Überlastung und Zahlungsrückstände Rechtliche Betreuer warten oft monatelang auf ihr Geld

Rund 95.000 Menschen in Hessen haben eine rechtliche Betreuung. Doch Berufsbetreuer kümmern sich um sehr viele Fälle gleichzeitig, häufig müssen sie Anfragen ablehnen. Auf ihre Bezahlung warten sie oft monatelang - einige sehen ihre Existenz bedroht.

Zwei Frauen und zwei Männer vor einem grauen Hintergrund mit leuchtenden roten Kreisen bei jeder Person. Im Vordergrund ein Händepaar, das einen Taschenrechner mit einer "0" im Display hält.
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Ein schwerer Unfall, eine körperliche Erkrankung, psychische Probleme oder eine Sucht - und schon braucht man möglicherweise die Hilfe eines rechtlichen Betreuers. In Hessen sind mehr als 95.000 Menschen auf Betreuer angewiesen, sie brauchen jemanden, der für sie Behördengänge erledigt, die finanzielle Situation regelt, Anträge stellt oder sich um Versicherungen kümmert. Doch einen Betreuer zu finden, der noch Kapazitäten hat, wird immer schwieriger.

Eine dunkelhaarige Frau mit Brille lächelt in die Kamera.
Vera Darmstadt betreut rund 75 Klientinnen und Klienten. Bild © Elisabeth Czech / hr

Eine der Berufsbetreuerinnen ist die Rechtsanwältin Vera Darmstadt. Sie kümmert sich um rund 75 Klientinnen und Klienten in Frankfurt - und ist damit an ihrem persönlichen Limit. In dem Ampelsystem, mit dem Verfügbarkeiten gegenüber der Betreuungsbehörde angegeben werden, steht sie auf Rot.

Dennoch werde sie immer wieder von der Behörde angerufen und gefragt, ob sie noch weitere Betreuungen übernehmen könne. Viele Fälle müsse sie ablehnen. Es herrsche eine "Riesennot, weil man die Leute nicht unterkriegt".

Betreuungsfälle sind oft komplex

Pro Klient gibt es eine pauschale Vergütung, unabhängig davon, wie viel oder wenig Arbeit der jeweilige Fall für die Betreuer bedeutet. Ute Bychowski ist noch neu in der Branche und berichtet davon, dass sie die Komplexität und der Umfang der Betreuungsleistungen anfangs schon sehr überrascht haben.

Links steht eine Frau mit grauen kurzen Haaren und daneben eine Frau neben ihr mit blondern kurzen Haaren. Die beiden lächeln.
Die rechtlichen Betreuerinnen Katja Metternich (links) und Ute Bychowski (rechts) wissen wie komplex Betreuungsfälle sein können. Bild © Elisabeth Czech / hr

Für sie stellt sich nicht nur die Frage: "Wie viele Betreuungen habe ich, sondern kann ich die Betreuungen gut bewältigen?" Und in der Folge die Überlegung, ob es verantwortungsvoll ist, dann noch mehr Betreuungen zu übernehmen?

Hilfe beim Weg zurück ins Leben

Dass man auf eine rechtliche Betreuung angewiesen ist, kann schnell passieren. Eine der Klientinnen von Vera Darmstadt, die anonym bleiben möchte, erzählt ihre Geschichte. Nach schweren Schicksalsschlägen habe sie eine Depression bekommen. Lange Zeit war sie im Krankenhaus, erlitt dort auch noch einen Schlaganfall.

Sie erzählt, dass sie sich nicht mehr um ihre Krankenkasse kümmern konnte oder um Kommunikation mit dem Jobcenter. "Alles das blieb liegen und wurde immer schwerer im Alltag. Ich konnte die Post nicht mehr öffnen." Damit ihr Leben wieder in die Bahn kommt, kümmert sich jetzt die rechtliche Betreuerin um Anträge und sonstigen Schriftverkehr.

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Rechtliche Betreuung

Ein rechtlicher Betreuer wird vom Amtsgericht eingesetzt, wenn ein Mensch sich nicht mehr selbst um seine rechtlichen Angelegenheiten, wie Behördengänge, Kontoführung, Versicherungen oder Schulden kümmern kann. Häufig sind das Menschen, die eine psychische oder körperliche Erkrankung oder eine Suchterkrankung haben. Gibt es keine Angehörigen, die sich kümmern können, werden Berufsbetreuer eingesetzt.

