Kundgebung in Frankfurt Vor der Europawahl: Raven für die Demokratie
Ein breites Bündnis will einen Tag vor der Europawahl in Frankfurt ein Zeichen für eine starke Demokratie in Europa setzen: Anders als sonst geht es nicht von Parteien aus, sondern von Clubs und Kultureinrichtungen.
Am Sonntag findet die Europawahl statt – und schon jetzt ist klar: Die diesjährige Wahl am 9. Juni unterscheidet sich fundamental von den Wahlen der Jahre 2019 und 2014. Waren damals noch 56 Prozent und 38 Prozent der Deutschen stark an der Wahl interessiert, sind es laut ZDF-Politbarometer in diesem Jahr 61 Prozent. Experten rechnen mit einer hohen Wahlbeteiligung – und die Organisatoren eines Demokratie-Tags am Samstag in Frankfurt mit großem Andrang.
"Die aktuelle Stimmung ist polarisierter als bei der letzten Europawahl", erläutert Politikwissenschaftler Christian Stecker von der TU Darmstadt. "Unter anderem ist mit dem Ukraine-Konflikt ein weiteres wichtiges Thema hinzugekommen, in dem sich die Parteien unterscheiden. Auch die Auseinandersetzung zwischen AfD und etablierten Parteien ist seit dem Potsdamer Treffen intensiver geworden."
Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht trete zudem eine neue politische Kraft an, die ein Angebot mache, das es so bisher nicht geben habe. "Diese Faktoren dürften dazu beitragen, dass die Wahlbeteiligung insgesamt höher sein wird", prognostiziert Stecker.
AfD-Treffen als Auslöser für Demokratie-Bündnis in Frankfurt
Die Berichte über das Potsdamer Treffen hat Menschen in Frankfurt zusammengebracht. "Wir sind schon lange besorgt über den zunehmenden Rechtsruck in Deutschland und in Europa. Die schockierenden Enthüllungen des Correctivs über die Deportationspläne von AfD, Werteunion und Co. waren für uns der Anlass, in Frankfurt ein Zeichen zu setzen", sagte ein Sprecher des Koala-Kollektivs auf Anfrage.
Die Gruppe hatte sich 2020 ursprünglich als eine Frankfurter "Klimagerechtigkeitsgruppe" gegründet, die ihren Blick auf die Finanzindustrie warf. Später beteiligte sich die Gruppe an der Organisation der Demonstration "Demokratie verteidigen" im Januar dieses Jahres in Frankfurt, an der mehr als 40.000 Menschen auf dem Römerberg teilnahmen.
Seit März kommen Vertreter des Koala-Kollektivs, des StadtschülerInnenrats Frankfurt, des DGB Frankfurt, der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, des Frankfurter Jugendrings, der Diakonie Frankfurt und Offenbach sowie mehrere Einzelpersonen zusammen.
Ihr Ziel: eine große Demonstration am Samstag (8. Juni) vor der Europawahl.
Organisatoren schließen sich zusammen
Die Idee einer Demonstration entstand parallel auch bei einem anderen Zusammenschluss, dem Bündnis der Clubs und Kultureinrichtungen, das im März von mehreren Akteuren der Club- und Kulturszene vorgestellt wurde, wie Mitinitiator Daniel Prawetz berichtet. Auch hier kristallisierte sich schnell heraus, dass man vor der Europawahl noch mal aktiv werden wolle. Als man hörte, dass die Gruppe um das Koala-Kollektiv gerade dabei ist, eine Demo zu planen, fand man sich schnell zusammen. "Da wir gemeinsam mehr erreichen können, haben wir uns verknüpft", so Prawetz.
Dabei arbeitet der Zusammenschluss mit dem Bündnis "Rechtsextremismus stoppen – Demokratie verteidigen" zusammen, das seit Ende Mai bundesweit für Demonstrationen anlässlich der Europawahl mobilisiert.
Was passiert am 8. Juni in Frankfurt?
Es ist nicht nur eine Demonstration geplant, sondern ein ganzer Demonstrationstag. Unter dem Motto "V.O.T.Y. - Vote of the Year" soll am Samstag in der gesamten Frankfurter Innenstadt auf die Wahl am Sonntag hingewiesen werden.
