Einsamkeit im Fastenmonat Wie alleinlebende Muslime den Ramadan begehen
Für mehr als 600.000 Musliminnen und Muslime in Hessen beginnt der Fastenmonat. Mit Ramadan sind Rituale wie das gemeinsame Fastenbrechen mit der Familie verbunden. Was aber, wenn die weit weg lebt? Drei Betroffene berichten, wie sie die Zeit erleben.
Die gesamte Familie sitzt am Tisch. Alle beten leise und warten auf den Gebetsruf zum Sonnenuntergang, das Zeichen, um gemeinsam das Fasten zu brechen. So oder so ähnlich sieht im Ramadan ein Abend bei einer muslimischen Familie aus.
Rund zehn Prozent der Bevölkerung in Hessen sind laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muslimisch. Mit dem am Sonntag beginnenden islamischen Fastenmonat verbinden sie verschiedene Rituale und ein Gefühl von Gemeinschaft. Aber nicht alle haben ihre Familien im Ramadan um sich. Drei Muslime berichten über Einsamkeit und was sie dagegen tun.
Hilal: "Meine Familie wird mir fehlen"
Die 27 Jahre alte Hilal lebt seit vier Jahren in Darmstadt. Dort studiert sie Soziale Arbeit. Ramadan wird sie alleine verbringen - ihre Familie lebt in Braunschweig. "Zum Ramadan wird mir meine Familie ganz stark fehlen, darüber denke ich schon seit Wochen nach", sagt sie. "Ramadan ist nämlich eine Zeit der Gemeinsamkeit."
Schon vor zwei Jahren sei sie zu Ramadan allein gewesen. Da habe sie sich einsam gefühlt. "Gerade wenn die Familie nicht da ist, stehe ich in der Nacht vor dem Sonnenaufgang nicht auf, um vor dem nächsten Fastentag zu essen", sagt Hilal. "Das ist mir zu trist. Ich bleibe dann nur beim Iftar, dem Mahl nach Sonnenuntergang." Dabei sei sie meist allein.
Während des Ramadan versuche sie deshalb, mehr Zeit mit ihren Freundinnen und Freunden zu verbringen, sagt Hilal. Ihr gefalle, wie divers das Rhein-Main-Gebiet sei. "Zum Zuckerfest sieht man in Darmstadt Menschen verschiedener Kulturen, die ihre Gewänder oder kulturelle Kleidung anhaben. Man begrüßt sich und gratuliert sich, obwohl man sich nicht kennt. Das finde ich toll."
Dennoch gebe es Dinge, die sie vermisse, etwa der Gebetsruf bei Einbruch der Dunkelheit und das Gefühl, dass alle zeitgleich das Fasten brechen. Kurz vor dem Zuckerfest im April will sie deshalb zu ihrer Familie fahren.
Saria: "Ich koche für meine deutsche Nachbarschaft"
An Einsamkeit habe er sich schon gewöhnt, sagt Saria. Der 32 Jahre alte Syrer wohnt in der Nähe von Hanau und fastet seit geraumer Zeit jedes Jahr allein. Ramadan verstärke das Gefühl des Alleinseins deswegen nicht. Er vermisse in dieser Zeit aber bestimmte Stadtteile in seiner Heimatstadt Damaskus, die für ihn mit Ramadan verbunden sind.
"Ich versuche, im Ramadan mehr zu kochen, was ich sonst nicht so oft tue", so Saria. "Meine deutsche Nachbarschaft bekommt im Ramadan auch Essen von mir. Ich erkläre auch die Werte, die hinter dem Fasten stecken, wie Geduld, Toleranz und Einfühlsamkeit."
In seiner Umgebung höre er manchmal Kritik am Fastenmonat. Dabei sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass es der Gesundheit guttue, sagt Saria. "Ich finde solche Kommentare nicht in Ordnung. Warum denken einige, dass Fasten eine Art von Qual ist? Ich mache es wegen meines Glaubens, und es tut mir sehr gut."
Aktionen wie die Ramadan-Beleuchtung in der Innenstadt Frankfurts findet er gut. "Das gibt ein Gefühl von Zugehörigkeit: Wir leben und arbeiten hier und gehören schon zu Deutschland. Ich bin auch Deutsch und würde mich freuen, wenn Zucker- oder Opferfest irgendwann zu offiziellen Feiertagen in Deutschland werden."
Mariam: "Man kann seine eigene Community finden"
Viele mit Ramadan verbundene Erinnerungen haben sich in Mariams Kopf (Name von der Redaktion geändert) eingebrannt. "In meiner Familie habe ich gesehen, dass die Menschen netter zueinander geworden sind", sagt die 27 Jahre alte Studentin. "Denn man lernt daraus, geduldig zu sein und seine Wut zu reduzieren."
Mariam stammt aus dem Iran. Seit fünf Jahren lebt sie alleine in Frankfurt. Aus gesundheitlichen Gründen fastet sie nicht. Das Gefühl von Verbundenheit, das der Fastenmonat mit sich bringe, fehle ihr trotzdem. "Im Ramadan hast du das Gefühl, man muss das feiern oder mit seiner Familie zusammen sein."
Aber auch ohne Familie könne man versuchen, seine eigene Community zu finden, sagt Mariam. Sie fühle sich im Ramadan weniger einsam als an Weihnachten, weil ihre Freundinnen und Freunde zu dieser Zeit meist bei deren Familien seien.
Dass sich alle Religionsangehörige gegenseitig respektieren, ist der Studentin wichtig. "Ich habe muslimische Kommilitoninnen, die fasten und im Ramadan nicht mit in die Mensa kommen. Da habe ich nie negative Kommentare oder Reaktionen mitbekommen. In meiner Umgebung sind die Menschen sehr offen."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 10.03.2024, 19.30 Uhr
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