schule kamen, obwohl sie nicht dorthin gewollt hatten. Der Pädagoge versucht zu beruhigen: Die Kinder seien damit in der Regel sehr gut klar gekommen. "Weil es für die darum geht, dass sie sich an der Schule wohlfühlen. Und das war bei uns auch der Fall", sagt Köhler.
Dabei nimmt er die Eltern in die Pflicht: Sollte es mit der Wunschschule tatsächlich nichts werden, müssten die Erwachsenen darauf achten, ihr Kind zu begleiten und ihm nicht zu vermitteln, als gehe damit das Abendland unter. "Meistens machen Eltern sich mehr Gedanken als die Kinder selbst", hat Köhler beobachtet: "Kinder können sich gut anpassen und dann vollkommen leidensfrei weiter lernen - so wie an einer Grundschule auch."
Sendung: hr-iNFO, 06.12.2022, 11.48 Uhr
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