Ländlicher Raum Wie eine Klinik sich fit machen will für die Krankenhausreform
Die Reformpläne des Bundesgesundheitsministers sorgen auch in hessischen Kliniken für erhöhten Puls. Kleinere Häuser bangen um ihr Fortbestehen. Ein Krankenhaus im Vogelsberg unternimmt einiges, um systemrelevant zu bleiben.
Wenn Gerhard Schlitt über die Pläne zur Krankenhausreform spricht, bekommt der Stiftungsratvorsitzende des Krankenhauses Eichhof in Lauterbach rasch höheren Blutdruck. Die Unzufriedenheit wegen des Vorhabens von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sei groß, sagt er - und die Verunsicherung über die Zukunft ebenso.
Nicht nur das kleine, seit 1877 bestehende Krankenhaus in der überschaubaren Vogelsberg-Kreisstadt bangt angesichts der bislang nur skizzierten Umstrukturierungen um sein Fortbestehen, wie Schlitt berichtet: "Nervosität macht sich in allen Häusern breit."
Schlitt befürchtet mit Blick auf die Reform, die eine stärkere Spezialisierung und eine veränderte Finanzierung der Kliniken verfolgt: Kleinere Häuser könnten im Streben nach einem schlankeren Gesundheitswesen auf der Strecke bleiben, größere Häuser bevorzugt werden.
Defizit trotz hoher Auslastung
Das Ausmaß und die Auswirkungen der Reform könne man noch nicht überblicken, das Gesetzgebungsverfahren laufe ja noch, räumt Schlitt ein. Doch im Krankenhaus Eichhof hat man sich entschlossen, schon mal in Vorleistung zu gehen und sich möglichst fit zu machen für die Zukunft.
Das von einer Stiftung getragene Krankenhaus Eichhof ist ein eher kleines Haus der Grund- und Regelversorgung. Es hat 240 Betten und 650 Beschäftigte, die jährlich 10.000 Patienten stationär (mit fallender Tendenz) und 32.000 Patienten ambulant (mit steigender Tendenz) behandeln und pflegen.
Obwohl das Eichhof mit einer Patienten-Auslastung von rund 80 Prozent gut laufe, schreibe es rote Zahlen, sagt Klinikvorstand Mathias Rauwolf. Das Defizit habe zuletzt zwischen einer und zwei Millionen Euro pro Jahr gelegen. Es sei auch schon mal höher gewesen. Das alles sei aber nicht auf schlechtes Wirtschaften zurückzuführen, versichert Rauwolf.
Unzufrieden mit Fallpauschalen
Die Fallpauschalen - die festgelegten Vergütungssätze für jede Behandlung - und damit die Einnahmen des Krankenhauses seien nicht kostendeckend, stellt Rauwolf fest. Denn die Sätze seien nicht im gleichen Maß gestiegen wie die erhöhten Ausgaben für das Personal infolge von Tarifabschlüssen, dazu habe die Inflation die Kosten für Energie und Material in die Höhe getrieben.
Dies alles werde durch die Zahlungen der Krankenkassen nicht ausgeglichen. Mit diesen Problemen hätten alle Kliniken zu kämpfen, sagt Rauwolf. Die meisten der 130 hessischen und mehr als 1.700 Häuser bundesweit schrieben rote Zahlen. Auch deswegen findet der Lauterbacher Klinikvorstand: Es brauche eine Krankenhausreform.
Wichtiger Baustein der Reform: Vorhaltepauschalen
Mit dem Plan von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, die Kliniken unabhängiger von den Fallpauschalen zu machen und deren Budget zu 60 Prozent über sogenannte Vorhaltepauschalen abzudecken, kann sich die Leitung des Krankenhauses Eichhof anfreunden. Die Häuser erhielten somit Geld, egal wie viele Behandlungen sie duchführen. "So kommen wir hoffentlich aus dem Hamsterrad heraus, jedes Jahr mehr Leistungen erbringen zu müssen, nur um etwa die Tarifsteigerungen und Fixkosten zu decken", sagt Rauwolf.
Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs sagte Lauterbach zudem: "Wir brauchen mehr Spezialisierung, wir brauchen weniger Bürokratie. Und wir brauchen eine sichere Finanzierung für die Häuser, die wir dringend benötigen, insbesondere im ländlichen Raum."
Dieses Bekenntnis zur Bedeutung der Kliniken im ländlichen Raum aus dem Mund des Bundesgesundheitsministers war dem Eichhof-Stiftungsratsvorsitzenden Schlitt neu. Und er traut ihm auch nicht so ganz. "Ich habe nicht den Eindruck, dass ländliche Krankenhäuser sonderlich unterstützt werden", sagt er. Der Kostendruck sei dort heftiger als in größeren Häusern.
Daher hat die Krankenhausleitung in Lauterbach aus ihrer Sicht bereits etliche Schritte unternommen, um auch in Zukunft als unverzichtbar zu gelten - egal, wie die Krankenhausreform ausfallen wird.
Spezialisierung eingeleitet
"Wir haben in den vergangenen Jahren vieles auf den Prüfstand gestellt und auf den Weg gebracht. Wir wollen nicht abwarten, was auf uns zu kommt, sondern selbst aktiv werden", sagt der Ärztliche Direktor Johannes Roth.
Weil ja nicht mehr alle Kliniken das größtmögliche Behandlungsangebot vorweisen sollen, konzentriert sich das Eichhof unter anderem auf die Innere Medizin, Gastroenterologie, Kardiologie, Psychiatrie, Unfallchirurgie und Orthopädie. Die Gefäßchirugie sei hingegen geschlossen worden, berichtet Roth.
Dazu habe man Arbeitsabläufe wie etwa OP-Pläne optimiert und in neue Technik investiert, zum Beispiel in einen Magnetresonanztomographen (MRT). Der habe zwar eine Million Euro gekostet, "ist aber gut ausgelastet und führt dazu, dass wir deswegen keine Patienten verlegen müssen", sagt Rauwolf. Um sich von hohen Energiekosten ein Stück weit zu entkoppeln, beziehen sie am Eichhof mittlerweile Wärme aus einem Blockheizkraftwerk und Strom aus eigenen Photovoltaikanlagen.
"Kurze Wege retten Leben"
Einen Vorteil für das Lauterbacher Krankenhaus sieht dessen Ärztlicher Direktor auch in seiner Lage. Die nächsten Häuser seien das Kreiskrankenhaus in Alsfeld, das Klinikum Fulda und die Kliniken in Schotten und Bad Hersfeld, alles nicht eben um die Ecke, sagt Roth: "Bei einem Herzanfall zählt jede Minute. Kurze Wege retten Leben." Und wie sollten andere Kliniken die jährlich mehr als 10.000 Patienten allein aus der Lauterbacher Notaufnahme versorgen, fragt er.
Die Leitung des Eichhof-Krankenhauses nimmt für sich in Anspruch, auch viel unternommen zu haben, um alle wichtigen Stellen zu besetzen. Pflegekräfte habe man in Rumänien, Bulgarien, Serbien und Ungarn angeworben. Zudem kooperiere man mit der Universität Gießen bei der Ausbildung von Medizinstudenten, von denen man hoffe, dass manche als Ärztin oder Arzt ans Eichhof Krankenhaus kommen.
Landesregierung fordert Klarheit
Die hessische Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) fordert mehr Klarheit, was die geplante Reform angeht: "In Hessen bereiten wir die Reform seit Monaten vor. Wir analysieren und bewerten Daten, wir diskutieren Prognosen und Modelle, um bestmöglich vorbereitet zu sein. Der Bund muss jetzt dringend die Rahmenbedingungen klarstellen."
Die Leitung des Eichhof-Krankenhauses in Lauterbach pocht auch auf eine zusätzliche finanzielle Unterstützung. "Die Transformation wird Zeit und Geld kosten", sagt Rauwolf und fordert ebenfalls "klare Rahmenbedingungen, damit wir uns darauf einstellen und überleben können".
Redaktion: Stephan Loichinger
Sendung: hr4, 04.07.2024, 14.30 Uhr