US-Wahlen Was ein Präsident Trump für Hessen bedeuten würde
Von "damned Hessian" bis zum Fulda Gap, von den wirtschaftlichen Verflechtungen bis zu Elvis Presley: Hessen und die USA verbindet vieles. Wie geht es weiter nach den Präsidentschaftswahlen? Was passiert, wenn Donald Trump gewinnt?
Kurz vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November wird auch in Hessen um jede Stimme gekämpft. Rund 100 Menschen kamen vor einigen Tagen in die Lobby der Frankfurter Eventlocation "Massif Central", um eine Diskussion zwischen Demokraten und Republikanern im Ausland zu verfolgen.
Hier prallen unterschiedliche Ansichten aufeinander. Ralph Freund, Vizepräsident der "Republicans Overseas Germany", kritisiert die "Massenimmigration", während die Demokratin Reavis Hilz-Ward die Wichtigkeit des Kinderfreibetrags für sozial schwächere Familien betont.
Und doch ist der Ton hier anders als an vielen Orten in den USA, wo ein wütender Donald Trump seine Kontrahentin Kamala Harris persönlich beleidigt. Und Harris vor den Gefahren für die Demokratie warnt, sollte ihr Gegner gewinnen.
Flügelstreit innerhalb der Republikaner im Ausland
Trotz gegensätzlicher Positionen bleibt der Dialog hier in Frankfurt respektvoll. Man hört einander zu und gibt das Mikrofon höflich weiter, sobald man selbst zu Ende gesprochen hat - ganz anders als vielerorts in den USA.
Das mag auch daran liegen, dass sich die "Republicans Abroad Germany" noch eher einem Ronald Reagan und Georg Bush verpflichtet fühlen als dem gegenwärtigen Kandidaten der Partei.
Wie Ralph Freund erläutert, tobt innerhalb der Organisation ein Streit zwischen Transatlantikern und Trumpisten, die mehr Einfluss fordern. Kürzlich versuchten Letztere, mittels Einstweiliger Verfügung zu verhindern, dass Freund weiterhin die Organisation öffentlich vertritt - ein Antrag, der schließlich vom Frankfurter Landgericht abgewiesen wurde.
Rund 15.000 Amerikaner leben in Hessen, dazu noch die Angehörigen des US-Militärs. Sie haben bei der US-Präsidentschaftswahl die Möglichkeit mitzuentscheiden, wer die Geschicke der USA künftig lenken wird. Das Rennen ist äußerst knapp.
Welche Auswirkungen hätte ein Sieg von Trump auf Hessen? Vor allem diese drei Themenfelder könnten von einem Trump-Triumph betroffen sein:
- Die Angst vor Strafzöllen: die Wirtschaft
- Krieg und Frieden: die Militärpräsenz
- Jenseits der "Damned Hessian": Gesellschaftliche Beziehungen
Wirtschaft: Die Angst vor Strafzöllen
Für die hessische Wirtschaft sind die USA ein sehr wichtiger Handelspartner. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Frankfurt exportierte sie im Jahr 2023 Waren im Wert von 9,9 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten. Das waren 12,3 Prozent aller Exporte ins Ausland.
Wichtigste Exportgüter waren pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von 3,3 Milliarden Euro. Weitere wichtige Exportgüter sind Metalle (1,5 Milliarden Euro), chemische Erzeugnisse (1,2 Milliarden Euro) und Maschinen (1,1 Milliarden Euro).
Auf der Importseite bezog Hessen Waren im Wert von 14,7 Milliarden Euro aus den USA, was zu einem negativen Handelsbilanzsaldo führte. Nach Angaben der Hessischen Staatskanzlei haben sich zudem etwa 1.500 US-Unternehmen in Hessen niedergelassen.
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In seiner ersten Amtszeit erhöhte Trump die Importzölle. Und auch aktuell hat er seinen Anhängern zehn Prozent höhere Zölle auf Importe versprochen. Jürgen Ratzinger, Geschäftsführer der IHK, betont: "Zölle waren schon immer ein Problem, da sie Märkte abschotten und Importe verteuern. Das schadet nicht nur den Konsumenten, sondern hemmt auch die internationale Arbeitsteilung."
Unternehmen wie der Lahnauer Maschinenbauer Wiwa befürchten zudem, dass Trump europäische Standards nicht mehr anerkennen könnte. Peter Turczak, Geschäftsführer von Wiwa, äußert auch die Sorge, dass das US-Militär oder Infrastrukturunternehmen unter Trump möglicherweise nicht mehr bei europäischen Firmen einkaufen dürfen.
