Begrünung, Entsiegelung, Frischluftschneisen So bereitet sich Hessen auf noch mehr Hitze und Dürre vor
Was tun gegen Hitze und Trockenheit? Eine Umfrage gibt Einblicke in die Maßnahmen von Landkreisen und kreisfreien Städten. Dabei fällt der Kreis Groß-Gerau im Dürre-Ranking auf. Und eine Expertin warnt: Anpassungen müssen her – sonst könnten Orte unbewohnbar werden.
Wasserknappheit, unsichere Ernten – und eine teils extreme Hitzebelastung in den Städten: Die Auswirkungen des Klimawandels machen den Menschen zu schaffen und zwingen die Politik zum Handeln.
Das Umweltministerium in Wiesbaden reagierte im Juni auf die steigenden Herausforderungen. In einem Maßnahmenplan hält das Ministerium fest, was getan werden kann: etwa mit einer Gefahrenabwehrverordnung den Wasserverbrauch bei Notständen einschränken oder die Wasserentnahme aus Flüssen regulieren. Auch die Landwirtschaft soll Förderungen für sparsame Bewässerungssysteme bekommen. Damit es im Wald nicht zu trocken wird, sollen Feuchtmulden entlang von Waldwegen angelegt werden und möglichst viel Asphalt auf Wegen verschwinden.
Eine deutschlandweite Umfrage von CORRECTIV, NDR, BR und WDR zeigt, was Landkreise und kreisfreie Städte gegen diverse Herausforderungen tun, die mit der Klimakrise einhergehen. Wir greifen einige Beispiele aus Hessen auf.
Groß-Gerau: Deutschlandweit am stärksten von Zuwachs an Dürre betroffen
Wie nötig es ist, dass die Städte und Kommunen handeln, zeigen historische Daten. Besonders der Kreis Groß-Gerau sticht hier hervor. Den Daten des Dürremonitors am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zufolge ist der Kreis die am heftigsten getroffene Region Deutschlands – bezogen auf die Dürre des Gesamtbodens.
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Die Region verzeichnet nicht nur die meisten Dürremonate in den vergangenen 30 Jahren, sondern auch einige der größten Zuwächse von Dürremonaten im Vergleich zu historischen Daten. Der traurige Rekord: Waren es im Zeitraum von 1961 bis 1990 noch 1,2 Dürremonate pro Jahr in Groß-Gerau, sind es im Zeitraum von 1993 und 2022 ganze 4,4 Monate gewesen.
Kreis begrünt Dächer und Fassaden und entsiegelt Flächen
Auf Anfrage heißt es vom Kreis, dass man sich diesem Problem bewusst sei und bereits Maßnahmen dagegen ergriffen habe. So habe der Kreis bereits Fassaden und Dächer begrünt, Flächen entsiegelt.
In den nächsten fünf Jahren ist ein sogenanntes Waldmanagement geplant: Darunter fallen die Anpflanzung von dürreresistenten Bäumen und Pflanzen oder die Entsiegelung weiterer Flächen. Nötig sei auch der Rückbau von schnellen Abflusssystemen – ein Teil des sogenannten "Schwammstadt-Prinzips". Man möchte das Wasser schließlich nicht ableiten, sondern behalten. Finanziert sei dieses Vorhaben aber noch nicht.
Das kritisiert der Naturschutzbund (NABU) in Groß-Gerau. "Es mangelt nicht an Fördermöglichkeiten für die Wasserrückhaltung", mahnt Bernd Petri, stellvertretender NABU-Landesvorsitzender, der in Büttelborn (Groß-Gerau) wohnt. "Es gibt EU- und Bundesfördertöpfe, die man aber auch anzapfen muss." Die Maßnahmen des Landkreises lobt er - aber gelegentlich passiere wahnwitziges: So bauten Biber hin und wieder Dämme, die Wasser in Schutzgebiete zurückstauen. Diese Dämme werden aber von der Naturschutzbehörde regelmäßig abgebaut, obwohl sie dringend nötig seien.
Schottergärten: Im Notfall mit Verboten
Landrat Thomas Will (SPD) bekräftigte im hr-Gespräch, dass trotz der vielen Maßnahmen auf Kreisseite auch die Bürgerinnen und Bürger mitziehen müssten – etwa beim Thema der Vorgartengestaltung. Kritisch sieht er Schottergärten.
