Ex-Muslima erzählt von ihrem Ausstieg Wie Zeinab dem Islam den Rücken gekehrt hat
Zeinab hat Christian auf Tinder kennengelernt und sich in ihn verliebt. Für ihren Vater ist das ein Schock: ein ungläubiger Schwiegersohn ist für den streng gläubigen Muslim undenkbar. Doch Zeinab bleibt bei Christian und wendet sich vom Islam ab - mit weitreichenden Konsequenzen.
Zeinab (Nachname ist der Redaktion bekannt) zeigt ein Foto von sich, auf dem sie 13 Jahre alt ist. Darauf trägt sie ein graues, gemustertes Kopftuch und lächelt. Die Hessin sieht zufrieden aus, das Kopftuch trägt sie damals freiwillig. "Im tiefsten Inneren war ich tatsächlich glücklich in diesem Moment", sagt die 23-Jährige.
"Ich habe mich ja nicht tiefgründig damit befasst, was es bedeutet, als Frau dieses Kopftuch zu tragen, warum ich jetzt verhüllt werde." Sie sei davon überzeugt gewesen, dass es vor sexuellen Belästigungen schützt.
Weg zur Religion aus Angst vor der Hölle
Zeinabs Familie stammt aus dem Libanon. Ihr Vater und ihre kleine Schwester sind streng gläubige Muslime. Zunächst geht auch Zeinab diesen Weg. "Uns wurde nähergebracht, dass wir in der Hölle landen werden, wenn wir weiterhin ohne Kopftuch herumlaufen, wenn wir nicht jeden Tag fünfmal beten", erzählt sie.
Das habe ihr Angst eingejagt. Und deshalb sei auch sie sehr religiös geworden. Sie habe keine Musik mehr gehört, weil das "haram" - also verboten - sei. Sie sei jeden Morgen um sechs Uhr aufgestanden, um zu beten. Und sie habe Männern nicht mehr die Hand gegeben.
Zum ersten Mal wirklich frei
Der Bruch mit dem Islam kommt, als Zeinab 18 Jahre alt ist. Sie entscheidet sich, von zu Hause auszuziehen und ihrer Religion den Rücken zu kehren. Sie erinnert sich an einen entscheidenden Tag.
"An dem Tag, als ich dann im Zug saß zu meinem Studienort, habe ich mein Kopftuch abgelegt, mir Tinder installiert und nicht mehr halal gegessen. Alles ist an dem Tag gefallen." Es sei der erste Tag gewesen, an dem sie sich "wirklich frei" gefühlt habe.
Viele Fragen und Zweifel
Sie habe vorher lange über diesen Schritt nachgedacht. Sie sei sexuell belästigt worden, sagt sie, trotz des Kopftuchs. "Warum möchte Allah, dass ich das trage, warum nicht auch Männer?", fragte sie sich.
"Warum wird die Frau so unglaublich reguliert von dieser Religion? Kopftuch, Jungfräulichkeit und all diese Aspekte, die die Frau immer weiter einschränken. Irgendwann wurde es mir einfach zu viel."
Morddrohungen des Vaters
Kurz nachdem Zeinab ihr Kopftuch ablegt hat, lernt sie Christian kennen, über Tinder. Ihr Vater hat eigentlich schon einen Mann für sie ausgesucht - es ist ein Cousin. Aber Zeinab kann sich rausreden, gibt vor, sich erst einmal auf ihr Studium konzentrieren zu wollen. Doch der Mann, den sie will, ist kein Muslim – und deshalb inakzeptabel für ihren Vater. Er droht seiner Tochter, er werde sich eine Waffe kaufen, um sie zu erschießen.
Von solchen Drohungen lässt sich Zeinab nicht einschüchtern. Keinen Moment habe sie daran gedacht, ihren Freund zu verlassen. Als jetzt Ex-Muslima hat sie dennoch auf gewisse Weise Verständnis für ihren Vater: "Er denkt wirklich, wenn er mir Drohungen ausspricht, dann hilft er mir eigentlich, weil ich dann mit ihm in das Paradies komme."
Studiengang ein Kontrastprogramm
Seit vier Jahren sind Zeinab und Christian ein Paar - in ihrer Familie ist sie seither nicht mehr willkommen. Kontakt zur 10-jährigen Schwester unterbindet ihr Vater. Zeinab studiert inzwischen "Data Science und Künstliche Intelligenz". Diese Verbindung von Mathematik und Informatik interessiert sie – weil sie darin den großen Unterschied sieht zum Islam, wie sie ihn erfahren hat.
"Dort lernen wir ja wirklich: Was bedeutet Wahrheit, was bedeutet Logik? Wie trainiere ich mein logisches Denken? Und nicht eben dieses 'Ich spüre einen Gott, und deswegen schränke ich mich als Frau ein und schränke meine Sexualität ein'."
Politisches Engagement
Politisch stand Zeinab früher eher links, sagt sie, weil das linke Spektrum sich für Feminismus einsetze. Mit Rechten habe sie nichts am Hut - obwohl die ihre Geschichte mögen. Sie begrüßten jede Kritik am Islam, betont Zeinabs Freund.
"Linke Leute finden eigentlich die Sachen gut, die Zeinab sagt - wenn man sie an Deutschen kritisiert: Man soll Frauen mehr beachten, sexuelle Selbstbestimmung, Homosexuellen-Rechte." Wenn die Kritik aber von Ex-Muslimen komme, werde da immer das Motiv hinterfragt. Ihr werde häufig unterstellt, ihre Kritik am Islam sei von Hass geleitet.
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Zeinab engagiert sich mittlerweile bei den Jungen Liberalen, der Jugendorganisation der FDP. Ihre politische Wunschvorstellung ist, dass der Islam sich nicht in staatliche Strukturen einmischt.
"Es soll kein Zwang sein im Glauben", so steht es im Koran, Sure 2, Vers 256. Zeinab jedenfalls glaubt nicht mehr - und sie will anderen zeigen, dass die Abwendung vom Glauben auch im Islam möglich ist.
Sendung: hr-iNFO, 20.07.2023, 16.20 Uhr
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