Noch macht Wiwa den größten Teil seines Auslandsgeschäfts mit den USA, doch vorsichtshalber schaue man schon auf andere Märkte in Nord- und Südamerika.
Unternehmen könnten von Steuererleichterung profitieren
Auf der anderen Seite könnte ein Trump-Sieg auch Chancen bieten. Trump hat ausländischen Unternehmen Steuererleichterungen versprochen, wenn sie in den USA produzieren. Dies könnte hessischen Unternehmen, die in den USA investieren, zugutekommen.
Laut Bundesbank beliefen sich die Direktinvestitionen aus Hessen in die USA im Jahr 2023 auf 125 Milliarden Euro - deutlich mehr als die Investitionen in die EU-Länder, die zusammen nur 106 Milliarden Euro betrugen.
"Meine Hoffnung ist, dass man Trump klarmachen kann, dass die vielen deutschen Unternehmen, die in den USA arbeiten, Jobs schaffen und er in Deutschland einen Partner hat und nicht einen Gegner", sagte jüngst Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) auf einem Treffen der USA-freundlichen Atlantik-Brücke in Frankfurt, deren Vorsitzender er ist.
Und was wäre bei einem Harris-Sieg? Sie hat Steuersenkungen und höhere Staatsausgaben angekündigt, was die US-Wirtschaft möglicherweise bremsen könnte - mit negativen Folgen auch für hessische Unternehmen. Katja Schremmer, Managerin bei der BNP Paribas und Mitglied der Atlantik-Brücke, betont: "Man sieht schon seit Jahren ein Erstarken der amerikanischen Interessen, nicht nur im Sinne von America First. Auch bei einem Sieg der Demokraten würde sich daran inhaltlich nichts ändern."
Krieg und Frieden: die Militärpräsenz
Über die Jahre hinweg waren Zehntausende US-Soldaten und ihre Familien in Hessen stationiert. Einer der berühmtesten war Elvis Presley in Bad Nauheim (Wetterau) - bis heute wird der "King of Rock 'n' Roll" dort jedes Jahr von Tausenden Fans bei einem Festival gefeiert.
Die USA traten und treten als Schutzmacht auf, besonders deutlich während des Kalten Krieges, als man befürchtete, dass sowjetische Truppen über das sogenannte Fulda Gap - zwischen Fulda, Alsfeld und Bad Hersfeld - einmarschieren könnten.
Um diesen Vormarsch zu stoppen, hätten taktische Atomwaffen von "Nato Site #4", einem streng gesicherten Militärgelände in der Nähe der US-Kaserne in Gießen, abgefeuert werden sollen. Die Folgen für die Region wären verheerend gewesen.
Heutzutage ist das US-Militär vor allem in der Clay-Kaserne in Wiesbaden präsent. Laut Angaben der US-Armee sind dort rund 4.900 Soldaten stationiert, dazu kommen etwa 12.800 amerikanische Familienangehörige, 4.000 zivile Mitarbeiter und 3.900 Pensionäre. Während der Trump-Administration (2017–2021) gab es Pläne, die US-Truppenpräsenz in Deutschland zu reduzieren. Ein Machtwechsel in Washington könnte Wiesbaden erneut in den Fokus solcher Diskussionen rücken.
Tomahawk sollen ab 2026 stationiert werden
Seit diesem Sommer befindet sich in der Clay-Kaserne auch das NATO-Ukraine-Kommando. Dieser Schritt gilt auch als Absicherung für den Fall sein, dass Trump erneut Präsident wird, da seine Äußerungen Zweifel an der fortgesetzten US-Unterstützung für die Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland aufkommen ließen.
Ein politischer Kurswechsel in den USA könnte auch die Koordination von Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte betreffen.
Ab 2026 sollen in Wiesbaden zudem erstmals seit dem Kalten Krieg wieder US-Mittelstreckenraketen vom Typ Tomahawk stationiert werden. Ob diese Planung im Falle eines Trump-Siegs Bestand haben wird, ist unklar.
Die Debatte über die Abhängigkeit von der US-Schutzmacht ist ohnehin im Gange. Der US-Experte Marco Overhaus betont in einem Interview mit der hessenschau, dass Deutschland mehr wirtschaftliches, militärisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale legen müsse, um auf die USA Einfluss nehmen zu können - insbesondere in Fällen, in denen man nicht übereinstimmt.
