Einziger Kassensitz futsch Warum Krebspatienten in Nordhessen für ihre Bluttransfusion drei Tage in die Klinik müssen
Eine Bluttransfusion bekommen Krebspatienten in ihrer onkologischen Praxis. Nach zwei bis drei Stunden können sie nach Hause. In Nordhessen ist dafür jetzt ein dreitägiger Klinikaufenthalt nötig. Der Grund: ein Formfehler.
"Bei der Krankheit fehlt irgendwann die Kraft, irgendwas zu machen. Ich muss mich für alles aufraffen”. Rosemarie Krug aus Niedenstein (Schwalm-Eder) ist schon seit vielen Jahren Krebspatientin und auf eine engmaschige ärztliche Behandlung angewiesen. Bluttransfusionen sind für sie überlebenswichtig, sie geben ihr ein Stück Kraft zurück.
Bislang wurde Krug bei ihrer Onkologin Blut abgenommen, beim Deutschen Roten Kreuz im Kasseler Labor untersucht und mit frischem Blut gekreuzt. Am nächsten Tag konnte Krug die passende Bluttransfusion in der Praxis erhalten - und direkt wieder nach Hause fahren. Das ist so jetzt nicht mehr möglich. Denn den Kassensitz, der für diesen ambulanten Service nötig ist, gibt es nicht mehr.
Kassensitz wegen Formfehler futsch
Denn seit dem letzten Jahr hat das Labor keine ambulante Zulassung mehr. Eigentlich hätte der Kassensitz eines ausgeschiedenen Kollegen an den Blutspendedienst übergeben werden sollen, erklärt Andreas Opitz, Ärztlicher Leiter des DRK-Blutspendedienstes in Kassel, dies sei aus formalen Gründen nicht passiert. Der Sitz sei von der kassenärztlichen Vereinigung einbehalten worden.
Man habe keine Möglichkeit, sich darauf zu bewerben, so Opitz, "er ist komplett gestrichen worden." Die Leidtragenden seien die Patienten und die Kollegen, die diese Patienten versorgten. Vorher konnten Patientinnen und Patienten nach der zwei bis drei Stunden dauernden Behandlung in ihrer onkologischen Praxis nach Hause gehen. Das ist jetzt anders: denn für eine Bluttransfusion ist ein Klinikaufenthalt nötig - insgesamt drei Tage.
Nur noch vier statt fünf Sitze für ambulante Transfusionsmedizin
In ganz Hessen gab es bisher fünf Sitze für ambulante Transfusionsmedizin. Drei in Frankfurt, ein halber jeweils in Darmstadt und Gießen - und einer in Kassel. Da dieser jetzt gestrichen ist, wird die ambulante Versorgung von über 500 schwerkranken Patienten schlechter.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wollte sich auf hr-Anfrage weder schriftlich noch mündlich zu dem Verfahren äußern. Ein Sprecher teilte mit, es handele sich um ein laufendes Verfahren, das beim Zulassungsausschuss liege.
DRK sieht Verschlechterung der Versorgungsqualität
Auch wenn die Versorgung für ganz Hessen betrachtet gut sei, sieht Opitz die funktionierende Struktur für Nordhessen erst mal am Ende. Man sei in der Lage gewesen, Patienten innerhalb von wenigen Stunden zu versorgen. Auch weil man Blut für ganz Nordhessen vorhalte und ein entsprechend großes Depot passender Blutpräparate habe.
Die jetzige Situation bedeute für die Patienten vor allem eins: eine Verschlechterung in der Versorgungsqualität.
Enormes Kostenrisiko für Klinik
Im Klinikum Kassel sieht man die Entwicklung ebenfalls kritisch. Zumal eine stationäre Behandlung der Patientinnen und Patienten gar nicht nötig sei, bestätigt Johannes Brack, Geschäftsführer des Klinikums Kassel.
Für die Klinik ergebe sich daraus eine primäre Fehlbelegung und ein enormes Kostenrisiko, da nicht klar sei, ob diese Fälle bezahlt würden. Laut aktueller Gesetzgebung drohe zudem ein weiteres Risiko. Für eine unberechtigterweise durchgeführte Behandlung drohe sogar eine Strafzahlung.
Für Patientin Krug ist der regelmäßige Klinikaufenthalt eine unnötige Belastung. Ändern kann sie es nicht. Sie sei froh, dass sie überhaupt Blut kriege, sagt sie. Die Transfusion ambulant bekommen zu können, wäre für sie besser - und ermögliche mehr Lebensqualität.
Opitz hofft, dass für Nordhessen schnell eine Lösung gefunden wird. Die Ärzte vom Deutschen Roten Kreuz wollen alles dafür tun, den Kassensitz zurückzubekommen. Für Patientinnen wir Rosemarie Krug ist das ein Hoffnungsschimmer.
Redaktion: Stefanie Küster
Sendung: hessenschau, 31.01.2024, 19:30 Uhr