Urteil im Limburger Kokain-Prozess "Escobars Erben" aus Hessen müssen viele Jahre ins Gefängnis
Er wollte sein wie Pablo Escobar: Für Deals, die in ihrer Größenordnung an den kolumbianischen Drogenbaron erinnern, ist ein Mann aus Wetzlar zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Auch sein Mitangeklagter muss ins Gefängnis.
Vor dem Limburger Landgericht sind am Montag zwei Dealer aus Hessen wegen Drogenhandels im großen Stil zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Ein 49-jähriger Mann aus Wetzlar muss für 13 Jahre und neun Monate in Haft. Ein 68 Jahre alter Komplize aus Groß-Umstadt (Darmstadt-Dieburg) erhielt vier Jahre und neun Monate.
Es geht um enorme Mengen Drogen: rund 4,3 Tonnen Kokain im Wert von etwa 125 Millionen Euro. Und das meiste davon soll auch tatsächlich verkauft worden sein.
Verteidigung des Haupttäters will Revision beantragen
Die beiden Verurteilten hatten die Drogen nach Überzeugung des Gerichts über Kontinente hinweg geschmuggelt. Sie sollen dabei auch Kontakte zu südamerikanischen Drogenkartellen gehabt haben, etwa zum berüchtigten "Golf-Kartell". Das stellte das Limburger Gericht in seinem Urteil fest. Zwei der acht vorgebrachten Anklagepunkte wurden aus Mangel an Beweisen fallengelassen.
Der 49-Jährige war laut Richter "die treibende Kraft gewesen". So habe er die Kontakte hergestellt und den Handel organisiert. Der Hauptangeklagte nahm die Urteilsverkündung gefasst auf. Bei seinen Angehörigen, die in Großzahl im Verhandlungsraum vertreten waren, flossen auch Tränen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des 49-Jährigen kündigte bereits an, Revision beantragen zu wollen.
Im Gegensatz zu dem 49-Jährigen zeigte sich der andere Angeklagte im Alter von 68 Jahren geständig. Beide Männer verfügten über eine "hohe kriminelle Energie", wie der Richter sagte. Der Verteidiger des 68-Jährigen aus Groß-Umstadt will laut erster Reaktion auf eine Revision verzichten, er wies mit Blick auf das verhältnismäßig milde Urteil seines Mandanten darauf hin, wie wichtig eine gute Verteidigung doch sei.
Internationaler Handel
Die Taten sollen sich zwischen September 2018 und Juni 2021 ereignet haben, unter anderem in Wetzlar, Hamburg, Antwerpen (Belgien), Rotterdam (Niederlande), Bolivien und Kolumbien.
Der Wetzlarer soll die Kontakte nach Südamerika gepflegt und die Kokaintransporte und -verkäufe organisiert haben, per Schiff und Flugzeug. Dafür habe er eine Art Vermittlungsgebühr bekommen.
Der Groß-Umstädter soll erst später ins Geschäft eingestiegen sein und den Schmuggel zum Teil finanziert haben. Die Männer wurden 2022 festgenommen.
Foto von Pablo Escobars Grab
Die Anklage führte die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt. Staatsanwältin Nikola-Vanessa Barho hatte in ihrem fast fünfstündigen Plädoyer Anfang Dezember klar gemacht: Der Drogenhandel sei aus Sicht der Staatsanwaltschaft klar bewiesen.
Die Ermittlung basierte in erster Linie auf abgehörten Telefonaten zwischen den Männern sowie aus ausgewerteten Chats über vermeintlich abhörsichere Kryptohandys. Darin habe der Wetzlarer die Drogen-Geschäfte selbst beschrieben.
Darunter sei unter anderem auch ein Foto gewesen, auf dem das Grab des berühmten kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar und seine eigene Hand zu sehen waren, mit dem Text: "Mein Idol, meine Hand."
Die Staatsanwältin berief sich außerdem auf nachverfolgte Reiserouten und belastende Zeugenaussagen. Die Angeklagten seien sehr professionell vorgegangen, so Barho. Bei dem Hauptangeklagten handle es sich keineswegs "um den Kokainhändler von nebenan".
Forderungen gingen weit auseinander: 14 Jahre und Freispruch
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Wetzlarer, der als Hauptangeklagter gilt, 14 Jahre und drei Monate Haft verlangt. Die Verteidigung plädierte dagegen auf Freispruch.
Im Fall des Groß-Umstädters wurden vonseiten der Staatsanwaltschaft fünf Jahre und vier Monate Haft gefordert. Seine Verteidigung beantragte vier Jahre und neun Monate. Die Richter blieben jeweils unter den Forderungen der Anklage.
Einlassungen der Angeklagten im Prozess
Der Wetzlarer hatte im Prozess ausgesagt, zwar selbst Drogen zu konsumieren, aber nicht damit gehandelt zu haben. Stattdessen bezeichnete er sich als Dolmetscher bei Drogengeschäften seines Neffen. Die großen Mengen, um die es im Verfahren geht, habe er sich lediglich ausgedacht, um anzugeben.
Der Angeklagte aus Groß-Umstadt hatte ausgesagt, er sei von dem Wetzlarer in Geschäfte in Südamerika hineingezogen worden. Zunächst sei es dabei um Handel mit Lithium aus Bolivien gegangen. Erst später habe er herausgefunden, dass es auch um Drogen ging.
Erhebliche Sicherheitsmaßnahmen
Der Prozess ging nun früher zu Ende als anfangs erwartet. Ursprünglich hatte es geheißen, er könne sich möglicherweise über Jahre ziehen.
Das Verfahren wurde von erheblichen Sicherheitsmaßnahmen begleitet, laut Gericht, um Fluchtgefahr oder gar "Befreiungsversuchen" entgegenzuwirken. Zum Auftakt waren rund 50 Polizistinnen und Polizisten im Gerichtsgebäude anwesend gewesen.
Sendung: hr3, 18.12.23, 13 Uhr
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