Wegen Notquartier in bayerischem Nachbarort Land will für Krippenkinder im Odenwald nicht zahlen
Der Mangel an Betreuungsplätzen für Kinder ist in Breuberg im Odenwald akut. Umso größer die Erleichterung, als die örtliche Krippe Ausweichräume im angrenzenden Bayern fand. Doch diese Lösung droht nun ein Loch in ihr Budget zu reißen.
Die Kita Mäusebande ist die einzige reine Kinderkrippe im südhessischen Breuberg. Hier werden Kinder im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren betreut, und wie überall im Land sind auch in diesem Odenwaldstädtchen die Plätze dafür knapp und begehrt. Doch einige davon stehen auf der Kippe.
Anne Stapp ist eine Mutter, die in Sorge ist deswegen. Sie bringt ihre zweijährige Tochter Ida seit einem Jahr regelmäßig in die Krippe. "Ohne den Krippenplatz könnten mein Partner und ich nicht beide arbeiten, denn wir haben keine andere Betreuungsmöglichkeit. Das würde finanzielle Einbußen mit sich bringen", sagt die 30-Jährige. Auch andere Eltern sind aus diesem Grund auf einen Krippenplatz angewiesen, auch sie bangen jetzt.
Ohnehin schon zu wenige Plätze
Das Problem in Breuberg ist folgendes: 70 Kinder werden in der Kita Mäusebande derzeit betreut, etliche Eltern warten auf einen Betreuungsplatz. Doch schon für die 70 Krippenkinder ist in Breuberg selbst kein Platz - weswegen der Trägerverein der Kita für 25 von ihnen im Nachbarort Mömlingen Räume für sie gefunden hat.
Mömlingen liegt zwar schon kurz hinter der nahen hessischen Landesgrenze zu Bayern, aber auch nur etwa sechs Kilometer entfernt von Breuberg. Die Mäusebande verteilt sich ohnehin über mehrere Standorte, Räume sind auch in den Breuberger Ortsteilen Wald-Amorbach und Sandbach angemietet.
Nadine Morillas, die pädagogische Leiterin der Kinderkrippe, berichtet, dass sich die Lösung mit der kommunalen Nachbarschaftshilfe Ende vergangenes Jahr ergeben habe. Im Mömlinger Kindergarten gab es genug Platz, um einige Kinder aus Breuberg aufzunehmen.
Empfindliche Finanzierungslücke
Vor dem Teilumzug dorthin habe sie beim Regierungspräsidium Kassel die Lage mit der Platznot in Breuberg geschildert und nachgefragt, ob es in Ordnung sei, wenn die Mäusebande eine Dependance in Bayern eröffne, schildert Morillas. Sie habe "telefonisch die Auskunft erhalten, dass das eigentlich kein Problem sein dürfte, weil es ja hessische Kinder seien. Außerdem meinten sie, dass es so einen Fall in Hessen noch nie gegeben habe."
Ein paar Monate später zeigt sich, dass es eben doch ein Problem gibt deswegen. Das hessische Sozialministerium schreibt dem Trägerverein der Mäusebande, es zahle in diesem Jahr die Fördermittel in Höhe von 116.000 Euro für die 25 Kinder nicht aus, da diese nun in Bayern betreut würden. Der Trägerverein der Breuberger Kinderkrippe finanziert sich zum größten Teil aus Fördergeld vom Land.
Auf Nachfrage des Hessischen Rundfunks teilt das Sozialministerium mit, dass nun Bayern für die betroffenen Kinder der Krippe verantwortlich sei. Doch aus Bayern kommt kein Geld - mit der Begründung, dass es sich um Kinder mit hessischem Wohnsitz handele.
Wut auf Behörden
Dieses Hin und Her der Behörden macht Nadine Morillas wütend. "Denen geht es nur um Zahlen, Fakten, Paragraphen. Aber uns geht es auch um die Kinder und die Familien, die sich auf uns und ihren Krippenplatz verlassen", sagt sie. "Das macht einen einfach nur traurig und fassungslos."
Das Drama um die Mäusebande hat damit einen Höhepunkt erreicht. Ihre Geschichte ist geprägt von der Suche nach Räumen. Seit der Gründung vor 18 Jahren sucht der Trägerverein nach einem großen Haus oder einem Bauplatz in Breuberg - bislang vergeblich. Die Stadt vermittelte anzumietende Räume und half aus mit einer Containeranlage, die von 2018 bis 2022 auf dem Feuerwehrplatz standen. Rund 40 Kinder wurden dort betreut.
Letztlich seien die Container jedoch zu eng und zu dunkel gewesen für die Kinder und die Erzieherinnen, sagt Krippenleiterin Morillas. In der Nähe liege ein Basketball-Platz, wo Jugendliche oft leere Flaschen und Müll zurückgelassen hätten. Nach wenigen Jahren seien die Container auch marode gewesen.
Hoffen auf Bauprojekt - und den Landtag
Im Jahr 2020 schien dann eine gute Lösung zum Greifen nah. Auf dem Gelände eines ehemaligen Hotels in Breuberg-Neustadt sollte ein neues Gebäude entstehen, groß genug für alle Kinder der Mäusebande. Vier Millionen Euro investierte die Stadt Breuberg bisher, doch die Fertigstellung verschob sich - auch corona-bedingt - immer wieder. Ende dieses Jahres soll das Haus endlich einzugsbereit sein.
Auch deswegen war Breubergs Bürgermeisterin Deirdre Heckler (SPD) so dankbar über die Hilfe aus dem Nachbarort Mömlingen. Umso unverständlicher ist für sie jetzt, dass das Land einen Teil des Fördergelds zurückhält: "Es kann doch nicht sein, dass wir als Grenzkommune dafür bestraft werden, dass wir Hilfe aus unserer Nachbarschaft erhalten haben." Die Bürgermeisterin will das Thema nun im Landtag einbringen.
Sendung: hr-iNFO, 10.05.2023, 7.46 Uhr
Ende der weiteren Informationen