Verzweifelte Mieter in Schimmel-Wohnungen Leben in Schrottimmobilien: "Das macht einen sehr, sehr wütend"

Eingestürzte Decken, überflutete Keller, keine Heizung: In Hadamar leben Mieter unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen. Die Häuser gehören zu einem dubiosen Firmengeflecht, Mieter und Kommunen haben kaum Handhabe. Der Mieterschutzverein spricht von "Vermieternomaden".

Schimmel in einer Wohnung in Hadamar
Schimmel in einer Wohnung in Hadamar Bild © hr
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Harald Erhard hetzt die Treppen im Hausflur hoch und runter: In einer leer stehenden Wohnung seines Mietshauses läuft Wasser aus, der Boden der Küche ist schon voll. Eigentlich ist Erhard selbst nur Mieter in dem Haus, aber einen Hausmeister gibt es nicht, und mal wieder muss er versuchen, die Hauptwasserleitung im Keller zuzudrehen, um Schlimmeres zu verhindern. Dass Wasser sich über Böden verteilt und durch Decken tropft, passiere immer wieder.

"Das macht mich sehr, sehr wütend", sagt Erhard. Die Eigentümer besitzen über 60 Wohnungen in mehreren Mietshäusern in Hadamar (Limburg-Weilburg), die Zustände sind gesundheitsgefährdend. Nach hr-Recherchen ist die Eigentümerin die Plan B Private Capital aus Limburg. Das Unternehmen ist Teil eines Firmengeflechts, das auch in Nord- und Osthessen sowie in Bayern Häuser hat.

Im Dezember hatte der hr über die Zustände dort berichtet, seitdem hat sich in diesen Orten nichts gebessert. Nach dem Bericht meldeten sich Mieter aus Hadamar beim hr, die mit denselben Vermietern zu kämpfen haben.

Mieter und Kommunen stehen vor großem Problem

In vielen Orten in Hessen stehen Mieter und Kommunen durch das Gebaren des Firmengeflechts vor dem gleichen Problemen. Mittlerweile ist der verantwortliche Geschäftsführer nach hr-Informationen privatinsolvent. Das könnte die Situation noch verschärfen.

Im Haus von Mieter Erhard funktioniert die Heizung schon lange nicht mehr, im Januar sind in seiner Wohnung unter 10 Grad. Schimmel breitet sich aus. Wenn er morgens Kleider aus dem Schrank holt, sind sie klamm. Er muss im Wohnzimmer schlafen, dort hat er ein kleines Heizgerät aufgestellt, eine Wärmflasche helfe ihm auch etwas, sagt Erhard.

Mieter: "Ich stehe vor dem Nichts"

Die Immobilienfirmen lassen die Gebäude seit Jahren verwahrlosen. Es gibt Wasserschäden, in einem der Häuser in der Hadamarer Gerlachstraße steht knöcheltief das Wasser im Keller. Für Mieter wie Erhard ist die Situation mit solchen Vermietern ausweglos: "Ich stehe vor dem Nichts", sagt der Frührentner.

Er sei "voll ins Verderben" gestürzt, als er im Sommer einzog. Mit seiner kleinen Rente könne er aktuell keine andere Wohnung finden. Er habe schon eine Anwältin eingeschaltet "Es ist nichts machbar, man kommt an die Leute nicht ran", sagt er.

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Eine kaputte Decke, Füllstoff hängt raus, Wasser kommt durch die Decke
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"Vermieternomaden" statt "Mietnomaden"

Seine Nachbarin Margot Geipel sitzt ebenfalls im Kalten, sie sei froh, dass ihr verstorbener Mann das nicht mehr erleben müsse, sagt sie. Die Enkelkinder kommen schon länger nicht mehr zu Besuch: "Die würden mir hier erfrieren."

Löcher in der Decke von einem Wohnzimmer
Löcher in der Decke des Wohnzimmers einer Mieterin in Hadamar Bild © hr

In der Wohnung von Mieterin Ursula Hof ist die Decke im Wohn- und Badezimmer nach einem Wasserschaden teils eingestürzt. Sie ist 75 Jahre alt, seit 20 Jahren lebe sie im Haus. Auch sie könne sich keine andere Wohnung leisten, erzählt sie.