Den Anfang macht ein dezentraler Demo-Rave ab 13 Uhr. Hierfür verantwortlich ist insbesondere das Bündnis der Clubs und Kultureinrichtungen, für die Musik sorgen Clubs aus der Region wie das Tanzhaus West und das Robert Johnson. Ebenfalls ab 13 Uhr gibt es von Sportclubs, Theatern und Initiativen verschiedene Aktionen.
So lädt die Triathlon-Ableitung von Eintracht Frankfurt auf dem Willy-Brandt-Platz zu einem "Demokratriathlon" (einem Hindernisparcours) ein, während auf der Hauptwache unter anderem das Junge Schauspiel ab 13.45 Uhr ein Theaterstück aufführt.
Andere Schauplätze sind die Grünanlage am Opernplatz, der Frankfurter Römer, die Bar Central in der Elefantengasse und die Bühne an der Alten Oper. Diese Bühne ist auch der Schauplatz des Herzstücks der Großdemonstration. Dort treten ab 17 Uhr mit Enissa Amani, Luisa Neubauer und Said Etris Hashemi mehrere Rednerinnen und Redner auf die Bühne.
Keine Partei-Politik
Das menschliche Miteinander soll laut der Organisatoren am Samstag im Fokus stehen – nicht Parteien. Deshalb wird zumindest auf dem Opernplatz darum gebeten, "komplett auf Nationalflaggen und Parteiflaggen sowie weitgehend auf Organisationsflaggen zu verzichten", heißt es auf der Website des Bündnisses.
Das Vereinende ist auch für das Bündnis der Clubs und Kultureinrichtungen, die die Demo-Raves am 8. Juni organisieren, wichtig: "Die Liebe zur Musik und das gemeinsame Feiern stellen verbindende Elemente und ein Lebensgefühl dar, die Trennlinien sehr gut überbrücken können", so ein Sprecher des Bündnis. Diese Erfahrungswerte wolle man gerne mit den jungen Menschen teilen, die durch die Corona-Pandemie nur selten gemeinsam feiern konnten. Zudem wolle man den Menschen ermöglichen, sich "in einem positiven Sinne" politisch zu beteiligen. "Demos können auch Spaß machen", sagt der Bündnis-Sprecher.
Was bringen Demos vor Wahlen?
Ob das Bündnis mit ihrem Vorhaben, den prozentualen Stimmenzuwachs rechtsextremer Parteien zu stoppen, erfolgreich sein wird, wird man erst nach der Wahl sehen können.
"Es gibt einige Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass Demonstrationen gegen rechtspopulistische Parteien dazu beitragen, deren Stimmenanteile zu stutzen", sagt der Darmstädter Politikwissenschaftler Stecker: "Beispielsweise finden sich Studien zu Italien und Frankreich, dass Demonstrationen die Stimmenanteile von Rechtspopulisten teilweise um bis zu 16 Prozent drücken."
Nach dem Erfolg der Demonstration im Januar rechnen die Organisatoren an diesem Samstag mit vielen Teilnehmenden. Die Stadt rechnet mit bis zu 15.000 Menschen, die deswegen in die Innenstadt kommen.
Wo wird noch demonstriert?
Doch nicht nur in Frankfurt wird vor der Europawahl demonstriert. In Gießen ruft der CSD Mittelhessen am Samstag zu einer Demo unter dem Motto "Gemeinsam gegen rechts" auf. Dann wollen auch im Rheingau-Taunus-Kreis Menschen für Europa auf die Straße gehen: in Niedernhausen, Bad Schwalbach und Eltville.
Schon am Freitag (7. Juni) finden in weiteren Städten Demonstrationen für die Demokratie statt. In Friedrichsdorf (Hochtaunus) kommen Menschen bei der Veranstaltung "Hand in Hand gegen Rechtsruck - Menschenrechte kennen keine Grenzen" zusammen. In Marburg (Marburg-Biedenkopf) finden sich Bürger unter dem Titel "Zusammen für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus" zusammen. Am Bahnhof in Wiesbaden wird ebenfalls für eine bunte Stadt demonstriert. In Messel (Darmstadt-Dieburg) findet ein "Bürgerspaziergang für Demokratie und Mitmenschlichkeit" statt, am gleichen Tag treffen sich auch in Dieburg Menschen zu der Aktion "Gelebte Solidarität - hier und jetzt - im Herzen Europas".
Sendung: hr-fernsehen, Europawahl: Blind Date mit dem Wähler, 05.06.2024, 20.15 Uhr
Ende der weiteren Informationen