Wenn in zehn Vorgärten Schotter liege, sei das Klima dort anders als in einer Straße, wo in zehn Gärten Bäume und Sträucher stünden, sagt Will. Der Landrat versucht daher auf die Leute einzuwirken. "Wenn es überhaupt nicht geht, muss man mit Verboten arbeiten – denn es geht zulasten aller, wenn alles versiegelt wird." Zuletzt waren im Mai in Frankfurt Schottergärten verboten worden, auch das neue Naturschutzgesetz des Landes sieht unter anderem ein Verbot von Schottergärten vor.
Kassel: Frischluftschneisen und Begrünung
Ähnlich wie in Groß-Gerau sehen auch alle anderen Landkreise die Notwendigkeit dazu, etwas zu ändern. Allerdings fallen die Maßnahmen dafür unterschiedlich aus. Insgesamt haben knapp ein Viertel aller Kreise ein Klimaanpassungskonzept, obwohl es gleichwohl keinen Kreis gibt, der noch nichts unternommen hat.
Die Stadt Kassel etwa hat bereits ein detailliertes Klimaschutzkonzept. Darin werden Frischluftschneisen zur Belüftung der Stadt, Hochwassersensibilisierung, der Abbau von Hitze durch mehr Schattenplätze als Maßnahmen für die Stadt genannt und priorisiert. Gießen hat in Hessen – der Anzahl zufolge – am meisten Maßnahmen beschlossen. Daran lässt sich allerdings nicht festmachen, wie qualitativ deren Umsetzung auch ist.
Im Landkreis Darmstadt-Dieburg mit seinen 23 Städten und Gemeinden gibt es seit mehr als zehn Jahren ein Klimaschutzkonzept. Die Herausforderung bei Landkreisen: Anders als bei Stadtkreisen sind hier die Kommunen selbst für die Umsetzung solcher Maßnahmen gefragt. Sie sind verantwortlich – unterstützt vom Kreis. Daher lässt sich die Anzahl der Maßnahmen der Landkreise mit denen von Stadtkreisen schwer vergleichen.
Anpflanzen von dürreresistenten Pflanzen und Bäumen
Die Maßnahme, die alle Landkreise und kreisfreien Städte am häufigsten ergriffen haben, ist das Anpflanzen von dürreresistenten Pflanzen und Bäumen, sowie das Begrünen. Alle kreisfreien Städte – also Darmstadt, Frankfurt, Kassel, Offenbach und Wiesbaden – und 47 Prozent der Landkreise tun das bereits. Nicht berücksichtigt wurden in den Umfrageergebnissen die Landkreise Fulda, Vogelsbergkreis, Wetterau, Odenwald, Bergstraße und Main-Taunus, die auf die Anfrage nicht geantwortet haben.
Auffallend: Die Stadt Offenbach teilte zwar mit, dass sie ein Dürreproblem hat, aber hat nicht abschließend bewertet, ob Maßnahmen dagegen relevant seien.
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Klimawandelexpertin Marion Hemfler vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) sieht in den Maßnahmen eine Chance, etwas an Städten zu verändern. "Die Anpassungen sind anstrengend und werden nicht einfach, aber die Städte können davon über den Klimaanpassungsaspekt hinaus gewinnen", sagte sie dem hr.
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"In einer Stadt, die begrünt ist, hält man sich gerne auf." Das führe auch dazu, dass zubetonierte Innenstädte, in denen eher wenige Wohlhabende leben, ein Stück weit sozial gerechter gestaltet würden, so Hemfler.
Expertin: Orte irgendwann nicht mehr bewohnbar
"Ich schlage immer die Hände über dem Kopf zusammen, wenn Politikerinnen und Politiker sagen, man könne ja eh nichts mehr machen", sagt Hemfler. "Je stärker der Klimaerwärmung wird, desto mehr braucht es Kommunen und Städte, die mit Anpassung entgegenwirken."
Die Umweltexpertin warnt: "Sonst wird es Orte in Hessen gerade im Süden geben, die irgendwann nicht mehr bewohnbar werden könnten – oder wo die Landwirtschaft große Probleme bekommt."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 13.7.2023, 19.30 Uhr
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