Weltdiabetestag Diese Hundenase kann Leben retten
Im Alter von vier Jahren wird bei Casey Gabler aus Rimbach Diabetes Typ 1 festgestellt. Ihr Alltag ändert sich drastisch. Sicherheit gibt ihr und ihrer Familie Hund Cheikh: Er meldet sich, sobald ihr Blutzuckerspiegel zu hoch oder tief ist.
Dieser Hund ist nicht nur Casey Gablers bester Freund, sondern auch eine Art Lebensversicherung: Der sieben Jahre alte Australian Shepherd Cheikh ist ein ausgebildeter Diabetes-Warnhund und zeigt an, wenn der Blutzucker-Spiegel der 16-Jährigen aus Rimbach (Odenwald) zu hoch oder zu niedrig ist. "Er stupst mich mit der Nase an und macht mir deutlich, dass etwas nicht stimmt", berichtet Casey: "Er hat mir schon oft geholfen."
Casey war vier Jahre alt, als bei ihr Diabetes Typ 1 festgestellt wurde. Die Autoimmunerkrankung wird durch einen Mangel des Hormons Insulin verursacht und beginnt meist im Kindes- und Jugendalter.
Ihre Eltern konnten sich die Wesensveränderung, die die Krankheit mit sich brachte, zunächst nicht erklären. "Sie war immer ein sehr ruhiges Kind", erinnert sich Mutter Rebecca Gabler. "Plötzlich hat sie nur noch geschrien, um sich geschlagen und ist im Kindergarten andere Kinder angegangen."
Diabetes-Diagnose überrascht Familie
Die Diagnose Diabetes war für die Familie ein Schock. Sie habe damals gedacht, Diabetes sei "etwas, das nur alte Menschen bekommen", sagt Rebecca Gabler. "Casey war immer ein gesundes Kind, hat viel Sport gemacht, wenig Süßes gegessen, war nie krank - und dann plötzlich das."
Die Vierjährige wurde zunächst stationär in einer Klinik aufgenommen. "Wir haben eine Schulung nach der anderen bekommen", sagt Rebecca Gabler, etwa zur Berechnung der benötigten Insulinmenge oder zum Spritzen.
"Casey hat es besser aufgenommen als wir Eltern", berichtet Gabler. Schon in der Klinik habe sie angefangen, ihren Blutzuckerwert selbst zu messen und sich zu spritzen. "Das hat uns vieles erleichtert."
Unterzuckerung führt zu Verwirrtheit und Panik
Trotzdem dauerte es, bis die Familie sich an den neuen Alltag gewöhnte und Casey richtig eingestellt war. "Wir mussten umdenken", sagt Rebecca Gabler und meint damit, von einer möglicherweise kleinen Verhaltensänderung auf einen zu niedrigen oder auch zu hohen Blutzucker zu schließen.
Anfangs hatte Casey besonders mit Unterzucker zu kämpfen. In diesen Fällen sei es ihr schwer gefallen, sich zu konzentrieren, und sie sei verwirrt gewesen. "Sie hat es zum Beispiel nicht mehr hinbekommen, Türen zu öffnen, ist blass und panisch geworden und hat uns als Eltern nicht mehr erkannt", berichtet Gabler.
Durch einen sogenannten Pod, den Casey etwa am Bauch oder am Bein trägt und der bis zu drei Tage lang kontinuierlich Insulin an den Körper abgibt, wurde der Alltag im Verlauf der Jahre zwar zunehmend leichter. Trotzdem waren ihre Eltern immer angespannt, schließlich kann so ein Messgerät auch einmal einen Defekt haben. "Man ist immer in Habachtstellung", sagt Caseys Mutter.
Hunde nehmen Anzeichen frühzeitig wahr
In einem Internetforum erfuhr die Familie dann von Diabetes-Warnhunden. Sie werden bereits im Alter von 18 bis 24 Monaten darauf trainiert, eine Unterzuckerung - die im schlimmsten Fall im Koma endet - zu erkennen und entsprechend anzuzeigen. Studien zufolge zieht eine Veränderung des Blutzuckers im Körper eine reduzierte Sauerstoffsättigung und einen anderen Geruch nach sich.
Hunde können diese Veränderungen wahrnehmen und nach einer entsprechenden Ausbildung ohne Kommando vor einer drohenden Unter- oder Überzuckerung warnen, bevor diese tatsächlich eintritt. Sie stupsen die Diabetes-Patientinnen und -Patienten beispielsweise an oder bellen, um auf eine anstehende Insulingabe aufmerksam zu machen. Manche Tiere sind sogar darauf trainiert, eine Notfalltasche zu holen.
Rimbacher sammeln Spenden
Die Hunde der Familie Gabler waren jedoch zu alt, um sie zu Diabetes-Warnhunden ausbilden zu lassen. Zudem kämen Krankenkassen nicht für die Anschaffung eines solchen Tieres auf, erfuhren die Gablers. Rund 16.000 Euro aus der eigenen Tasche zahlen - das war nicht drin. "Deswegen haben wir uns das erst einmal wieder aus dem Kopf geschlagen", erzählt Caseys Mutter.
Bis eine Bekannte einen erfolgreichen Spendenaufruf startete. Unter anderem Schulen in der Umgebung beteiligten sich daran und ermöglichten es der Familie Gabler, doch einen Warnhund aufzunehmen.
Zwischen dem Australian-Shepherd-Welpen Cheikh und der damals acht Jahre alten Casey herrschte vom ersten Aufeinandertreffen an ein inniges Verhältnis. "Er lag direkt auf meinem Schoß und ist an mir hochgeklettert", erinnert sich Casey. "Da haben wir sofort gewusst: Den nehmen wir."
Cheikh ist schneller als das Messgerät
Cheikh wurde bei einer zertifizierten Trainerin in Hanau ausgebildet. Er lernte Caseys Geruch kennen und verinnerlichte, was er zu tun hat, wenn dieser sich verändert. Der Hund warne sogar schneller als das Messgerät, sagt Casey. "Er merkt oft 15 Minuten vor dem Gerät, dass der Blutzucker sinkt oder steigt."
Dafür müsse er noch nicht einmal im selben Haus wie ihre Tochter sein, sagt Rebecca Gabler: "Auch wenn sie zwei, drei Häuser weiter ist, zeigt er eine Veränderung an. Das ist genial." Seitdem Cheikh in der Familie sei, habe Casey keine Probleme mit Unterzuckerung mehr gehabt.
"Lebensqualität ohne Ende"
Sogar nachts ist der Warnhund an der Seite der 16-Jährigen. Verändert sich ihr Blutzucker, stupst er sie mit seiner Nase an oder jault, bis sie wach wird. "Wir können uns auf ihn verlassen", sagt Caseys Mutter: "Das ist Lebensqualität ohne Ende." Sie könne sich an keine Situation erinnern, in der der Rüde einmal falsch gelegen habe. "Cheikh passt super auf Casey auf."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 14.11.2023, 19.30 Uhr
Ende der weiteren Informationen