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In Hessen fehlen Berufsbetreuer

Doch in Hessen fehlen Berufsbetreuerinnen und -betreuer. Zusätzlich gibt es Menschen, die ehrenamtlich als rechtliche Betreuer tätig sind - sie betreuen oft Angehörige. Berufsbetreuer sind häufig Sozialarbeiter oder Juristen. Ist man Quereinsteiger, muss man einen Lehrgang mit dem Schwerpunkt Betreuungsrecht absolvieren. Die Stadt Darmstadt und der Landkreis Darmstadt-Dieburg werben sogar aktiv für den Beruf.

Auch wenn die Vermittlungsampel bei vielen Betreuern auf Rot steht und sie keine neuen Fälle annehmen können, genaue Zahlen, wie groß der Bedarf ist und viele Betreuer fehlen, gibt es nicht. Weder das hessische Justizministerium noch das Bundesamt für Justiz und auch nicht der Bundesverband der Berufsbetreuer erheben den Bedarf in Hessen. Doch wie gut kann das Problem behoben werden, wenn es noch nicht einmal eine Bedarfsanalyse gibt?

Geld fließt oft monatelang nicht

Tatsache ist, dass die Betreuerinnen und Betreuer Alarm schlagen, denn die Fälle, die sie ablehnen müssen, nehmen zu. Und ein weiteres Problem treibt die Berufsbetreuer um. Teilweise müssen sie monatelang auf ihre Bezahlung warten und die Zahlungsrückstände summieren sich, berichten sie dem hr.

So wartet auch Vera Darmstadt auf eine hohe Summe: "Bei mir sind das 50.000 Euro. Und das geht auch langsam an die Existenz." Denn ihren Lebensunterhalt bestreitet sie phasenweise durch Rücklagen. Darmstadt berichtet von mehreren Betreuern, bei denen ähnliche Beträge offen sind. "Einige überlegen sich auch, dass sie sich irgendwo anstellen lassen müssen, weil sie Existenzängste kriegen", sagt Darmstadt.

"Einige Vergütungen sind seit Juli 2024 offen"

Von Sorgen wegen schleppender Bezahlung berichtet auch Peter Clemens. Er ist rechtlicher Betreuer in Bad Soden und erzählt, dass auch er darauf wartet, dass einige seiner Vergütungsanträge bearbeitet werden. Aktuell seien es Außenstände in Höhe von 26.000 Euro.

Ein grauhaariger Mann im blauen Anzug lächelt.
Auch der rechtliche Betreuer Peter Clemens wartet auf viel Geld. Bild © privat

"Ich habe einige Vergütungen, die sind jetzt seit Juli 2024 offen." Und er gibt zu bedenken, dass seine Arbeitsleistung ja deutlich vor dem Stellen der Rechnung liegt. "Im April habe ich angefangen zu arbeiten, im Juli schreibe ich dann die Rechnung, und jetzt habe ich bei einigen Rechnungen immer noch kein Geld."

Das hessische Justizministerium bestätigt Zahlungsrückstände und nennt auf Nachfrage mehrere Amtsgerichte mit Zahlungsrückständen von bis zu drei Monaten. Die Amtsgerichte begründen die Zahlungsrückstände auf hr-Anfrage unter anderem mit Personalmangel, hohen Krankenständen und gestiegenen Betreuungsfällen.

Mehr Geld für Berufsbetreuer

Damit sich zumindest an der Bezahlung der Betreuer etwas verbessert, wurde im Bundestag Ende Januar einem Gesetz zugestimmt, das die Vergütung um mehr als zwölf Prozent anheben soll. Damit das in Kraft tritt und dann auch für Hessen gilt, muss der Bundesrat bei der nächsten Sitzung noch zustimmen.

Ein blonder Mann lächelt in die Kamera.
Manuel Rudolph kritisiert die fehlende Wertschätzung der Berufsbetreuer. Bild © Elisabeth Czech / hr

Dem Bundesverband der Berufsbetreuer geht das aber nicht weit genug. Das sei ein "Tropfen auf den heißen Stein", kritisiert Manuel Rudolph, Landessprecher des Verbandes. "Unterm Strich sind es abzüglich der Inflation dann nur rund sechs Prozent Erhöhung", erklärt er.

Rudolph kritisiert auch die fehlende Wertschätzung. "Wenn man angestellt ist, dann möchte man ja auch, dass pünktlich das Geld da ist." Die selbständigen Berufsbetreuer seien drauf angewiesen, dass das Gericht die Vergütung auszahle. In der freien Wirtschaft hätten einige längst den Job hingeworfen. Hier werde aber verlangt, dass die rechtlichen Betreuer ihre Arbeit trotz der langen Wartezeit auf die Bezahlung einfach weitermachten.

Redaktion: Caroline Wornath

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de