Jenseits der "Damned Hessian": Gesellschaftliche Beziehungen
Hessen und die USA verbindet eine gemeinsame Geschichte, die bis in die Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs (1775-1783) zurückgeht. Damals "vermietete" Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel rund 18.000 hessische Soldaten an Großbritannien, das diese auf seiner Seite gegen die nach Unabhängigkeit strebenden amerikanischen Kolonien einsetzte. Dieser Handel brachte Friedrich II. rund 20 Millionen Taler ein - eine enorme Summe, die es ihm ermöglichte, die Steuern in seinem Fürstentum zu senken.
Auf Seiten der Amerikaner waren diese "Söldner" nicht sehr gelitten. Der Ausdruck "You damned Hessian" (Du verdammter Hesse) wurde zu einem Schimpfwort. Noch in dem frühen Kriegsfilm "The Hessian Renegades" aus dem Jahr 1909 des amerikanischen Regisseurs D.W. Griffiths galten die Hessen als Bösewichte.
Viele hessische Soldaten nahmen ihre Zwangsrekrutierung mit Resignation und Fatalismus hin. Deutlich wird das in dem Lagerlied: "Jucheisa nach Amerika, Dir Deutschland gute Nacht. Ihr Hessen, präsentiert’s Gewehr. Der Landgraf kommt zur Wacht." Rund 5.000 hessische Soldaten starben in den Kriegswirren, aber viele blieben nach der Unabhängigkeit in den USA.
Frankfort in Wisconsin
Diesem Beispiel folgten im 18. und 19. Jahrhundert Zehntausende Hessen, die aufgrund wirtschaftlicher Not und politischer Enttäuschung, besonders nach der gescheiterten Revolution 1848, in die USA auswanderten. Viele dieser Auswanderer ließen sich im Mittleren Westen der USA nieder.
Heute hat etwa die Hälfte der Einwohner des US-Bundesstaats Wisconsin - seit 1976 Partnerregion Hessens - deutsche Vorfahren. Dort gibt es übrigens auch einen Ort, der Frankfort heißt. Heute unterhalten mehr als 90 Schulen in Hessen Kontakte zu Partnerschulen in Wisconcin.
Die Beziehung zwischen Hessen und den USA wurde besonders eng, als die Amerikaner 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg über den Rhein vorrückten und als Sieger eintrafen. Die Amerikaner gründeten das Bundesland. Hessen wurde amerikanische Besatzungszone.
In den sogenannten Screening Centern wurden politische Mandatsträger, Verleger oder Medienvertreter auf ihre demokratischen Überzeugungen überprüft. Der American Way of Life fand Einzug in die Region - mit Kaugummi und Rock 'n' Roll.
Im Juni 1963 kam der amerikanische Präsident John F. Kennedy nach Frankfurt und hielt auf dem Römer vor tausenden begeisterten Frankfurtern eine Rede über Freiheit und Demokratie, in jener Stadt, die später aufgrund ihrer zahlreichen Wolkenkratzer den Beinamen "Mainhattan" erhielt und von deren Flughafen alleine im Jahr 2023 rund 3,5 Millionen Menschen in Richtung USA starteten.
Rhein: "In Hessen steckt unglaublich viel USA"
"In Hessen steckt unglaublich viel USA. Hessen ist das amerikanischste Bundesland in Deutschland", sagte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) im Sommer bei der Abschiedsfeier des US-Generalkonsuls.
Das Frankfurter Konsulat ist die größte diplomatische Auslandsvertretung der USA weltweit, hat rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und fördert unter anderem den Austausch von Schülerinnen und Schülern, Studierenden und Unternehmen.
Zwischen Kontinuität und Fragezeichen
Bei Vizepräsidentin Harris gehe er davon aus, dass die positive Tradition, die bereits unter der Biden-Administration bestand, fortgesetzt werde, sagt Rhein. Gleichzeitig verweist er auf die Erfahrungen mit der Trump-Regierung: "Auch in dieser Zeit hat sich an dem guten Verhältnis zwischen Hessen und den USA nichts geändert", sagt er.
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Präsidentschaftswahl in den USA am 5. November tatsächlich auf Hessen haben wird. Harris steht eher für Kontinuität, bei Trump ist vieles noch unklar. Nicht nur die Auslandsdemokraten und -republikaner schauen gespannt auf dieses Datum.