Eigentümer zahlen Rechnungen nicht mehr

Das Gas ist in den Häusern in Hadamar teils abgedreht, weil der Eigentümer die Rechnungen beim Energieversorger nicht bezahlt. Manche Mieter konnten sich helfen, indem sie ihre Abgaben nun direkt an den Energieversorger zahlen, aber das klappt nicht immer.

Mieter, die nicht zahlen und auch nicht die Absicht haben, heißen umgangssprachlich "Mietnomaden". Rolf Janßen vom Mieterschutzverein Frankfurt findet, angesichts der Zustände in den Häusern des Firmengeflechts müsse man in diesem Fall von "Vermieternomaden" sprechen: Vermieter, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, Wohnungen verwahrlosen lassen und vielleicht auch gar nicht die Absicht haben, sich um die Rechte ihrer Mieter zu kümmern.

Mieter wollen Zahlungen einstellen

Janßen rät Mietern in so einem Fall, sich einen Anwalt zu suchen und die Behörden zu alarmieren, also etwa Bauaufsicht und Gesundheitsamt, "damit der Vermieter von mehreren Seiten kontaktiert wird und auch gezwungen wird, seiner Pflicht nachzukommen". Nur, das funktioniert nicht: In Borken (Schwalm-Eder) hat eine andere Firma desselben Geschäftsführers mehrere Wohnblocks, die Atlanta Immo GmbH. Die Gemeinde hat schon vieles versucht, drohte der Immobilienfirma zuletzt mit Klage - ohne Erfolg.

Einige Mieter in Borken haben sich einen Anwalt gesucht. Ein Schreiben des Anwalts an die Eigentümerfirma in diesem Jahr kam wieder zurück zum Absender - nicht mal die Postadresse der Firma funktioniert. Auch für den hr ist der Geschäftsführer der Firmen trotz mehrerer Anfragen nicht erreichbar.

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Die Mieter in Borken wollen ihre Mietzahlung ab Februar ganz einstellen. Heizung und Warmwasser haben sie dann trotzdem nicht. Aber mit den einbehaltenen Mieten soll, wenn möglich, eine Heizungsfirma mit Reparaturen beauftragt werden. Eine notdürftige Lösung.

Bürgermeister sieht Gesetzeslücke

Hadamars Bürgermeister Michael Ruoff (CDU) sieht wie andere Bürgermeister von betroffenen Kommunen in Hessen nur wenig Handlungsspielraum: Das größte Problem sei, dass es keine alternativen, günstigen Wohnungen gibt, der Markt sei leergefegt. Er könne Ordnungsgelder verhängen. Das hatten allerdings auch schon andere Kommunen versucht, wie Borken, aber ohne Erfolg.

"Ich erkenne hier eine Gesetzeslücke, die so nicht bestehen kann", sagt Bürgermeister Ruoff. Mieter zahlten ihre Nebenkosten, aber die würden nicht weitergegeben, der Kommune seien teils die Hände gebunden. Die Bürgermeister von Wabern und Borken im Schwalm-Eder-Kreis hatten schon versucht, vom Wirtschaftsministerium Hilfe zu bekommen. Aber am Ende scheitern die Bemühungen daran, dass die Kommune zwar entmieten dürften - dann aber geeigneten Wohnraum bräuchte.

Mangel an Sozialwohnungen wird zum Problem

Der Mangel an Sozialwohnungen wird so zu einem drängenden Problem. In Hessen ist die Zahl der Sozialwohnungen seit 2011 stark gesunken, von rund 123.000 auf rund 82.000 im Jahr 2022. Zwar rühmt sich das Wirtschaftsministerium damit, vor einigen Jahren eine Trendwende erreicht zu haben, als die Zahl der Sozialwohnungen langsam wieder stieg - insgesamt sind es aber trotzdem noch deutlich weniger als noch vor vor mehr als zehn Jahren.

Die hunderten Mieter des dubiosen Firmengeflechts können derzeit nur auf den Frühling hoffen, wenn wenigstens die Temperaturen wieder steigen. Oder sie finden auf dem angespannten Mietmarkt doch noch eine günstige Wohnung als Alternative.

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Sendung: hr-fernsehen, maintower, 31.01.2024, 18.00 Uhr

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Quelle: hessenschau.de