Recht auf Schutz und Hilfe Was bedeutet das Gewalthilfegesetz für Frauen in Hessen?
Mehr Mittel für Frauenhäuser und Beratungsangebote: Ab 2032 könnte das sogenannte Gewalthilfegesetz in Kraft treten. Damit sollen Frauen einen rechtlichen Anspruch auf Hilfsangebote wie einen Platz im Frauenhaus bekommen. Aber reicht das aus?
Fast jeden Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch häusliche Gewalt - das geht aus einem Bericht des Bundeskriminalamtes hervor. Der Bundestag hat am 31. Januar 2025 das neue Gewalthilfegesetz beschlossen, das für Opfer von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt künftig einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe vorsieht. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen. Die Entscheidung dazu soll am Freitagvormittag fallen.
Frauen in Not werden abgewiesen
Seit Jahren klagen die Frauenhäuser über zu wenige Plätze. Martina Evertz leitet das Frauenhaus Bergstraße mit Geschäftsstelle in Bensheim. "Wir sind eigentlich immer ausgebucht, also es ist ganz selten ein Zimmer frei und wir müssen jedes Jahr sehr viele abweisen, die akut Schutz brauchen."
Und es werden laut Evertz immer mehr: 2021 habe sie 42 Frauen mit 47 Kindern abweisen müssen, 2023 seien es 112 Frauen mit 135 Kindern gewesen, die sie nicht aufnehmen konnte.
So ist die Lage in Hessen
2023 standen nach Angaben des hessischen Sozialministeriums in den 31 hessischen Frauenhäusern 333 Plätze zur Verfügung. Gemäß der sogenannten Istanbul-Konvention, einem europäischen Abkommen zum Schutz von Frauen, müssten es fast doppelt so viele sein.
Die hessische Landesregierung hatte dazu im November bereits das sogenannte "Frauensicherheitspaket" verabschiedet, das unter anderem auch Hilfsangebote für Frauen vorsieht. Mit welchen Summen, wurde nicht angegeben. Jetzt könnte der Bund den Ländern durch das beschlossene Gewalthilfegesetz zusätzlich Druck machen, wenn der Bundesrat dem Vorhaben zustimmt. Die Bundesländer und Kommunen wären dann gesetzlich dazu verpflichtet, ausreichend Schutzräume und Beratungsangebote zu schaffen.
Was bedeutet ein Recht auf Schutz?
Evertz begrüßt den geplanten Ausbau der Schutzkapazitäten, ist aber auch skeptisch: "Ich glaube, man kann es ein bisschen vergleichen mit dem Anspruch auf einen Kita-Platz. Da weiß man ja, dass Eltern einen Anspruch haben, der aber trotzdem nicht umgesetzt werden kann."
Dorothea Hecht vom Verein Frauenhauskoordinierung e.V. hält das Gewalthilfegesetz für einen "wichtigen Meilenstein". Trotzdem sehe sie die Herausforderung darin, "dass das Geld auch tatsächlich da ankommt, wo es gebraucht wird".
Wer soll die Kosten übernehmen?
Die Bundesregierung möchte den Ländern für die Umsetzung des Gewalthilfegesetzes 2,6 Milliarden Euro bereitstellen. Davon kommen rund 197 Millionen Euro in einem Zeitraum von 2027 bis 2036 in Hessen an, wie das Sozialministerium auf hr-Anfrage mitteilte. Wie die hessischen Mittel dann genau verteilt werden, soll eine Bedarfsanalyse ergeben.
Bisher gibt es keine einheitlichen Regelungen, wie sich die Fachberatungsstellen und Frauenhäuser finanzieren. Zwischen Ländern und sogar zwischen den Kommunen kann die Finanzierung stark variieren.
Das Frauenhaus Bergstraße deckt die Kosten zum Beispiel aus Landes- und Kreismitteln, sowie durch eine Mietbeteiligung der aufgenommenen Frauen. Trotzdem geht es nicht ohne Spenden, wie Martina Evertz erzählt: "Jedes Jahr müssen wir rund 40.000 Euro aus Spenden finanzieren. Das ist für einen Verein eine gewaltige Summe."
Mit Beratungsangeboten früh ansetzen
Neben dem Ausbau von Schutzkapazitäten in Frauenhäusern sollen auch Beratungsangebote vom neuen Gesetz gefördert werden. Denn dem Schritt in ein Frauenhaus zu gehen, gehe meist viel Zeit und Leid voraus, sagt Frauenhausleiterin Evertz.
"Erfahrungsgemäß dauert es bei physischer Gewalt sieben Jahre, bis eine Frau diese Situation verlässt - bei psychischer Gewalt 15 Jahre." Deshalb sei die Beratung von Frauen wichtig, bevor die Gewalt eskaliere.
Gewalt an Frauen stoppen, bevor sie beginnt
Auch für Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit soll mit dem Gewalthilfegesetz Geld zur Verfügung gestellt werden. Dorothea Hecht vom Verein Frauenhauskoordinierung e.V. sieht die Prävention und Sensibilisierung als eine der zentralsten Maßnahmen im Kampf gegen Gewalt an Frauen.
Sie hofft, dass auch wirklich genügend Geld dort eingesetzt wird: "Eigentlich sollten Frauenhäuser nicht ausgebaut werden müssen, sondern gar nicht mehr gebraucht werden. Wir brauchen im Grunde ein Frühwarnsystem, das viel früher ansetzt: Bevor die Gewalt sich entwickelt und kaum noch zu beherrschen ist."